Die Nachricht traf mich unerwartet, dass Florian Hufsky tot ist. Nicht dass er starb, war unerwartet. Ich kannte ihn ja nicht. Dass es mich traf, war unerwartet. Unsere neue digitale Welt verändert auch den Tod – zumindest unsere Wahrnehmung davon.
Vor einiger Zeit las ich in einem Guardian-Blog einen herovrragenden Artikel. Der Autor beschrieb, wie Twitter ihn mitten in eine Tragödie bei einer Bergwanderung zog, ihm den Ablauf, die Hoffnungen und den schlimmen Moment der Erkenntnis direkt auf den Bildschirm brachte. Er kannte die Opfer genausowenig wie ich Florian Hufsky. Aber er folgte wie ich Menschen, die eben doch Freunde von ihnen waren und teilweise sogar dabei waren. Dieses Erlebnis ließ ihn folgern, dass wir durch Netzwerke wie Twitter näher zusammen rücken.
Das ist plausibel. Wir erleben Schicksale von fremden Menschen direkter, weil wir auch am Leben von flüchtigen Bekannten deutlich mehr teilhaben. Wir sehen Ausdrücke von Trauer auf Twitter, die sonst verborgen blieben, und erfahren ohne zutun etwas über die Umstände solcher Tragödien. Manchmal schickt einem jemand vielleicht ein lustiges Youtube-Video zu, in dem ein Toter plötzlich sehr lebendig wirkt. Wir können aber die Gedanken der Toten sogar nachlesen, darüber nachdenken, Schlüsse ziehen und urteilen. Wenn wir das Zeitliche segnen werden unsere Timelines und Blogs, unsere Facebook-Accounts und Forenidentitäten von einem Datenschutzbedenken zu einem Vermächtnis.
Mein erstes Aha-Erlebnis mit dem Tod und dem Internet ist einige Jahre her. Früher war ich in einem Forum ziemlich aktiv. Einer von den Teilnehmern dort geriet mit mir bei einem speziellen Thema regelmäßig aneinander. Nicht so, dass man sich hasste, aber doch mitunter heftig. Ich werde diesen geschockten Moment nicht vergessen, als ich das Forum aufrief und die Nachricht von seinem Tod zu sehen bekam. Da war jemand mit einem Schlag weg, den ich niemals gesehen hatte, mit dem ich niemals privat kommunizierte, der aber doch viele Stunden unseres Lebens im Zentrum meiner Aufmerksamkeit stand.
Danach, und irgendwann merkte ich es wohl nicht mehr, blieb meine Meinung bei diesem speziellen Thema öfters unwidersprochen. Wir anderen Forumsteilnehmer erfuhren nur von seinem Tod weil ein Freund von ihm es uns mitteilte. Manchmal frage ich mich, wie oft schon andere Leute starben die mich ähnlich betrafen, von denen ich es nicht weiß. Was passiert mit diesen so vertrauten aber doch anonymen Online-Bekanntschaften, zu denen man den Kontakt irgendwann verliert?
Wir wissen was mit den Toten passiert, die wir im nicht-virtuellen Leben kannten. Aber selbst diese Erfahrung ändert sich. Ein Bekannter starb vor einigen Jahren bei einem Unfall. Das vergisst man nie wirklich, verdrängt es aber irgendwann. Schwieriger wird das dann, wenn dieser Mensch uns dann in regelmäßigen Abständen bei Facebook als Freund vorgeschlagen wird.
Das Gefühl ist nie besonders toll, das dabei entsteht. Ich kann den Vorschlag auch nicht zu einem symbolischen Akt nutzen, weil die Anfrage ja niemand beantworten würde. Aber bei all den zig Gelegenheiten konnte ich mich auch nie dazu durchringen, den „Diesen Vorschlag nicht mehr anzeigen“-Button zu drücken.
Florian Hufskys Freunde und Bekannte schickten ihrem verstorbenen Freund den Gruß „Rest in Pixels“ nach. Das klingt im ersten Moment schockierend leichtfüßig, wirkt angesichts der Schwere des Ereignisses respektlos. Und doch fasst dieser Gruß all diese realen, neuen Phänomene ganz gut.