Auch wenn „Die Presse“ seit 1848 frei ist, die Freude zur Innovation ist geblieben – vor allem, wenn es um die eigenen wirtschaftlichen Belange geht. Da wird schon mal eine Sonntagsausgabe gestartet, die von derselben Redaktion gestaltet wird, welche schon die Montags- bis Samstagsausgaben verantwortet – gratis.

Nun ist es nicht neu, dass PraktikantInnen von Medienhäusern in Dienstverhältnisse gezwängt werden, die knapp an der Rechtswidrigkeit vorbeischrammen. Dieser Grundkonsens zieht sich quer durch die Medienlandschaft (wenn auch Ausnahmen die Regel bestätigen).

Zwölf Wochen, 1500 Euro

Die Presse ist auch hier besonders innovativ: Die PraktikantInnen bekommen nicht nur nichts bezahlt (was schon frech genug wäre), sie dürfen auch noch für die Lehrredaktion bezahlen. 1500 Euro kostet der Spaß, der insgesamt zwölf Wochen dauert. Dafür erhält man eine „profunde journalistische Grundausbildung, die noch in der Lernphase praxisbezogen vertieft wird“.

Diese journalistische Grundausbildung besteht aus einem „Intensivtraining“, welches drei Wochen dauert. Hier kann es vorkommen, dass man auch mal 60 Stunden in der Woche in der Redaktion sitzt – auch Arbeit an den Wochenenden ist möglich (aber das sollte selbstverständlich sein, wenn man schon 1500 Euro in eine „profunde journalistische Grundausbildung“ investiert). Pressekonferenzen werden simuliert, man darf auch zu Reportagen „ausrücken“, wie es heißt.

Nach diesen drei Wochen startet Phase zwei: der Einsatz im Ressort. Die LehrredakteurInnen verbringen unter „Echtbedingungen“ je drei Wochen in drei unterschiedlichen Ressorts, bekommen „laufend Feedback“ durch den Ressortchef. Hier ist auch die „Veröffentlichung von Artikeln“ möglich – es wird also nicht nur für den Papierkorb geschrieben.

Das ist also die zwölfwöchige „profunde journalistische Grundausbildung“, die 1500 Euro kostet.

Was haben die Lehrredakteurinnen davon?

Cui bono, wer hat etwas davon? Die LehrredakteurInnen bekommen in diesen zwölf Wochen einen Einblick in den Alltag einer Tageszeitungsredaktion. Man darf eine Reportage schreiben, einen Kommentar verfassen, vielleicht sogar ein Interview führen. Diese Texte werden dann von erfahrenen RedakteurInnen kritisiert.

Das ist nichts anderes als ein erstes Erfahrung sammeln im Journalismus. Eine „profunde journalistische Grundausbildung“? Naja – zumal sich die Lehrredaktion explizit an „branchenfremde“ Absolventen richtet, die bis jetzt noch nie etwas mit dem Journalismus zu tun gehabt haben (Vorerfahrung ist nicht notwendig, aber „eventuell hilfreich“). Ein fertiger Journalist kommt aus diesen paar Wochen Lehrredaktion nicht heraus.

Was hat die Presse davon?

Bei Lehrredaktionen geht es darum, journalistischen Nachwuchs zu bekommen und Talente zu scouten. Im Idealfall ist also wirklich eine oder einer dabei, der in Zukunft für die Presse schreiben wird. Die Chancen sind freilich gering – nach zwölf Wochen im Journalismus ist man kaum weit genug, Redakteur bei einer Qualitätstageszeitung zu sein. Was die Presse aber auf jeden Fall hat: 12.000 Euro cash. Denn „ca. 8 Personen“ machen bei der Lehrredaktion mit, 1500 Euro pro Nase.

Was übrig bleibt

Es ist das gute Recht der Presse, für ihre Leistung – die Lehrredaktion – Geld zu verlangen. Deswegen ist es aber weder gut noch richtig. Für junge, talentierte Menschen, die in den Journalismus streben (oder einfach nur schnuppern wollen), wird die Einstiegshürde immer höher. Denn zu den Kosten von 1500 Euro kommt noch hinzu, dass (wir erinnern uns an die 40 bis 60 Wochenstunden, die anfallen) man in diesen drei Monaten ohne Einkommen leben muss – die „Lehrredaktion kann nicht ’nebenbei‘ gemacht werden“, wie es heißt. Man muss es sich also leisten können, Journalist zu werden. Ob das der richtige Weg ist?

PS: Falls trotzdem jemand Lust bekommen hat: Bewerbungen sind noch bis 2. Juli möglich. Aber Achtung: Es werden nur Bewerbungen akzeptiert, „die per Post erfolgen. Bewerben Sie sich also bitte nicht per E-Mail“.

PPS: Gibt es noch weitere Beispiele für Medienhäuser, die sich für Praktika bezahlen lassen? Bitte um sachdienliche Hinweise per Kommentar unterhalb.

Florian Gossy (Jahrgang 1988) ist Journalist und studiert selbiges. Er interessiert sich für das, was er für das Übliche hält: Politik, Medien und Fußball. Hier vertritt er einzig und allein seine Privatmeinung.

Fotocredits: Tim Ellis, CC2.0 BY-NC

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