Es ist also schon wieder passiert: Nahezu alle Prognosen lagen falsch. Donald Trump ist Präsident der USA. Ein autoritärer Demagoge ist Staatsoberhaupt des mächtigsten Landes der Welt und oberster Befehlshaber über das stärkste Militär der Weltgeschichte.

Das ist nicht ganz leicht zu schlucken und die Reaktionen auf das Wahlergebnis wirken hilflos. Während Rechte sich irgendwo zwischen sich bestätigt fühlender Zufriedenheit und beunruhigter Ratlosigkeit einnisten, kommt es gerade von linker Seite zu einer bekannten Selbstgeißelung. Man müsse endlich raus aus den vielgescholtenen Bubbles, um wieder die „Menschen zu erreichen“.

Da mag schon was dran sein, aber es ist auch manches falsch daran. Man wird die Trumps dieses Planeten nicht damit aufhalten, dass man zum Brettspielabend immer auch Leute einlädt, die bei der politischen Diskussion nebenher den eigenen Puls in die Höhe treiben. Das würde es nämlich bedeuten, „aus der Bubble rauszugehen“: Integration unterschiedlicher Ansichten in die eigene Lebenswelt. Dass das oft nicht mehr passiert, beruht jedoch auf Gegenseitigkeit und lässt sich nicht einseitig schuldbewusst wegbringen. Ich denke, wir werden Modi finden müssen, eine gemeinsame politische Basis zu bewahren, ohne uns dauernd mit Leuten umgeben zu müssen, die wir schlicht persönlich nicht mögen.

Aber die Lösung dafür habe ich nicht und darum soll es hier auch nicht gehen. Es wäre aber in meinen Augen vor allem fatal, das als zentrale Lehre aus Brexit, Trump und anderen gleichgelagerten Wahlerfolgen zu ziehen. Denn der wichtigste Punkt ist ein anderer.

Trumps Erfolg kommt nicht von dem, was große Teile seiner Gegner am meisten beunruhigt: seine Gehässigkeit, Unberechenbarkeit, autoritäres Gehabe oder seinem schockierenden Verhältnis zu Fakten. All das zieht bei manchen (und gar nicht so wenigen), aber – und davon bleibe ich überzeugt – es würde nicht bei einer Mehrheit von Leuten ziehen. Dass ein zur Mehrheit gereichender Teil über diese Dinge hinwegsieht, das sind die bedauerlichen Blüten eines viel tiefer wurzelnden Problems.

Warum Trump gewinnt, das hat sein allerletzter Werbespot vor der Wahl verdeutlicht:

Als ich den Spot gesehen habe, war ich beeindruckt. Es ist ein ziemlich fantastisches Stück politischer Werbung, ein punktgenauer strategischer Treffer. Wäre Trumps Kampagne immer auf dieser Ebene geblieben, hätte er eine Chance gehabt, dachte ich. Ich war froh, dass er nicht das halbe Hirn hatte, das nötig gewesen wäre, um die Welt damit zu täuschen. Aber dabei habe ich unterschätzt, wie mächtig dieser Strang seiner Kampagne ist. So mächtig, dass er selbst im Dauerrauschen dummstmöglicher Äußerungen und Skandale bei vielen Leuten als entscheidend hängenbleibt. Bei Leuten, die die Schnauze voll von ihrer Ohnmacht haben. Und damit meine ich absolut nicht „alle“ Trump-Wähler, nicht die Rassisten und Sexisten, die sich bei ihm wohl fühlen, sondern die paar Prozent, die den Unterschied gemacht haben. Leute, die über alles andere hinweggesehen haben, weil genau diese Anti-Ohnmachts-Versprechen bei ihnen klickten.

Das muss man sehen: Es ging in diesem Spot und an anderen Punkten seiner Kampagne nicht um Mauern, Migranten, Deportationen, Inhaftierungen politischer Gegner, Pussygrabbing, Behindertenverarsche, dass Trump so reich sei und so clever Steuern zu „optimieren“. Es ging auch nicht um das Leugnen des Klimawandels, um Obamas Geburtsurkunde oder eine der vielen anderen Idiotien und Verschwörungstheorien, mit der Trump jetzt über Monate und Jahre einen Medienzyklus nach dem anderen dominiert hat. Trump hat trotz dieser Dinge gewonnen. Aber aus gutem Grund kam nichts davon in dieser letzten großen Kommunikationsoffensive vor.

Dieser Spot hätte in Wahrheit mit minimalen Veränderungen von allen möglichen Seiten kommen können. Er thematisierte einzig und allein das Versprechen, weite Teile der Bevölkerung von ihrer politischen Ohnmacht gegenüber einer korrumpierten Elite zu befreien. Das ist ziemlich genau das, worum sich die Kampagne von Bernie Sanders drehte; worüber Jill Stein und Garry Johnson sprachen; wogegen Demokratie-Aktivisten wie Larry Lessig kämpfen; was linke Youtuber wie die Young Turks und libertäre Podcaster wie Dan Carlin seit Jahren anprangern: Das System reagiert nicht mehr auf die öffentliche Meinung. Das ist nicht wirklich die Message der Tea Party, deren Leute Trump mit allem anderen abholte. Es ist jene von linken Bewegungen wie Occupy.

Ausgerechnet der alles polarisierende Trump hat mit dieser Message einen lagerübergreifenden Sweet Spot getroffen. Der wurde übrigens durchaus schon vor längerer Zeit erkannt, aber eben von fast allen schlicht unterschätzt.

Dass es eine politische Ohnmacht gibt, die die Schwächeren überrollt, ist darüber hinaus schlicht keine neue Analyse. Es ist etwa ein zentraler Punkt progressiver Globalisierungskritik und ein Streitpunkt bei der zunehmend ungehaltenen Wahlkampffinanzierung in den USA. Es ist eine bittere Ironie, dass mit Trump und den Republikanern ausgerechnet jene profitieren, die dafür Verantwortung tragen. Politische Handlungsmöglichkeiten werden eingeengt von immer unkontrollierbareren Rahmenbedingungen einer neoliberal-globalisierten Wirtschaft, der Investoren-schützende Schiedsgerichte, aber keine demokratischen Instrumente zur Seite gestellt werden. Was viele von uns von Politik erwarten – nämlich zu steuern – wird dadurch oft unmöglich, schon bevor es zusätzlich noch von einer zunehmenden Polarisierung der Bevölkerung gelähmt wird, die sich zu gerne auch vom Wesentlichen ablenken lässt.

Nicht zu vergessen: Präsident Trump ist auch Realität geworden, weil zu viele Linke (und moderate Rechte) in kindischem Trotz kein „geringeres Übel“ wählen wollten und daheim blieben oder sich an aussichtslosen Kandidaten festklammerten. Und so wird es jetzt halt eine Mauer zu Mexiko, Steuersenkungen für Reiche, die Abschaffung der Krankenversicherung für Millionen Arme, Massendeportationen von Migranten und homophobe Verfassungs-Höchstrichter auf Lebenszeit geben, weil wahrscheinlich nicht-perfekte Investitionen in saubere Energie, eine wohl nicht weit genug gehende Justizreform und eine wahrscheinlich kompromittierte Immigrationsreform nicht gut genug waren. Eine herzliche Gratulation an einen großen Dienst an allem, wofür die Linke steht. Es wird einigen noch leid tun, aber das konnte man vorher wissen (und man wird es auch am 4. Dezember in Österreich vorher wissen).

Bevor man Trump jetzt noch als guten Systemveränderer mit hässlicher Fratze missversteht, der die Missachteten wieder relevant machen wird, kommen wir noch einmal zurück zur Ohnmacht. Es wird eine der vielen Tragödien der Trump-Herrschaft sein, dass gerade diese Hoffnungen, die Trump über die Ziellinie geschoben haben, gnadenlos zerschmettert werden. All die Widerlichkeiten werden eintreffen, denn Trump hat mit einem von der stets wahnsinniger werdenden GOP kontrollierten Kongress alle Mehrheiten dafür. Gegen politische Ohnmacht hat er zwar einen großartigen Slogan aber weit und breit kein Rezept und schon gar keine Mehrheit. Und er will auch keines haben, denn diese Ohnmacht ist sein Vorteil – persönlich als Milliardär, der es sich richten kann, und politisch als Populist, der sich vom Frust speist.

„People feel impotent, but that has to be overcome. That’s what organizing and activism is all about“, Noam Chomsky

Wenn Moderate und Linke eine Antwort auf Trump, Brexit, AfD, Strache, Hofer, Le Pen & Co. finden wollen, dann sollten sie sich weniger selbstgeißelnde Sorgen um ihre Facebook-Freundeskreise und andere Blasen machen. Sie sollten diese Systemkritik und konstruktive Rezepte gegen diese Ohnmacht voranstellen und sich fragen, warum Trump damit durchdringt, sie selbst aber trotz jahrzehntelanger Wiederholung nicht. Sie müssen auf staatlicher und zwischenstaatlicher Ebene Macht aus technokratischen zurück in demokratische Prozesse holen. Und sie müssen selbst damit beginnen, Macht nach unten abzugeben – ihre Parteien demokratischer machen. Die Ohnmächtigen müssen durch sie (und ich würde das auch liberalen und konservativen Parteien nahelegen) wieder einen konstruktiven Zugang zu politischer Veränderung finden können. Parteien die nicht „responsive“ genug sind, steuern vielleicht langsam aber stetig auf Zerreißproben zu. Und können Wähler konstruktiv nichts verändern, bleibt ihnen nur die Wut, die sie über so ziemlich jeden Wahnsinn hinwegsehen lässt.

Ein weiser Mann sagte einmal:

Yoda über Trump

Naja. Ich dachte, wir brauchen heute alle einen Lacher.

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