Bisher bei zurPolitik.com: Susannes Artikel über PolitikerInnen als Demokratieproblem stieß eine Diskussion über die Sage von der „unpolitischen Generation“ an. Diese Phrase wird vor allem gern als diffamierender Vorwurf an die Jugend verwendet. Sie beklagt, dass die Gschroppen sich für nichts interessieren und den Arsch nicht hochkriegen. Ich habe sie schon (fast) immer für ein saublödes Märchen gehalten.

Fast immer, weil ich mit 16 schon eine Phase hatte, als ich über meine Generation frustriert war. Entmutigt, weil sich im Freundeskreis wenige fanden mit denen man sich über die politischen Nachrichten unterhalten konnte. Sollte es einigen meiner jüngeren LeserInnen heute auch so gehen: Keine Angst! Das geht vorbei. Ihr werdet in den nächsten Jahren eure Gruppen finden, wo das anders ist. Und es werden euch auch solche bleiben, wo das so bleibt.

Der Vorwurf der unpolitischen Generation könnte an jede Generation zu jeder Zeit gerichtet werden. Sieht man sich den „Durchschnittsmenschen“ aller Generationen an, erblickt man immer eine unpolitische Person. Schön sichtbar ist das bei Familientreffen. Da verhängen Omis sogar explizite Sprechverbote über Politik, weil sie Streitigkeiten bei den seltenen intimen Treffen vermeiden wollen. (Das gelegentliche Schockzitat über Ausländer fehlt trotzdem wohl selten.)

Ein gesteigertes Politinteresse ist immer ein Minderheitenphänomen. Sich permanent für das Parteiengeschehen zu interessieren, der Weltpolitik zu folgen oder gar das Wissen für einen analytischen Zugang dazu haben, das ist was für eine kleine Menge an Freaks – Leute wie vermutlich euch oder mich.

Jede Generation hat aber ihre Themen, bei denen die Masse mitmacht, weil sie einen zeitgeschichtlichen Nerv treffen. Im Kleinen ziehen tausend Menschen ins Museumsquartier, wenn man ihnen dort einige Freiheiten verbieten will. Oder hunderte OrtsbewohnerInnen stehen auf, wenn man eine Aslywerberfamilie aus ihrer Mitte reißen möchte.

#unibrennt und #s21 sind zwei aktuelle Beispiele dafür, wenn großen Themen betroffen sind. Diese Bewegungen brachen los, weil Bildung seit Jahren verschlechtert und die Jugend allgemein verarscht wird und die Schnauze voll hat – und im anderen Fall, weil die Demokratie verwahrlost (die trotz aller meistgezeigten Uninteressiertheit niemand verlieren will). Anfang des Jahrzehnts war der Pazifismus in Form der Gegnerschaft zum Irak-Krieg ein Thema. Zigtausende Schüler standen auf Europas Straßen und wünschten Bush jr. zum Teufel.

Ich erinnere mich gut an unsere ungenehmigte Demo von einigen hundert Leuten unseres Gymnasiums (an das einige hundert Leute gehen). Es war der Morgen der Invasion in den Irak und wir legten den Durchzugsverkehr im Stadtzentrum Kapfenbergs lahm, bis uns die Polizei nach einigen Stunden des Platzes verwies (wir erkannten, dass es in dieser globalen Frage keinen Zweck hätte, eine Anzeige hinzunehmen und das Zeichen war gesetzt). Da waren jene Leute mit dabei, von deren Polituninteressiertheit ich kurz davor noch so frustriert war.

Es sind die Rahmenbedingungen, die eine Generation politisieren. Und damit greife ich gerne einen Kommentar von Martin Schimak zu Susannes Artikel auf: „Die unpolitische Generation wird die politischste Generation aller Zeiten„. Ich bin nicht sicher, ob das stimmt. Politik wird wohl ein Minderheiteninteresse bleiben.

Aber wenn man sich die heutigen Rahmenbedingungen ansieht, dann sind da viele potentielle Impulse für eine Politisierung von Massen. Vielleicht mehr als in vergangenen Jahrzehnten: Die Missachtung der Jugend, Integration und Zuwanderung, Globalisierungserscheinungen, Redemokratisierung, Bildung, Sozialabbau, das Verschwinden öffentlichen Raums und Güter, die Missachtung von bürgerlichen Freiheiten, Klimaschutz oder auch Umweltschutz sind und werden große Themen unserer Zeit sein. Wir haben uns mit all dem hier schon öfters beschäftigt. Vieles davon ist nicht neu, manches schon. Aber all das birgt immensen Zündstoff. Irgendwo im Hinterkopf und Herz hat auch der „unpolitischste“ Mensch zu diesen Fragen seine Haltungen und Werte. Und in manchen Situationen werden sie zum Ausbruch kommen.

Das Gerede von der unpolitischen Generation ist und war schon immer Geschwafel von Leuten, die nicht richtig hinsehen und -hören können. Auch von solchen die glauben, dass Raps, Comics, discobesuchende Politiker, von Parteien geschmissene Partys oder ein Facebook-Account allein das sind, was die Jungen wollen. Die, die denken, dass sie damit echte Jugendpolitik ersetzen können. (Dorks!) Manchmal ist es auch die Leier jener, die in ihrem Frust überhaupt nur noch das Schlechte sehen.

Eines jedenfalls ist mir heute wie schon (fast) immer klar: Mit der Wahrheit hat diese Phrase nicht das Geringste zu tun.

Fotocredits: designer-wg.de, CC2.0 BY-NC

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