Am Abend vor den Protesten gegen den Akademikerball der FPÖ komme ich mit einer kleinen Gruppe Studierender ins Gespräch. Schnell wird klar, dass sie morgen mit dem „Schwarzen Block“ mitmachen wollen, der bekannt ist für seine Gewaltbereitschaft. „Warum wollt ihr mit dem „Schwarzen Block“ mitmachen?“, frage ich. „Es gibt ja auch die zivilgesellschaftliche Demo der Offensive gegen Rechts.“

Nur sehr schleppend kommen die Antworten: „Ich finde einfach, dass Aktionismus wichtig ist.“ – „Es macht einfach mehr Spaß.“ – „Die Burschis haben nichts anderes verdient.“ Ihnen ist nicht klar, dass sie den Sinn der Proteste mit ihren Eskalationen beschädigen. Sie begreifen nicht, dass sie mit ihren Aktionen viele Menschen von den Protesten abhalten und damit in der Öffentlichkeit folgendes Bild weiter festigen: Linksextreme Randalierer drangsalieren unschuldige Ballgäste. Doch eigentlich sollte der Protest die Aufmerksamkeit auf die rechtsradikalen Umtriebe lenken und nicht auf die Proteste selbst.

Der „Schwarze Block“ und die Antifa sind der Grund, warum viele meiner „progressiven“ Freundinnen und Freunde nicht protestieren. Sie wollen nicht mit gewaltbereiten Gestalten gemeinsam auftreten, obwohl sie den Ball der rechtsextremen Szene ebenfalls ablehnen.

Die selbstverliebte Konzentrationsschwäche der Linken

Der „Schwarze Block“ und die Antifa sind nur die Spitze des Eisberges. Wo auch immer eine Demonstration in Österreich stattfindet – die Proteste für Gehaltserhöhungen für Kindergärtnerinnen und Kindergärtner oder die Proteste gegen frotzelnde Zugangsbeschränkungen an den Unis – es sind immer die gleichen linken Gruppierungen anzutreffen, die in Wirklichkeit gegen den Kapitalismus zu Felde ziehen. Der eigentliche Grund für die Proteste ist für sie ein willkommener Anlass, wieder auf die Straße zu gehen.

Dadurch werden alle möglichen Anliegen in den Topf geworfen: Zugang der Asylwerber zum Arbeitsmarkt, Studiengebühren, Finanztransaktionssteuer, Sexismus, Rechtsextremismus, mehr Demokratie in der EU, usw., usw. Die Liste könnte beinahe ewig fortgesetzt werden. Man kann es die „Selbstverliebte Konzentrationsschwäche der Linken“ nennen. Die meisten linken Gruppierungen kommen nicht ansatzweise auf die Idee anzunehmen „konservative“ Menschen könnten vielleicht in manchen Punkten eine ähnliche Meinung vertreten. Sie beziehen sich nur auf ihren eigenen Diskurs und lassen andere Sichtweisen nicht gelten. Das schadet aber letztlich dem eigentlichen Anliegen.

Nicht nur Linke haben etwas gegen den rechtsradikalen Ball

Die meisten meiner „progressiven“ Freundinnen und Freunde hätten wahrscheinlich nichts gegen die Ansichten der linken Gruppierungen. Meine „konservativen“ Freunde und Freundinnen aber schreckt es ab. Sie haben nichts gegen eine soziale Marktwirtschaft und bei „no border, no nation“ oder „Wir lieben dieses Land und seine Leute nicht“ kommt ihnen die Galle hoch. Dennoch sind auch sie gegen den rechtsextremen Ball in der Hofburg. Sie empfinden dieses Treffen der Rechtsextremen als Schande für das internationale Renommee der Republik Österreich. Sie haben prinzipiell nichts gegen Burschenschaften. Wenn aber sogar „liberale“ Burschenschaften in Deutschland wegen „fremdem Blut“ ihrer Mitglieder ausgeschossen werden und vor dem horrenden Antisemitismus und von „Arierparagraphen“ in den österreichischen Burschenschaften warnen, werden auch „Konservative“ hellhörig.

Jedoch mit linken Positionen zu Flüchtlingen, Nation und Kapitalismus haben „Konservative“ gar nichts nichts am Hut haben. Es bleibt ihnen daher nichts anderes übrig als verzweifelte Protestbriefe an die Hofburg GmbH zu schreiben oder ihren Unmut hinunter zu schlucken. Dabei wäre ein breiter Protest möglich und so wichtig, denn er würde schnell zu einem Rauswurf dieses unrühmlichen Balles aus der Hofburg, dem Sitz des Bundespräsidenten, führen.

Der einsame Diskurs der linken Gruppen

Während ich und meine Gruppe bei den Protesten eine Eskalation verhindern konnten, indem wir einen offensichtlich alkoholisierten Antifa-Protestierenden davon abhielten die Polizei und Burschenschafter tätlich anzugreifen und ihm seine Flagge, die er offenbar als Waffe verwenden wollte, abnahmen, hatten andere Gruppen leider weniger Glück. Die FPÖ konnte bei der Albertina mit der Kamera festhalten, wie einer Frau von einem Vermummten direkt ins Gesicht gespuckt wurde und mit Flaschen und Dosen nach ihr und ihrem Begleiter geworfen wurden. Das Traurige sind aber nicht diese Hooligans, sondern die Untätigkeit der umstehenden Protestierenden. Geradezu höhnisch wirkt es dann zu brüllen „Wir sind friedlich, was seid ihr.“ Vor allem, wenn man bedenkt, dass vor in Informationstreffen der „Offensive gegen Rechts“ der Aktionskonsens ausgegeben wurde, dass keine Gewalt angewendet und andere davon abgehalten werden sollen.

Das Ergebnis dieser Entwicklung kann man in den Medien am Tag nach den Protesten sehen. Hier wird von der „Krawallnacht hinter der Hofburg“ berichtet. Als bleibender Eindruck bleibt in der Öffentlichkeit also das Bespucken, das Anpöbeln, das Bewerfen von Bierdosen, Flaschen und Farbbeuteln, oder besonders drastische Parolen wie „Du stinkst bis hierher, du Sau!“. Diese Aktionen beschreiben eine gefährliche Entwicklung: Der Protest radikalisiert sich und ähnelt immer mehr dem Muster von rechtsradikalen Protesten, nur mit verkehrten Vorzeichen. Das eigentliche Problem ist der sich ergebende Teufelskreislauf: Der Protest wird radikaler, weil vernünftige Leute nicht mehr hingehen, dadurch wird der Protest radikaler und vernünftige Leute gehen nicht mehr hin, usw..

Für die Öffentlichkeit und die Medien ist es egal wie friedlich „wir“ waren. Es wird nicht darauf eingegangen wie die Polizei auf uns eingeschlagen und eingetreten hat, obwohl wir nur passiven Widerstand geleistet haben. Das alles wird vergessen, sobald der „Schwarze Block“ und die Antifa in Aktion tritt. Ich kann verstehen, dass es schwierig ist sich von der Polizei, den Burschenschaften oder herumlaufenden Neonazis nicht provozieren zu lassen und, dass es verlockend ist seinen Gefühlen nachzugeben. Aber es hat keinen Sinn, denn es schadet nur der Sache.

Ein paar Punkte, die wir aus den Protesten gegen den Akademikerball 2013 lernen sollten

  1. Wir müssen in Zukunft den Protest von gewalttätigen Gruppen, wie dem „Schwarzen Block“ und manchen Antifa-Gruppen, ablehnen! Wir können auf ihre gewalttätige Unterstützung verzichten. Es reicht einfach nicht, sich nur oberflächlich von Gewalt zu distanzieren und dennoch im nächsten Punkt festzuhalten: Man solidarisiert sich mit ALLEN Gruppierungen, die gegen den Ball protestieren. Man kann nicht Wasser predigen und Wein trinken. Wir gewinnen mehr Leute, wenn wir diese Gruppen verlieren.
  2. Wir müssen die Losung „Stark in der Sache, milde in der Art“ ausgeben! Wir dürfen uns nicht auf das gleiche Niveau der Rechtsextremen hinunterziehen lassen. Das macht sie nur noch stärker.
  3. Wir müssen aufhören mit der selbstverliebten Konzentrationsschwäche! Wir müssen konzentrieren uns auf das Wesentliche, nämlich die Ablehnung des rechtsextremen Treffens. Alle anderen Anliegen haben hinten anzustehen. Es gibt so viele Menschen, die in diesem Punkt unserer Meinung sind, aber aus purem Narzissmus wollen viele linke Gruppierungen gar kein breites Bündnis gegen Rechtsextreme eingehen. Das muss aufhören! Es bringt nichts als einsamer Rufer in der Wüste zu enden und dabei zusehen, wie rechtsextreme Ansichten in die Mitte der Gesellschaft wandern, nur weil man zu fein war Dissonanzen in anderen gesellschaftlichen Bereichen mal kurz beiseite zu lassen.
  4. Wir müssen uns um ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Rechtsextremismus bemühen! Es gibt viele Fälle, wo es gelungen ist trotz unterschiedlicher politischer Ansichten die Kräfte zu bündeln und gemeinsam Proteste durchzuführen, bspw. bei den Protesten gegen Stuttgart 21, oder um in Österreich zu bleiben in Hainburg. Es ist also nicht unmöglich ideologische Gräben zu überwinden. Wo ein Wille, da ist auch ein Weg.

Gastautor Dominik Hultsch ist Mitglied der steirischen KP. Er verfasste diesen Artikel als „Konkretisierung“ auf diesen Kommentar von zurPolitik-Autor Jakob Arnim-Ellissen in der über.morgen.

Interessant oder? Teile das doch mit deinen Freunden!