Den dritten Tag der Besetzung habe ich etwas angeschlagen nach zwei anstrengenden Tagen von zuhause aus erlebt. Dank Luca klappt es ja mit der Live-Übertragung aus dem Audimax schon fantastisch (eine neue Webseite hat er auch gezaubert), und so durfte ich über das Internet eine enorme Verbesserung der Plenumsdiskussion erleben. Die dafür zuständige Arbeitsgruppe hat Hervorragendes geleistet. Von diesen AGs gibt es mittlerweile dann schon eine zu erkleckliche Anzahl, weshalb am vierten Tag die Abends-Plenumssitzung erst nach fast fünf Stunden zu Ende ging. Hier muss eindeutig Struktur gestrafft werden. Es war also außergewöhnliches Sitzfleisch gefordert. Und während so mancher vor dem langen Wochenende den Protest am Ende sah, war das Audimax auch am Ende dieser Marathonsitzung noch gestopft voll. Ätschibätsch.
Mittlerweile gründet sich auf Facebook eine Gegeninitiative an Leuten, die zwar meistens die Sicht auf die Probleme einigermaßen teilen, die aber entweder andere Lösungen im Sinne konservativ-liberaler Ideen anstreben, oder die etwas gegen das Instrument der Besetzung haben. Ebenso wie die Besetzung als ziviler Ungehorsam legitim ist, ist auch diese Sichtweise zu respektieren. Es ist deshalb zu begrüßen, dass eine Abordnung dieser zwar deutlich kleineren aber doch beachtlich großen Gruppe in den nächsten Tagen ins Audimax kommt. Vielleicht findet man ja doch die ein oder andere Gemeinsamkeit. Ein respektvoller Umgang sollte dabei zumindest gewährleistet bleiben. Ein Burschenschafter der heute mit einem Gruß an die deutschen Völker ans Podium gestürmt ist, konnte diesen Respekt nicht genießen.
Spaßiges Detail am Rande. Als ich jenen Aufruf zum gegenseitigen Respekt (unter Leuten die immerhin im selben Boot sitzen) im Facebook postete, begann ÖVP-Fantast Loub die Besetzung mit Diebstahl zu vergleichen. Friedlichen Widerstand also mit einem Verbrechen. Die ÖVP ist als Partei im momentanen Zustand leider nicht ernst zu nehmen.
Auch das Rektorat bleibt einige Erklärungen schuldig. Ohne dass die Studierenden einen Verantwortlichen bestimmen, will es anscheinend keine Liste an Sachbeschädigungen herausrücken. Im Plenum wurde das für einen Versuch gehalten, jemanden zu finden den man nach dem Ende der Aktion auch persönlich verantwortlich machen und anzeigen kann. Bis die Universität die Schäden nicht offenlegt, sind auch die Zahlen von angeblich 100.000€ Schaden nicht glaubwürdig. Es gab zwar vereinzelte Fälle von Vandalismus (die im Plenum auch eindeutig abgelehnt wurden), aber große Schäden waren nicht feststellbar.
Heute sprach Professor Alex Callinicos (Europäische Studien am King’s College in London) über die Ökonomisierung von Studien. Morgen werden im Plenum die bekannten Autoren Robert Menasse und Klaus Werner-Lobo (Das Neue Schwarzbuch Markenfirmen, Schwarzbuch Öl, Uns gehört die Welt), sowie Attac-Gründer und WU-Dozent Christian Felber sprechen. Am Dienstag schaut dann Kommentator Robert Misik vorbei. Wenn manche Medien da immer noch nur unpolitischen Party-Protest sehen, dann liegts daran was sie sehen wollen.
Währenddessen ist die Solidarisierung der Studierenden schon weit fortgeschritten. Nicht nur Institute in ganz Deutschland und Italien verfassten Erklärungen, und Vertreter von den Unis in Innsbruck, Graz und Klagenfurt, sowie Linz und Salzburg kündeten Protestunterstützung an. Auch an der BOKU und der TU entsteht etwas, von der Protestquelle an der Akademie der Bildenden Künste ganz zu schweigen. Wir stehen möglicherweise am Beginn eines internationalen Bildungsprotests, jedenfalls aber eines nationalen. Mit einem solchen im Buckel wird es für Gio Hahn vielleicht schwierig, in der EU-Kommission zu landen. SchülerInnenvertreter waren bereits anwesend. Lehrende ebenfalls. Die KindergärtnerInnen haben sich längst solidarisiert. Um den Schulterschluss mit LehrerInnen wird noch gebuhlt. Und dann gibt es noch die Hoffnung auf etwas ganz Breites. Gute Kontakte zu einer Gewerkschaft stehen bereits.
Welch skurrilen Blüten eine „Solidarisierung“ (von zweifelhafter Echtheit) aber auch tragen kann, ist in meinem neusten Video zu erahnen. Plötzlich klingelte mitten im Plenum Skype und es wurde ein vermeintlicher Anruf der angeblichen Universität von Genua bejubelt … und dann halt ausgelacht.