In den letzten Wochen meine ich eine Entwicklung beobachten zu können, die mich nachdenklich stimmt. Die Welt steht vor großen Herausforderungen, ihre Märkte sind weitgehend globalisiert. So lukrieren Deutschland und Österreich über ein Drittel ihres Bruttoinlandprodukts aus Exporten. Die Unternehmen leben die Globalisierung vor. In den Köpfen der Menschen scheint das noch zu dauern. Stimmen werden laut, „wir“ müssten auf „uns“ schauen. Befinden wir uns in der richtigen Zeit für nationales Ideologiegeplänkel?

Die zwei Seiten der Medaille

Ich möchte die vielen negativen Aspekte der Globalisierung gar nicht verschweigen. Lohndumping, Rückgang von Sozial- und Umweltstandards, entgangene Steuereinnahmen. Aber viele dieser Punkte hängen damit zusammen, dass Überlegungen noch innerhalb (abstrakter) Grenzen stattfinden. Nationale Kleinkariertheit kann globale Entwicklungen nicht beeinflussen.

Eine Weltgemeinschaft

So schwirrt in meinem Kopf die Utopie eines Weltstaates, der nicht unbedingt ein Staat sein muss. Eine globale Gemeinschaft könnte schon viel bewirken. So eine existiert ja bereits. Die Vereinten Nationen, also die UNO, umfassen 192 Staaten. Nur müsste eine Organisation wie diese mit viel umfassenderen Kompetenzen ausgestattet werden.

Im Bild: Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, blau eingefärbt.
Quelle: Wikipedia – Nutzer „Lateiner“

Die Idee einer Weltsteuerbehörde

So schlägt Christian Felber in seinem Buch „Kooperation statt Konkurrenz“ die Schaffung einer Weltsteuerbehörde vor, die ihren Sitz in der UNO haben könnte.

Eine Weltsteuerbehörde würde die steuerpolitischen Ziele der Nationalstaaten koordinieren und verhindern, dass sie sich einen Steuerwettbewerb liefern und gegenseitig die Steuerbasis abgraben. Koordiniert werden muss daher die Besteuerung der mobilen Steuerfaktoren, insbesondere des Kapitals. Wenn Unternehmen und Privatpersonen Standort und Steuersitz frei wählen können, dann ist es eben keine “nationaldemokratische” Entscheidung mehr, wie hoch an jedem Ort die Vermögens-, Gewinn-, Kapitalertragssteuern und die Spitzensteuersätze der Einkommenssteuer sind. Im Gleichschritt muss ihre Steuerpflicht global koordiniert werden – am besten in der UNO. Wer aus der Kooperation ausschert, muss sanktioniert werden, damit jene, die kooperieren, nicht die Dummen sind. Das beste Druckmittel: Wer bei den globalen Regeln und Mindeststandards nicht mitmacht, wird vom freien Kapitalverkehr abgetrennt. Binnen kurzer Zeit würden dadurch alle dabei sein, keine Steueroase kann sich die Beschränkung des Kapitalverkehrs leisten: Er ist ihre Lebensader.

Kontraproduktive Wettbewerbsfähigkeit

Die Schwierigkeit in der Umsetzung ist deshalb gegeben, weil sich viele Staaten durch niedrigere Abgabenquoten Vorteile in Punkto Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Spielen alle Länder mit und überbieten sich in diesem Bereich, arbeiten also daran, wettbewerbsfähiger zu werden, passiert genau das, was Christian Felber in seinem Buch schildert. Die Länder nehmen sich gegenseitig die Steuereinnahmen weg. Und insgesamt schrumpft der staatliche Steuerkuchen. Geld, das dann in wichtigen Bereichen wie der Finanzierung des Sozialstaats, der Bildung oder des Gesundheitssystems fehlt.

Selbstregulierung schafft Gleichgewicht

Durch die Abwanderung von Unternehmen wird Wohlstand verschoben. Könnte man meinen. Nehmen wir als Beispiel ein reiches Land wie Österreich her. Unternehmen gehen aufgrund der billigen Arbeitskräfte und der niedrigeren Umweltstandards in ein Entwicklungs- oder Schwellenland. Dort finden damit mehr Menschen Arbeitsplätze, was deren Wohlstand steigert. Die Arbeitsbedingungen sind dort aber oft menschenunwürdig und vielen bleibt der Zugang zu Bildung verwehrt. Daran ändert sich trotz prosperierender Wirtschaft oft Jahre nichts.

Die schöne Theorie

So kommt der Kreislauf ins Stocken. Theoretisch würden Wohlstand und Bildungsgrad steigen und die Menschen nach und nach höhere Sozial- und Umweltstandards fordern, was wiederum zu höheren Kosten für Unternehmen führen würde. Ein Gleichgewicht zu Ländern wie Österreich würde sich entwickeln. Der Binnenmarkt des ehemaligen Schwellenlands könnte sich verselbstständigen und entwickelte Länder wie Österreich müssten keine Abwanderung von Kapital mehr befürchten.

Die traurige Realität

Da in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern aber keine Demokratie herrscht, sondern korrupte Diktatoren an der Macht sind, läuft es in der Praxis ganz anders ab, als zuvor theoretisch geschildert. Der Wohlstand bleibt in den Händen weniger mächtiger Menschen, der breiten Masse bleibt der Zugang zu Bildung verwehrt und in der Entwicklung sind keine Fortschritte zu erkennen.

Und genau aufgrund dieser traurigen Realität müsste eine mit umfassenden Kompetenzen ausgestattete Institution geschaffen werden (oder bereits vorhandene wie die UNO reformiert werden), die sich um solche Belange kümmert und globalen Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen entgegenwirkt. Das so eine Institution möglichst demokratisch aufgebaut werden muss, ist klar.

Überbrückungsmaßnahmen

Im klaren Bewusstsein, dass so ein Megaprojekt mit den derzeitigen politischen Kräften und auch dem überwiegenden gesellschaftlichen Grundkonsens des „Auf-sich-selbst-schauen“ noch lange nicht realisierbar ist, können auch einzelne Nationalstaaten Maßnahmen ergreifen, um die oben beschriebene traurige Realität nicht zu unterstützen.

Eine solche Überbrückungsmaßnahme könnte eine Blacklist oder in umgekehrter Ausführung, eine Liste mit zertifizierten Unternehmen darstellen. Auf so einer würden dann entweder Unternehmen aufgelistet, in denen Kinderarbeit praktiziert wird, Gewerkschaften und Betriebsräte nicht zugelassen werden, unmenschliche Arbeitsbedingungen vorherrschen und kein existenzsichernder Lohn gezahlt wird. Oder in der Zertifikat-Variante eben wo dies nicht der Fall ist.

Ausführung einer Blacklist

Man könnte dann den Handel mit Unternehmen der Blacklist unterbinden und diese so in die Knie zwingen. Eine Art verpflichtendes Fair-Trade für Importe also. Das würde verhindern, dass Produkte auf anderen Kontinenten hergestellt werden, die wir selbst auch erzeugen könnten, weil die Kosten für diese mit der (zumindest teilweisen) Angleichung der Arbeitnehmerrechte dramatisch steigen würden. So würde die Umwelt aufgrund kürzerer Transportwege entlastet und Unternehmen gezwungen werden, ihre Angestellten und Arbeiter fair zu behandeln, wenn sie nicht vollkommen auf das Geschäft mit entwickelten Ländern verzichten wollen. Die Löhne würden zwar aufgrund der anderer Kostenstruktur trotzdem niedriger sein, diesen Nachteil können Länder wie Österreich aber durch vorhandenes Know-How kompensieren.

So eine Blacklist würde die Wirtschaft vieler Entwicklungsländer schwächen. Aber die Ausbeutung kann nicht so weiter gehen. Wir können unseren Wohlstand nicht weiter auf Kosten anderer finanzieren. Was das mit unserem Wohlstand zu tun hat? Viele unserer Konsumprodukte stammen aus dem Ausland, wo sie billigst hergestellt werden. Diese Produkte würden dann teurer werden. Wir könnten uns weniger leisten, unser Wohlstand würde sinken.

Ausgleich einer unvermeidbaren Wirtschaftsschwächung

Die Nachteile, die diese Länder aus so einer Blacklist hätten, könnte man mit struktureller, zweckgewidmeter Entwicklungshilfe ausgleichen. Die Kosten hierfür könnten zumindest teilweise durch die Stärkung unserer Wirtschaft und den damit gestiegenen Steuereinnahmen und den gesunkenen Sozialausgaben ausgeglichen werden.

Zeit für globales Bewusstsein

Was ich mit diesem Artikel bezwecken möchte? Ganz einfach. Es gibt rund um den Globus noch dramatische Ungerechtigkeiten und Chancenungleichheiten. Und von ganz alleine ändert sich daran so schnell auch nichts. Die Menschen müssen anfangen, globaler zu denken. Ob es nun darum geht, die negativen Aspekte der Globalisierung auszumerzen oder festgefahrene Ungleichheiten zwischen Nord und Süd aufzuheben, globales Bewusstsein ist die Basis zur Lösung dieser Probleme.

Das dabei ein nicht unwesentlicher Teil staatlicher Souveränität auf der Strecke bleiben muss, ist klar. Aber die Menschen müssen endlich einen Blick über den Tellerrand wagen. Die Welt ist groß, wir sitzen alle in einem Boot. Nur weil bestimmte Fakten nicht tagtäglich in den Medien vorkommen, wie etwa die große Anzahl von Menschen die in Hunger oder Diktaturen leben, heißt das nicht, dass wir nichts dagegen machen können. Wie hat es der griechische Philosoph Socrates nicht schon vor langer, langer Zeit schön ausgedrückt:

„Ich bin weder Athener noch Grieche, sondern ein Bürger der Welt.“

Wen wir diese Tatsache endlich verstehen, sehe ich positiv in die Zukunft einer gerechteren Welt.

Bild “Die Welt in meinen Händen”: © insektivor212/ PIXELIO
Bild “Zusammenhalt”: © KlainerTeufel/ PIXELIO

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