„Kriegerin“ ist ein Film, der scheinbar zufällig zur richtigen Zeit in Deutschland erscheint. Die neuentflammte Diskussion um Rechtsextremismus, Neonazis und die NPD bereiten den diskursiven Boden für das Werk von David Wnendt, das sich unter anderem mit der Rolle der Frau in diesem Umfeld auseinandersetzen soll. Recherchen in der rechten Szene sollen die Grundlage für einen authentischen, wenn auch erzählten Einblick in die „Szene“ geben. Ein Anspruch, dem es leider so gut wie nie gerecht werden kann. Eine Filmkritik. (Achtung, Spoiler!)

Von der „Szene“

Das extreme rechte Milieu übt auch auf mich eine gewisse Faszination aus. Das Leben einer Paralellwelt, die sich verzweifelt an der Vergangenheit und einer Ideologie festklammert, die an der Geschichte unter Einsatz hohen Lehrgelds schlichtweg gescheitert ist, ist in vielerlei Hinsicht ein beobachtungswürdiges Phänomen. Das, so erfuhr man auch vor dem Start von Kriegerin, sieht auch Regisseur David Wnendt so, der sich zum Erkenntnisgewinn auf Demos und in einschlägige Lokalitäten vorgewagt und zahlreiche Interviews geführt hat.

Davon zu merken ist in dem Streifen nur sehr wenig. Marisa, verkörpert von der Jungschauspielerin Alina Levshin, ist tief in der Neonazi-Szene verankert und langt schon auch mal selber zu, wenn es darum geht unerwünschten „Gästen“ ein Stelldichein zu geben. Der Film eröffnet mit brutalen Attacken ihrer Clique gegen Ausländer und vermutete Gesinnungsfeinde. In den ersten Minuten lässt er starke Bilder sprechen, die noch Gutes hoffen lassen. Die deutliche Bildsprache bleibt eines der wichtigsten Stilmittel, sie verliert jedoch mit Fortschreiten der Handlung rasant an Bedeutung und Effekt.

Unweigerlich trifft der Hass auch den jungen Asylwerber Rasul und seinen Bruder Jamil. Diese werden zuerst an der Kasse des Supermarktes, in dem Marisa und ihre Mutter arbeiten, von ihr nicht bedient. Dann trifft sie an einem Badesee der unbändige Zorn der Rechtsradikalen. Aus Wut tritt Rasul den Rückspiegel von Marisas Auto ab. Diese nimmt kurz darauf die Verfolgung auf und rammt die beiden Flüchtlinge, die auf einem Moped unterwegs sind, in den Strassengraben. Während Rasul bald wiederauftaucht, wird die Ungewissheit um den Verbleib seines Bruders und seines möglichen Todes in Form von Schuldgefühlen zum bedeutenden Handlungsmotiv von Marisa.

Vorbelastet

Bis zu diesem Punkt wandelt der Film an einer akzeptablen Grenze. Die Trennung zwischen Gut und Böse verläuft selten klarer als hier, die Oberflächlichkeit der angeblichen Recherche rückt noch nicht in den Blickpunkt. Dafür bricht „Kriegerin“ früh mit jedweder Glaubwürdigkeit. Rasul, dessen Ziel es ist, seinen Onkel in Schweden zu erreichen, türmt vor der staatlichen Asylbetreuung, die ihn in ein Jugendheim stecken will. Hilfe sucht er ausgerechnet bei Marisa, ohne auch nur die Spur von Angst zu zeigen.

Im zweiten Strang der immer weiter zusammenlaufenden Handlung, will Kriegerin den Abstieg der fünfzehnjährigen Svenja in den Rechtsextremismus skizzieren.Und lässt dabei kein Merkmal aus, das als Katalystator für eine solche Entwicklung in Frage kommen könnte. Ein kontrollsüchtiger, jähzorniger Stiefvater, eine kaum gebildete, wenig durchsetzungsfähige Mutter mit Kontaktproblemen zu ihrem Kind und der mit zwanzig Lenzen eigentlich zu alte „Verführer“ aus der Nachbarschaft, der für sie zum Einlass in die Szene wird. Sie ist zudem mit einem ideologisierten Opa vorbelastet. Auch Marisa hängt an ihrem Großvater, der im Krankenhaus liegt und im Verlaufe des Films stirbt. Seine zu vermutende Gesinnung wird jedoch nur angedeutet.

Propaganda

Dass der Film nicht erklärt, warum Marisa von Anfang an Groll gegen die „Neue“ hegt und zur unzureichend darlegt, wieso sich dies gegen Schluss plötzlich schlagartig ändert, gehört leider noch zu den kleinen Kritikpunkten. Schon nach einer Stunde hat der Film den Seher schon mit einer solchen Vielzahl an Überzeichnungen und Oberflächlichkeiten bombardiert, dass es darauf kaum noch ankommt. Ein Neonazi ist in „Kriegerin“ sofort erkennbar. Sei es an der Glatze, unzähligen Tattoos, T-Shirts mit Sprüchen wie „Trinken macht frei“ oder einem mit einschlägigen Symbolen zugepflasterten Auto mit dem Kennzeichen „AH 88“. In der erschlagenden Symbolik verweigert der Streifen auch jegliche, mitunter wichtige, Differenzierung. Allein auf Marisas Körper finden sich einerseits klassische Zeichen der deutsch-germanischen Schiene des Neonazismus wie auch Tätowierungen à la „White Aryan Skin Girl“, deren Ursprung in der rechten Skinhead-Szene und angloamerikanischen Phänomenen wie der Blood & Honor-Bewegung zu suchen sind.

Diese Plattheit ist der Grund dafür, warum Kriegerin die Wandlung der Hauptdarstellerin von der glühenden Rechtsextremistin zur Zweiflerin in keiner Sekunde glaubwürdig skizzieren kann. Dies geschieht noch dazu in einer Schnelligkeit, die es dem Drehbuch auch noch erlaubt, sie nebenbei zur Helferin von Rasul zu machen, die ihm letztlich ermöglicht auf einem Motor-Schlauchboot Kurs auf einen Fischkutter zu nehmen, der ihn nach Schweden bringen soll. Gleiches gilt auch für das Abdriften von Svenja, die zudem als extrem passiver Charakter auf Szene-Parties aus dem Klischeebuch (inklusive Randale, Nazi-Liedern und Hitler-Reden) kaum Tiefe zu entwickeln vermag. Man merkt spätestes zur Halbzeit: „Kriegerin“ soll eine Botschaft transportieren, tut dies aber in einer Art, die gut und gerne das Prädikat „Propaganda“ verdient hat.

Verpatztes Debüt

Seine wenigen starken Momente hat der Film dann, wenn konkret es um die Rolle von Marisa als Frau unter Nazis geht. Dieses Spannungsfeld wird jedoch nur in wenigen Momenten beackert und verliert sich schließlich in einem zur Handlungslogik widersprüchlichen Gewaltexzess, dessen unmittelbarer Auslöser wiederum nichts mit der Rollenbildthematik am Hut hat. Den Tribut dafür zahlt die Inszenierung, die besonders mit gelungener Kameraführung glänzt, das Drehbuch aber nicht retten kann. Dem schreiberischen Desaster entziehen sich immerhin die Schauspieler, deren Talent (hervorzuheben sind hier Marisa/Alina Levshin sowie ihr Freund Sandro/Gerdy Zint) zeitweise durchblitzt.

Mein Urteil: „Kriegerin“ ist ein Film, dessen Idee, Besetzung und Technik durchaus Potential mitgebracht hätten. Schlampige Recherche, Oberflächlichkeit und ein unglaubwürdiges bis absurdes Skript lassen davon jedoch nichts übrig. Dafür können auch vereinzelte, sehenswerte Szenen und der gelungene Einstieg nicht entschädigen. Ergo: Wnendts Leinwanddebüt ist schwer missglückt.

Foto: „Kriegerin“ (Trailer)

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