Österreich ist eine parlamentarische Republik.

Dass gerade das Parlament in dieser Staatsform explizite Erwähnung findet, kommt nicht von ungefähr, es stellt dadurch sozusagen die Kontrolle der Regierung dar. Sollte es zumindest, denn in Österreich gibt es das Parlament als demokratische Kraft in jüngster Zeit bestenfalls in der Theorie.

Die Ursachen dafür sind vielfältig und lassen sich mit Sicherheit nicht auf einzelne Faktoren reduzieren, aber dass hierzulande immer gerne ein bisserl was auch außerhalb des demokratischen Rahmens geht, beweist allein die Existenz und der Einfluss der Sozialpartnerschaft.

Auf die Sozialpartnerschaft möchte ich jedoch gar nicht näher eingehen, ich will mich auf das konzentrieren, was sich direkt im Parlament, bei den Parteien und den einzelnen Nationalratsabgeordneten abspielt.

Das hohe Haus

Das österreichische Parlament besteht theoretisch aus zwei Kammern, dem Bundesrat – den ich bereits in einem früheren Eintrag behandelt habe und der in seiner aktuellen Ausgestaltung lediglich als Ausgedinge für ausrangierte Politiker fungiert – und dem Nationalrat. Dort findet die Gesetzgebung für unser Land statt und dort sitzen jene Leute, die in ihrer Funktion den Souverän (das ist das Volk, falls es wer vergessen hat) repräsentieren. Gewählte Politiker und Politikerinnen, die Österreich und seine Bevölkerung nun seit Jahren mit absoluter Unfähigkeit und reformpolitischem Stillstand quälen.

Dass diesbezüglich Reformen nötig sind, bestreitet eigentlich niemand mehr, die Ursachen des nicht existenten Reformwillens liegen jedoch im fehlenden Parlamentarismus, in weiterer Folge in der Art und Weise wie die Abgeordneten ins Parlament gekommen sind sowie in der faktischen Unmöglichkeit sie von dort wieder rauszuwerfen.

Generell sehe ich drei große Hemmschuhe: Das Wahlrecht, die Parteien und das Abstimmverhalten der einzelnen Nationalratsabgeordneten.

Das Wahlrecht

In jüngster Zeit mehren sich die Forderungen, das österreichische Wahlrecht stärker in Richtung Personenwahlrecht zu reformieren. Ich unterstütze diese Forderung, denn gerade die österreichische Politik zeigt, dass einzelne Personen offenbar ungestört ihre destruktive Blokadeagenda durchziehen können, dass dies von der Öffentlichkeit auch durchaus erkannt und missbilligt wird, dass es aber durch das Wahlrecht, das bei den Nationalratswahlen die Stimmen bloß der bevorzugten (oder sagen wir, der gerade noch wählbaren) Partei zukommen lässt, unmöglich ist, einzelnen Kandidaten direkt mitzuteilen, dass sie nicht mehr gewollt sind.

Dass unabhängig vom Wahlrecht, diese Problematik auch von den einzelnen Parteien verursacht und aufrecht erhalten wird, bringt mich zum zweiten, viel dramatischeren Problemkreis.

Die Parteien als Demokratiekiller

Die österreichische Parteienlandschaft vermittelt aktuell ein Bild der Trostlosigkeit. Während die ÖVP in ihren Forderungen und Positionen noch im Feudalsystem hängen geblieben ist, ist die SPÖ durch eine an Feigheit grenzende Reformverweigerung in eine todesähnliche Starre verfallen, die rechtsrechte FPÖ sammelt munter die Stimmen des frustrierten „kleinen Mannes“ ein, die Grünen befinden sich in SPÖ-ähnlicher Katatonie, der Rest ist vernachlässigbar, oder nicht ernst zu nehmen.

Dieser Zustand bedingt zum Einen, dass kein vernünftiger Mensch sich noch in die Politik begeben will, die Grabenkämpfe, die dort stattfinden sind bestenfalls etwas für von Kindheit an in den diversen Akademien trainierte Parteisoldaten, andererseits verhindern die Listenerstellungen der einzelnen Parteien, das Vordringen ambitionierter Politikneulinge, die zumindest einen Versuch wagen würden.

Eine Liste, ist eine Liste, ist eine Liste…

Diese Listenerstellung, die im Geheimen ausgetüftelt wird (die Grünen sind diesbezüglich etwas flexibler, haben aber den ambitionierten Versuch so etwas wie Vorwahlen zuzulassen selbst abgeschossen und seither keinen ernstzunehmenden Neustart dieser notwendigen Reform anklingen lassen), ist in dieser Hinsicht auch die Ursache, dass man ständig mit den gleichen, uninspirierten Gesichtern konfrontiert ist und dass selbst jahrelange Politikversager wieder zu ihren Posten kommen, die sie sich ausschließlich durch bedingungslosen Gehorsam der Partei gegenüber verdient haben.

Wer jetzt einwendet, dass es auch noch Vorzugsstimmen gibt, mit denen der Wähler Einfluss ausüben kann, dem seien zwei Beispiele genannt, die diese Möglichkeit als pseudodemokratisches Mittel entlarven. Nummer eins: Othmar Karas. Der hochqualifizierte Politiker schlug den ihm vor die Nase gesetzten und auf der Postenwarteliste sitzenden Ernst Strasser bei den Wahlen zum Europaparlament (Juni 2009) um Längen. Fazit: Strasser blieb an erster Stelle, weil es die Partei so wollte.

Nummer zwei: Alexander Van der Bellen. Das grüne Ausshängeschild warf sich im vergangenen Herbst in den Wahlkampf um Wien, versprach bei Rot-Grüner-Koalition ins Rathaus zu ziehen und sammelte tausende Vorzugsstimmen. Fazit: er bleibt im Nationalrat, ausgestattet mit einem Fantasieamt, das ihn irgendwie doch in Verbindung mit dem Wiener Gemeinderat bringen soll.

Die Abgeordneten im Parlament

Der dritte große Problembereich in Sachen Demokratie ist das Verhalten der einzelnen Abgeordneten im Parlament. Beispiele, wie jene dazu beitragen, die Demokratie ad absurdum zu führen, gibt es genügend.

Ich bin dafür und dagegen!

Im Nationalrat gilt theoretisch das freie Mandat – das heißt jeder Abgeordnete kann und soll frei nach bestem Wissen und Gewissen abstimmen. In der Realität passiert genau das Gegenteil. Es herrscht nämlich Clubzwang und die Abgeordneten, die von Gnaden der Partei auf ihren Plätzen sitzen, stimmen immer so, wie es die Parteichefs wollen. Insbesondere gilt das für die Regierungsparteien. Im Notfall geht man aufs Klo.

Das führt dann zu solch skurrilen Ergebnissen wie jüngst, als Fritz Neugebauer im Nationalrat zwar für das Budget stimmte, hernach jedoch eine Verfassungsklage dagegen ankündigte.

Was kann man tun?

Meine Vorschläge sind rein theoretischer Natur, dass hierzulande nichts passieren wird, sollte jeder der sich mit den Themen Verwaltungsreform und Föderalismus ernsthaft auseinander gesetzt hat, bereits erkannt haben, trotz allem macht man sich natürlich Gedanken, und die Hoffnung stirbt bekanntlich auch zuletzt.

Hier also eine kleine Auswahl an Forderungen, um dem scheintoten Parlamentarismus in Österreich Leben einzuhauchen:

Wahlrechtsreform und Einführung von Vorwahlen

Eine Wahlrechtsreform, die sich auf ein stärkeres Personenwahlrecht konzentriert, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung einer Redemokratisierung Österreichs. Des Weiteren sollten alle Parteien, die ihren Wählerinnen ernsthaft verpflichtet sein wollen, transparente und demokratische Vorwahlen in Bezug auf ihre Listenerstellungen ermöglichen. Das würde es Quereinsteigern und mutigen Politikneulingen ermöglichen ihr Ticket für die Wahl aufgrund ihrer Überzeugungsfähigkeit zu erkämpfen, Sesselkleber müssten sich endlich an ihren Leistungen messen lassen.

Namentliche Abstimmungen im Nationalrat

Dass der Clubzwang nicht abgeschafft werden kann, liegt auf der Hand, schließlich funktioniert die Befehlsexekution in den Parteizentralen auch ohne offenes Bekenntnis dazu. Einen gewaltigen Impuls in Richtung Aushebelung des Clubzwangs würden jedoch verpflichtende namentliche Abstimmungen in den diversen Gremien bewirken.

Alle Abstimmungen in Sachfragen sollten im Nationalrat (und auch auf niedrigeren Ebenen) namentlich erfolgen. Jede Abgeordnete sollte sich an ihrem Wahlverhalten messen lassen müssen und sollte diesbezüglich auch für einzelne Abstimmungsergebnisse verantwortlich gemacht werden können.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Wahl des 3. Nationalratspräsidenten aus dem Jahr 2008. Martin Graf ist ein Politiker mit einer mehr als problematischen Biografie, aber im Parlament hat man dennoch herumlamentiert, es sei doch Tradition, dass die drittstärkste Partei den 3. NR-Präsidenten stellt. Martin Graf wurde also mit 109 von 183 Stimmen gewählt, im Endeffekt wollte es dann aber doch kaum jemand gewesen sein.

Die Namen dieser Leute möchte ich aber gerne kennen und auch in anderen Agenden möchte ich wissen wie dieser oder jener Abgeordnete abgestimmt hat, in Einzelfällen kann ich mir vorstellen, gewisse Leute persönlich nach dem „warum“ zu befragen.

Über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten ließe sich auch ein schöner „Track-Record“ anlegen, der die Arbeitsweise der einzelnen Politiker transparent macht, transparent in der Richtung, dass ich als Wählerin ein Bild davon bekomme, ob er oder sie auch tatsächlich das tut, was im Wahlkampf oder bei markigen Reden versprochen wurde.

Schließlich bekennen wirklich alle österreichischen Politiker immer wieder gerne, dass sie die Verantwortung übernehmen wollen, zeigen letztlich aber absolut keine Bereitschaft dazu, dies im Alltag dann auch wirklich zu tun. Die nicht vorhandene Rücktrittspraxis österreichischer Poltiker und Politikerinnen spricht diesbezüglich Bände.

Susanne, 12. Jänner 2011

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