Jüngst in einem Forum (jap, sowas gibt es noch): In einer Diskussion zur Katastrophe in Japan verlinkte jemand (der seit Jahren bekennender Atomkraftbefürworter und Konservativer ist) diesen Text von Jan Fleischhauer (Autor von „Unter Linken – Von einem der versehentlich konservativ wurde„). Der Beisatz im Forum: „… und Recht hat der Mann“. Da – also in diesem und zahlreichen ähnlichen Statements der letzten Tage und im Fleischhauer-Artikel – ist eine Moralkeule in der Tradition der Neuen Politisch Korrekten in Aktion zu beobachten.

Die Atomkraftgegner werden moralisch geprügelt und als schlechte, berechnende Menschen dargestellt, weil sie die Atomkraft in Europa auch dann noch abschaffen wollen, während Leichen „vor der Küste von Sendai treiben“. Fleischhauer geht sogar so weit, den Atomkraftgegnern zu unterstellen, sie würden eine Katastrophe wie die aktuelle herbeisehenen, weil sie dann in ihren Warnungen bestätigt würden.

Nun konnte mir noch niemand erklären, was es einem Japaner, dessen Leiche vor Sendai treibt, denn helfen könnte, wenn wir hier nicht über Atomkraft reden. Ob diese Diskussion stattfindet oder unterdrückt wird, hat keinen Einfluss auf die tausenden Opfer und Hilfsbemühungen in Japan. Die Atomkraft vor unserer Haustür ist das naheliegendste Thema, während wir alle verstört abwarten, wie sich einer der größten AKW-Zwischenfälle aller Zeiten weiterentwickelt. Der Vorfall ist Realität und nicht die Schuld der Atomkraftgegner.

Ein paar Mechanismen in dieser Situation muss man anerkennen. Dass Atomkraftgegner sich bestätigt fühlen und ihr schon immer formuliertes Ziel weiter verfolgen, ist logisch. Sie wollen verhindern, dass derartiges (schon wieder) nocheinmal passieren kann.

Dass viele, langjährige Atomkraftbefürworter beschwichtigen wollen, ist auch logisch. Sonst stünden sie ganz schön blöd da für ihre vergangenen Aussagen, nach denen Atomkraft ja mittlerweile die sicherste, umweltfreundlichste und intelligenteste Energietechnologie überhaupt sein müsste. Da heißt es den Ball flach halten und Stellung zu halten, während gerade eine Kernschmelze nach der anderen stattfindet und die Live-Bilder von 80.000 Menschen die aus einem 20 Kilometer-Radius evakuiert werden es erschweren, ein großer Fan der Atomkraft zu sein. Dann in ein paar Monaten, dann kann man wieder laut über die Unverzichtbarkeit der Kernenergie schwadronieren, und wie sicher und sauber und billig sie doch sei. Lasst nur erstmal die Bilder von diesem brennenden Reaktor vergessen.

Basher, Basher, Phrasendrescher!

Das ist also verständlich. Aber diese politisch-korrekte Masche von Fleischhauer und einigen Atomkraftbefürwortern ist ein mieses, leicht durchschaubares Gebashe. Hier geht es nicht um Pietät, sondern da werden ungeschönt die Toten zur politischen Munition. „Wie könnt ihr angesichts der Toten über Politik reden?“, lautet die alles andere als unpolitische Frage. Man will man den Atomkraftgegnern (und im Subtext eh pauschal den Linken allgemein) damit eine Moralkeule drüberziehen, sie irgendeiner schlechten Tat schuldig machen, um sie in der Disussion über AKWs in die Defensive zu drängen. Solange man sich nämlich für eine Diskussion rechtfertigen muss, kommt man in ihr selbst nicht voran.

Die Vorgehensweise ist vor allem deshalb fast schon amüsant, weil diese nach links tendierenden Gruppen normalerweise von derselben Seite damit gedroschen werden, dass sie „naive Gutmenschen“ seien und sich in Betroffenheit suhlen ohne die Welt besser zu machen. Wenn diese Gruppen dann mal die naheliegendsten Probleme ansprechen, die hinter einem Ereignis stecken, dann gagserlt sich der geneigte Schlechtmensch auch wieder in die Hose. Weil geredet wird immer nur darüber, wo er sich im Vorteil sieht. Bei komplexen Zuwanderungsthemen zum Beispiel. Alles andere macht er zum Tabu, der Neue Politisch Korrekte Schlechtmensch

Fotocredit: Last Hero, CC2.0-BY-SA

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