Man hat sich von der rot-schwarzen Steuerreform 2015 ja vielleicht manches erhofft, aber doch eher wenig erwartet. Heraus kam eben Letzteres. Sicher: Die Parteisoldaten der Koalition werden darauf hinweisen, was für eine politische Leistung auch die beschlossenen Umschichtungen seien. Und es stimmt: Es ist nicht Nichts und dieses Nichtnichts hat beide Gruppen wahrscheinlich sogar viel Kraft gekostet. Man kann sich eben auch bis zur Erschöpfung fetzen und dabei wenig erreichen.

Okay. Bleiben wir gerecht: Vor allem die gesenkten Eingangssteuersätze werden vielen Menschen etwas mehr Spielraum geben, zumindest bis die Kalte Progression den Status Quo dann bald wieder herstellt. Man muss die Kalte Progression vielleicht auch einfach einmal dafür bewundern, wie gut sie sich im entscheidenden Moment immer wieder vor den tatbereiten Reformern dieses Landes versteckt!

Potzblitz!

Die Analyse des Problems an der Koalition aus SPÖ und ÖVP bleibt banal: Eine gemeinsame Stoßrichtung fehlt. Das sieht man sogar da, wo sie scheinbar einig ist. Slogans wie „Arbeit muss entlastet werden“ oder „Leistung muss sich lohnen“ können beide Parteien unterschreiben. Bei der Gestaltung der Gegenfinanzierung ist die Regierung aber paralysiert. Sie wendet sich in der Not detailarm kommunizierten Wundermitteln wie den Verwaltungseinsparungen oder dem Chuck Norris unter den Staatseinkünften zu: Der Steuerbetrugsbekämpfung. Niemand mag immerhin verdammte Betrüger! „Potzblitz“, hat sich der Finanzminister da wohl gedacht, „dieser Steuerbetrug ist mir bisher gar nicht aufgefallen!“ Zwei Milliarden soll der Staat in diesem Bereich plötzlich einnehmen, die die Regierung aus unerfindlichen Gründen bisher entweder einfach nicht einheben wollte, oder die sie sich jetzt eher einbildet. Welches Szenario schlimmer wäre, ist schwer zu sagen.

Aus einer ideologisch inkompatiblen Koalition ergeben sich logischerweise Minimalkompromisse. Eine echte Reform – also eine größere, planvolle Umgestaltung bestehender Verhältnisse und Systeme – kann so nicht entstehen. Wenn man ein Boot in unterschiedliche Richtungen rudern will, dreht man sich eben im Kreis. Und bei SPÖ und ÖVP betrifft das aus machtpolitischen und ideologischen Gründen eben verdammt viele Themen. Mit ein paar Grad Abweichung in die ein oder andere Richtung – je nachdem, wie geschickt die ein oder andere Partei agiert, oder mit wie viel Rückenwind aus dem Wähler-Zeitgeist sie gerade Druck machen kann – werden solche Koalitionen also bewahrerisch wirken.

Im aktuellen Fall blies der SPÖ offenbar weder der Zeitgeist in die Segel noch hatte sie das politische Geschick auf ihrer Seite. Die ÖVP brauchte beides gar nicht erst. Zentrale linke Forderungen nach Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer oder Stiftungsbelastungen stießen bei den Schwarzen auf die bequemste aller Verhandlungspositionen: Mangelnden Bewegungszwang gepaart mit unbeirrbarem Desinteresse. Die tatsächlichen Rahmenbedingungen entsprechen ihren Positionen und die Besitzstandsbegünstigten als eine der verbliebenen Kernwählergruppen belohnen Veränderung in diesen Fragen nicht. Da die ÖVP seit bald 30 Jahren in der Regierung ihre Positionen verwirklichen kann, muss sie gegen den Not-Partner in den meisten ihm wichtigen Fragen vor allem möglichst gut Bockschauen können. Blöd wär die Django-Party, würde sie da zwinkern.

„Einen Kleckser Rot auf die schwarz Leinwand, bitte“

Weil man mit den oberen fünf bis zehn Prozent des Landes – vor allem als SPÖ aber auch schon rein arithmetisch – echt kaum Wahlen gewinnt, musste die Regierung aber doch irgendeinen Fake-progressiven Strich über den Reform-Flyer pinseln. Der Schein will gewahrt werden, als ob man auch den Reichen ihren Beitrag abverlangt. Und so zahlt man nun auf Einkommensteile von über einer Million jährlich fünf Prozent mehr Steuern. Damit haben auf dem Papier nur noch drei Länder einen höheren Höchststeuersatz als Österreich. Ganz schön mutig dieses kleine Alpenland, oder? Dass das ziemlich egal ist, schafft es in anfänglichen Berichten noch zur Erwähnung, aber sicher schon nicht mehr in die Titelzeilen.

Am meisten haben sich wahrscheinlich noch ordinär-wirtschaftsliberale Kräfte darüber gefreut: Ob diese Steuersätze nun wirklich irgendjemanden betreffen oder nicht, sie sind jedenfalls ein polterbarer Pseudo-Beleg für Neidgesellschaft und Leistungsfeindlichkeit im angeblichen sozialistischen Weltgeschehen.

Die „Millionärssteuer“ erfasst dem Vernehmen nach nur etwa 400 Personen im Land. Sie soll laut offiziellen Angaben aber 50 Millionen Euro bringen (also haben 400 Personen in diesem Land ein jährliches Einkommen von über 3,5 Millionen Euro und stehen nun knapp vor der Armut). Das Ganze ist auf fünf Jahre begrenzt, also muss die ÖVP einfach nur nichts tun, falls sie den Steuersatz wieder abschaffen will. Will man ausrechnen, welchen Anteil der Staatsausgaben (2013: 162,2 Mrd. Euro) man damit decken kann, macht der Rechner zwischendurch so ein seltsames hochgestelltes „e“ ans Ende der Zahl (fertiggerechnet sind es dann verständlichere 0,03%). Die wieder gestorbenen Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern hätten laut SPÖ-Berechnungen aus der Verhandlungsphase mit zwei Milliarden Euro 40 mal soviel einbringen sollen – das wäre vor allem in Badewannen und Fußballfeldern ausgedrückt ein verdammt großer Unterschied. Weiterhin gilt in diesem Land: Du wirst dich nie zum Millionär arbeiten, aber erben eben schon.

Es sei denn natürlich, deine Familie ist nicht reich.

Oje!

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