Montag in aller Früh. Unsere kleine zurPolitik.com-Abordnung klopfte an die Tore der Hofburg. „Ist der HeiFi da?„, fragten die düsteren Bloggergestalten den Polizisten am Eingangstor, „Die Medienmacht begehrt mit ihm zu sprechen“. Als der Portier bemerkte, mit wem er es zu tun hatte, strich er alle Termine des Präsidenten, rollte den roten Teppich aus und führte uns ins Maria-Theresien-Zimmer. Hier, wo die Kaiserin einst schlief, hörten wir hinter der Wand Heinz Fischer noch eilig wichtige Staatsverträge unterzeichnen. Das Team der Pro 7 News ist uns auf den Fersen, die Kamera nie von den sensationellen Bloggern abgewandt. Nachdem der Präsident die unscheinbare Tür zum Arbeitszimmer öffnete, in dem schon Josef II. gewirkt hatte, gewährte er außer für einen kurzen Moment nur uns Einlass. In den nächsten 40 Minuten hatte er bloß eines im Sinn: Die brutalen Fragen dieser Blogger zu überstehen.

Das vermutlich erste Interview eines amtierenden Staatsoberhauptes mit nicht-professionellen Bloggern führten Tom Schaffer und Pezi Köstinger. Die Fotos schoss Georg Pichler. Die Titelfotos (Startseite und oben) sind von Andreas Wenzel und Urheberrechts-geschützt.

Tom: Dass wir hier als Staatsoberhaupt und Blogger sitzen ist bemerkenswert. Das hat es international noch nicht so oft gegeben.
Heinz Fischer: Ich habe gesehen, dass Sie das hervorgehoben haben.

Woher kommt Ihr Interesse für so etwas?
Ich glaube wir haben ein gemeinsames Interesse. Sie haben ein Interesse an neuen Kommunikationsformen, und ich will Menschen erreichen, die sich für Politik interessieren – oder solche die sich noch nicht interessieren, um ihnen zu zeigen, dass Politik doch etwas Wertvolles und Vernünftiges sein kann.

Das bringt uns auch gleich zu den alten Medien. Die Krone kampagnisiert sehr stark gegen Sie bzw. für Ihre MitbewerberInnen. Was passt dem Hans Dichand an Ihnen nicht?
Das müssen Sie Hans Dichand fragen.

Wenn er uns auch ein Interview gibt. (Gelächter)

Pezi: Wie sehen Sie generell das Verhältnis von Politik und Medien? Wer instrumentalisiert da eher wen?
Ich versuche das Verhältnis von Politik und Medien sehr professionell und cool zu sehen. Damit habe ich auch gute Erfahrungen gemacht.

Die Medien haben ihre in der Demokratie unersetzbare Aufgabe, Kommunikation zu fördern. Das muss unbedingt pluralistisch sein, es muss Meinungspluralismus herrschen.

Die Politik soll mit den Medien vernünftig und sachlich zusammenarbeiten. Man soll sich nicht selber den Medien ausliefern, aber auch nicht umgekehrt glauben, dass man sie wie ein Werkzeug behandeln kann. Wenn jeder seine Rolle ehrlich und fair wahrnimmt ist es am Besten für beide Seiten.

Tom: Es gibt immer wieder Diskussionen um das Bundespräsidentenamt: Ob das noch zeitgemäß ist, ob das noch Sinn ergibt. Wie stehen Sie dazu? Ist die Trennung von Repräsentation und Exekutive im Staat eine gute Sache?
Für mich ist das Amt nicht dadurch bestimmt, dass man sagt, das sei die Trennung von Politik und Repräsentation. Ich gehe da anders heran. Es gibt etwa 190 Mitgliedsstaaten in den Vereinten Nationen. Alle haben ein Staatsoberhaupt.

Es gibt Diktaturen und Demokratien. Ich stehe auf der Seite der Demokratien.
Darunter gibt es Republiken und Monarchien. Ich stehe auf Seiten der (verspricht sich) Monarch… Pardon! (lacht) der Republiken.
Darunter gibt es wieder solche, wo der Präsident vom Volk gewählt wird und solche wo er zum Beispiel von einer Bundesversammlung gewählt wird. Ich stehe auf der Seite der Volkswahl.

Ich finde das vernünftig und demokratisch. Ein österreichischer Bundespräsident bekommt von der Verfassung eine Fülle von Rechten und Pflichten übertragen.

Nichts desto trotz: In Österreich kommen die Präsidenten immer aus den Parteien, sind meistens Leute die sehr lange in der Politik sind und da auch klare Werte und Standpunkte vertreten haben. Dann werden sie dafür gewählt und im Endeffekt haben sie dann ein repräsentatives Amt, wo diese Werte nicht mehr so zum Vorschein kommen. Ist das nicht irgendwie absurd?
Eine Bundesregierung zu ernennen und eine Regierungsbildung zu managen ist nichts Repräsentatives. Nach China zu fahren, mit der dortigen Staatsführung zu verhandeln und österreichische Interessen zu vertreten ist viel mehr als nur Repräsentation. Auch die österreichischen Gesetze auf ihr verfassungsmäßiges Zustandekommen zu prüfen (und nötigenfalls ein Gesetz an den Nationalrat zurückzuschicken) ist viel mehr als nur Repräsentation. Jedes Jahr hunderte Personalentscheidungen zu fällen – Oberstaatsanwälte und Präsidenten von Gerichtshöfen zu ernennen – ist auch mehr als Repräsentation. Ich glaube, es ist ein sehr politisches, aber kein parteipolitisches Amt.

Und die Repräsentation soll auch nicht unterschätzt werden. Jede Bürgerin und jeder Bürger will haben, dass das Staatsoberhaupt das eigene Land im In- und Ausland so vertritt, dass man stolz sein kann und sich nicht genieren muss. Es wäre schrecklich peinlich einen Bundespräsidenten zu haben, bei dem man nicht stolz sein kann, wie die rot-weiß-rote Fahne vertreten wird.

Pezi: In Ihrer Biographie sagen Sie, dass Sie das Amt möglichst unparteiisch und objektiv anlegen möchten. Wie schwierig ist das als Mann mit klaren Überzeugungen und Haltungen?
Objektivität steht ja nicht im Gegensatz zu bestimmten Haltungen und Werten. Wenn ich einen Personalakt vorgelegt bekomme, wo der Beste an erster, der Zweitbeste an zweiter und der Drittbeste an dritter Stelle steht, werde ich als objektiv Entscheidender natürlich den Besten nehmen. Das ist Ausdruck einer über den Parteien stehenden Wertung und widerspricht nicht sondern entspricht meinen Werten. Denn dazu gehören Gerechtigkeit, Fairness, demokratische Kultur und Einhaltung der Verfassung ganz besonders. Also ich habe kein Problem Objektivität und Grundwerten auf einen Nenner zu bringen.

Tom: Wenn man sagt, dass das ein repräsentatives und unpolitisches Amt ist, dann eher deshalb, weil es wenig in der Tagespolitik in Erscheinung tritt. Es gibt Themen, die die Parteilandschaft spalten, zum Beispiel die Studierendenproteste. Erlaubt das Amt, dass man sich da zu Wort meldet? Und wenn ja, warum ist zum Beispiel dieses Thema in Ihrer Neujahrsrede nicht vorgekommen?
Ich glaube, dass vor allem junge Menschen eine Sehnsucht haben, dass der Begriff „politisch“ nicht immer als „parteipolitisch“ missverstanden wird. Die Demokratie braucht Parteien, das steht außer Zweifel. Aber ebenso braucht sie die Fähigkeit zu einer grundsätzlichen Haltung die nicht nur von parteipolitischen Interessen geprägt ist.

Sie haben schon Recht, dass der Bundespräsident in erster Linie zu Fragen Stellung nehmen wird, die von staatspolitischer Relevanz sind (Verfassung, Außenpolitik, Neutralität, Menschenrechte und so weiter).

Aber auch zu den Fragen der Studentenproteste habe ich mich nicht verschwiegen. Ich bin unlängst bei einer großen Studentenversammlung gewesen. Ich habe dort gesagt: „Ich war ein sehr aktiver Studentenfunktionär während meiner Hochschulzeit, und natürlich wäre ich damals – und heute wenn ich noch entsprechend jünger wäre – auf Seite der Studenten gestanden„.

Das heißt nicht, dass die in allem recht haben. Aber dass die Studierenden das Recht haben, sich zu artikulieren, dafür muss jeder Verständnis haben, der sich hinein versetzen kann in die gar nicht so einfache Lage der Studierenden von heute.

Pezi: Sie sehen es also nicht als Ihre Aufgabe, auf Themen draufzudrücken, über die sich die Politik weigert zu diskutieren?
Meine Aufgabe ist nicht in der Tagespolitik bei einer Parlamentssitzung zu sagen „Die Partei A hat recht und die Partei B ist eine böse Partei„. Aber natürlich können auch Grundsatzthemen Themen der Tagespolitik sein – und dann muss man dazu Stellung nehmen. Das tue ich auch – im Bemühen die besondere Rolle des Bundespräsidenten nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Bundespräsident ist das von allen Österreicherinnen und Österreichern mit absoluter Mehrheit gewählte Staatsoberhaupt. Daraus ergeben sich gewisse Aufgaben, die auch Rudolf Kirchschläger, den ich sehr geschätzt habe, und andere Präsidenten wahrgenommen haben. Ich bin kein parteiischer Präsident.

Tom: Im Gegensatz zu unserer Kritik hat Jörg Haider Sie – am Anfang Ihrer Amtszeit – der „sozialistischen Parteipolitik“ bezichtigt. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass Sie sich am Anfang eher häufiger zu solchen Themen geäußert haben. Wie kommt das?
Das hat nichts mit meiner Tätigkeit zu tun, sondern das hat mit Jörg Haider zu tun.

Das Gefühl, dass Sie sich am Anfang Ihrer Tätigkeit öfter geäußert haben, ist mir allerdings auch gekommen. Da ist nichts dran?
Da ist nichts dran – gerade weil ich mein Amt sehr vorsichtig angegangen bin. Im Laufe der Jahre habe ich an Sicherheit gewonnen. Das können Sie auch an den Interviews die ich in den letzten Monaten gegeben habe feststellen.

Im zweiten Teil des Interviews geht es um Heinz Fischers Verhältnis zu Nordkorea, zweisprachige Ortstafeln, die Millenium Goals und Barack Obama. Außerdem verleihen wir ihm ein Ehrenabzeichen.

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