Nachdem die Innenministerin in ihrer Webwerbebotschaft an die Untertanen jüngst eine bedenkliche Unvereinbarkeit der Zielsetzungen ihres Unternehmens präsentierte (Mehr Ordnung, mehr Freiheit), ist es wohl hoch an der Zeit sich auch hierorts einem fundamentalen demokratischen Grundkonflikt zu widmen, nämlich der Frage, wie man zwei an sich legitime Bedürfnisse, jenes der Freiheit einerseits und das der Sicherheit andererseits, bestmöglich verwirklicht, ohne das jeweils andere massiv zu beschneiden.

Es liegt in der Natur der Sache, dass das Maximum an Freiheit, gleichzeitig auch ein Minumum an Sicherheit bedeutet und umgekehrt. Eine Reihe von Philosophen und Denkern haben sich daran schon abgearbeitet, am verständlichsten hat es wohl Kris Krisofferson ausgedrückt.

Freedom’s just another word for nothing left to lose

Und selbst wenn es banal klingt, wer sich länger über die Zeile dieses Klassikers („Bobby McGee“) Gedanken macht, gelangt zumeist zur Auffassung, dass der Autor nicht unrecht hat, schließlich ist nur die wirklich frei, der man rein gar nichts mehr nehmen kann.

Diese Art der Freiheit wissen jedoch nur die wenigsten zu schätzen, insbesondere wenn man sich über physischen Besitz, den man entbehren kann und will, hin zu den fundamentalen menschlichen Besitztümern wendet, nämlich zu den ideellen Gütern. Dann realisiert man schnell, dass ein Verzicht darauf legitimerweise schwer fällt, ja, dass es darum geht, diesen Verzicht, wenn geht, so gering wie möglich zu halten.

Ich beziehe mich schließlich auf jene demokratischen Rechte, die man sich in der westlichen Welt in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten mühsam erstritten und erkämpft hat und die es zu jeder Zeit neu zu verteidigen und zu legitimieren gilt. Wahlrecht, Privatsphäre, Bewegungsfreiheit, Freiheit vor Diskriminierung usw. usf – nachzulesen z.B. in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Angst essen Freiheit auf

Einen Großangriff auf sämtliche bürgerliche Freiheiten hat man in der westlichen Welt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gestartet. Diese Welt, insbesondere die USA, sah sich mit einem fundamentalen Angriff auf die Freiheit und das Leben ihrer Einwohner konfrontiert, ein Trauma das man erst wirklich nachvollziehen und einigermaßen verstehen kann, wenn man persönlich in das gigantische Loch in Manhattan, dort wo einst das World Trade Center stand, geblickt hat.

Was folgte war ein kollektiver Rückzug und konservativere, repressivere Zeiten, selbst die US-amerikanische Presse übte eine bis dato nicht gekannte Selbstzensur aus, spätestens nach den Anschlägen in London und Madrid, hat die Welle der Angst auch Europa erreicht.

Sicherheit als Fiktion

Damals begannen die Sanktionen und Restriktionen erst so richtig, man machte sich stark für eine kollektive Anstrengung, die sich mit dem Slogan „War on Terror“ in eine Schlacht warf, bei der das größte Problem jenes war, das niemand so genau wusste, wen man eigentlich bekämpft bzw. wo eigentlich das Schlachtfeld liegt.

Ohne jetzt die einzelnen Exempel, die über die Jahre hin in Sachen Freiheitsbeschränkung praktiziert wurden auszuführen – Stichworte sind diesbezüglich Antiterrorparagraphen, Aufweichung von Folterverboten, Vorratsdatenspeicherung – so lässt sich als Fazit bis heute lediglich eines konstatieren: die Bedrohung durch Terroranschläge lässt sich nie und nimmer zu 100% in den Griff kriegen, ein gewisses Restrisiko bleibt. Wird auch immer beiben, weil die totale Sicherheit eine Fiktion ist, die in der Realität keinen Platz hat.

Zumal die ganze Sicherheitsdebatte ohnehin einer gewissen Absurdität nicht entbehrt, schließlich sind wir als Individuen so oder so mit unserer Sterblichkeit konfrontiert, d.h. selbst wenn wir es irgendwann zu Wege bringen, unser Leben keinen Gefahren mehr auszusetzen, wird es früher oder später irgendwann einmal zu Ende gehen. Etwas zynischer ausgedrückt kann man ein alte Weisheit strapazieren: Das Leben ist lebensgefährlich und endet immer tödlich.

Wie also kann man Sicherheit und Freiheit am besten vereinbaren?

Zum Einen, in dem man realisiert, dass selbst exzessive Datensammlerei noch nicht garantiert, dass man einen potentiellen Terroristen auch rechtzeitig identifiziert. Die Menge der gesammelten Daten steht nicht direkt proportional im Verhältnis zur Aufklärung von geplanten Straftaten. Solange ich nicht weiß, wonach ich suche, tappe ich im Dunkeln, selbst wenn ich sämtliche Daten von allen Weltbürgern besitze (was wiederum eine Fiktion ist…).

Darüber hinaus sollte man sich im Klaren sein, dass staatliche Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bzw. diverse Paragraphen im  Strafgesetzbuch immer auch eine Kontrollfunktion ausüben, die im besten Sinne die Freiheit der Bürger garantieren – und zwar so wie das die frühen Aufklärer im Sinne hatten, nämlich den Menschen Freiheit, Gleichheit und Zusammenhalt (im Sinne von Brüderlichkeit) zu ermöglichen – im schlechtesten Fall jedoch zu einem Mittel zur Beschneidung von Freiheiten mutieren, wie man es aktuell immer häufiger erleben darf, wenn man plötzlich Mafiaparagraphen instrumentalisiert, um gegen Tierschützer oder kleinkriminelle Rabauken vorzugehen. Für diese Fälle hat das Strafrecht auch so ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste

Diesbezüglich bin ich also der Meinung, dass es gerade jetzt wieder einmal heißt aufmerksam zu bleiben und genau zu beobachten, was der Staat unter dem Deckmantel Terrorbekämpfung oder „Sicherheit für die Bürger“ an Kontrollmechanismen implementiert. Schließlich muss sich die Bürgerin nicht alles gefallen lassen und für den Fall des Falles gibt es immer noch das Mittel des zivilen Ungehorsams. Eine Bürgerpflicht, über die ich hierorts bereits einmal geschrieben habe, und die meines Erachtens nach in den vergangenen Monaten an zunehmender Aktualität gewonnen hat.

Oder um es mit den, Berthold Brecht zugeschriebenen, Worten auszudrücken: Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Susanne, 10. November 2010

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