Vielleicht habt ihr angenehm überrascht nach Tunesien geblickt, als sich dort die arabische Jugend spontan erhob, um den 23 Jahre herrschenden Präsidenten Ben Ali abzusetzen. Wenige von uns wissen viel über Tunesien. Doch nun haben die Flammen der demokratischen Revolution Ägypten erreicht – und da werden wir aufmerksam. Ägypten ist ein Land, in dem wir unseren Urlaub machen; wir lernen ägyptische Geschichte in der Schule. Und dieses Ägypten lodert nun.

Für mich geht es um mehr. Ich war fünf Jahre als politischer Häftling im Gefängnis in Ägypten und überlebte dort die berüchtigte Folter des ägyptischen Staats. Für mich ist die Sache etwas Persönliches.

In meiner Jugend gehörte ich zu Hizb ut-Tahrir, einer extremen aber zumindest nicht-gewalttätigen islamistischen Orgnaisation, die einen islamistischen Superstaat herbeiführen wollte. Vor 9/11 versuchte ich in meinem Eifer, diese Gruppe in Ägypten wiederzubeleben. Ich habe Hizb ut-Tahrir seither lange verlassen und arbeite jetzt für eine Erweckung der Demokratie in Ländern mit muslimischer Mehrheit. Trotzdem darf ich immer noch nicht nach Ägypten zurück. Wenn das Regime nicht wechselt, ist es unwahrscheinlich dass ich zurückkehren kann, um jene meiner Freunde zu treffen, die an der Spitze dieser jetzigen Revolution stehen.

Jede Revolte benötigt einen Funken, aber das Pulver in Ägyptens Flinte war etwas feucht. Es brauchte den Aufstand in Tunesien, um junge Ägypter davon zu überzeugen, dass sie am Thron ihres „gewählten“ Präsidenten rütteln könnten.

Eine symbolische Galionsfigur hatten sie bereits. Die bekannteste Facebook-Gruppe in welcher der Aufstand koordiniert wurde, wurde im Namen von Khalid Said gegründet. Das war einer der vielen jungen Leuten, die von Ägyptens brutaler Staatspolizei zu Tode gefoltert wurden.

Ich wurde selbst durch die Verliese der Hauptquartiere der geheimen Staatssicherheit geschleppt. Das berüchtigte al-Gihaz sitzt im Herzen von Kairo. Es weckt Angst in allen, die es passieren. Jedem, der nach al-Higaz kommt, werden sofort die Augen verbunden. Man wird numeriert und muss hören, wie Kollegen gefoltert werden. Einer nach dem anderen. In chronologischer Reihenfolge. Meine Nummer war 42. Der Häftling wird entkleidet, dann fließt Stromstöße durch Zähne, Genitalien und andere empfindliche Bereiche.

Als ich dort war, wurden Frauen gefoltert, um ihre Männer zum Geständnis zu zwingen – und 15-jährige Kinder um ihre Eltern dazu zu bringen.

Jede Revolte braucht Anstifter. Die Jugendbewegung „Sechster April“ hat in sozialen Netzwerken die Jungen wachgerüttelt. Diese Gruppe wird von meinem Freund Ahmed Salah geführt. Bis gestern war Ahmed in Haft, aber Freunde berichten, dass er freigelassen wurde – diesmal nur mit einer gebrochenen Nase. Während ich diese schreibe, ist er wahrscheinlich zurück auf der Straße um zu demonstrieren – auch wenn die Internetabschaltung dies schwieriger gemacht haben dürfte.

Jeder Aufstand braucht auch seine Anführer. Der populäre Linke Ahmed Saif, mein Anwalt während meines Prozesses, ist in der ersten Reihe der ägyptischen Kifaya, oder „Genug ist genug“-Bewegung. Der frühere Präsidentschaftskandidat Ayman Nour, von der „Morgen“-Partei, ist ebenfalls ein populäres Symbol für Hoffnung.

Jahrelang verängstigten westliche Außenpolitik-Nerds die Verfechter des Wandels in Ägypten. Sie sagten, Veränderung könne nur durch die Islamisten geschehen. Das unterstützte die Bewahrer des Status quo. Meine mutigen, demokratischen Freunde in Ägypten zeigen der Welt nun, dass es auch einen dritten Weg gibt, und auch Muslime für Demokratie kämpfen können. Mit oder ohne unsere Hilfe, früher oder später – der Wandel kommt.

Maajid Nawaz (31) ist ein Brite mit pakistanischen Wurzeln. Er war früher Mitglied einer außerhalb Großbritanniens oft verbotenen, islamistischen Bewegung und war dafür jahrelang in ägyptischer Folterhaft. Dass Amnesty International sich für ihn einsetzte, beschreibt er als wichtig für sein Umdenken. 2006 wurde er freigelassen, 2008 gründete er den Thinktank Quilliam, der sich gegen Extremismus und besonders Islamismus richtet.

Dieser Text erschien ursprünglich in Englisch in der „Times“ (und „Harry’s Place„). Übersetzung und Links stammen mit Maajid Nawaz‘ freundlicher Erlaubnis von zurPolitik.com

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