Uni gegen Fachhochschule – ein gern strapaziertes Duell. Dabei werden sie immer ähnlicher.
Ich mache beides (Uni-FH-Doppelmaster) und ich mag beides.
Natürlich ist die Ausgangspositionen eine völlig andere: Hunderte Kollegen an der Uni stehen fünfzig Kollegen an der FH gegenüber. Und natürlich hat die FH eine völlig andere Idee von Lehre. Stichwort Ausbildung statt Bildung.
Während ich mich an der Uni aktuell mit dem 457845. Forschungsprojekt meiner Studierenden-Karriere beschäftige, werde ich an der FH zunehmend vom wissenschaftlich kompetenten Generalisten zum Spezialisten. Und es macht Spaß.
Buchloses Lehren und Bastel-Exzess
Ich bin nicht an der FH, um Dinge zu lernen, die ich auch in Büchern nachlesen kann. Der Großteil dessen, was ich vorgetragen bekomme, sind inspirierende Einblicke, Erfahrungsberichte von Leuten, die wissen wovon sie reden. Ich darf Prototypen bauen und mich auch sonst regelmäßig mit dem Bastelkoffer austoben. Demgegenüber habe ich an der Uni jahrelang Lehrveranstaltungen von uninspirierenden, wenn nicht gar völlig desillusionierenden LV-Leitern erlebt, die doch tatsächlich vielfach nicht über den Theorienstand der 70er-90er Jahre hinausreichten. Nicht nur, aber doch hinreichend.
Didaktisch beschränkt sich die Uni mehrheitlich auf den Frontalvortrag, wogegen die FH fast ausschließlich auf Projektarbeiten setzt. Die FH fordert viel mehr Aktivität (dort präsentiere ich mehrmals am Tag, an der Uni wenige Male im Semester), die Uni fördert Passivität. Ich habe Uni-Kurse mit Anwesenheitspflicht, bei denen ich tatsächlich die gesamte Kursdauer über nur aus einem Skript vorgelesen bekomme.
Wer will schon denken? – Der Selbstständigkeitsfail
An der FH wird nicht mit Skripten gearbeitet. Trotzdem, es geht auch dort um Selbst-Aneignung. Jeodch im aktiven Sinn: Nicht nachlesen, sondern tun! Ausprobieren! Im Team, im Austausch mit anderen. Was sich als wesentlich produktiver erweist. Nebenbei lerne ich noch unglaublich viel über mich selbst, über meine Rolle im Team, über meine Außenwirkung und Potenziale. An der Uni mutiert man zum Einzelkämpfer. Nicht zuletzt aufgrund des ständigen Kampfes um die beschränkten Kursplätze.
Eine gewisse Selbstständigkeit hat natürlich durchaus seine Vorteile. Fragt man Kollegen, warum sie sich für die Fachhochschule entschieden hätten, kommt vielfach der Hinweis auf die bereits vorgegebenen Organisations-Strukturen. Viele FH-Studierende würden ein Uni-Studium vielleicht nie beenden. Genau darin sehe ich übrigens einen der Gründe, warum viele Studierende – egal ob Uni oder FH – diese Proteste heftig kritisiert haben: Die Reformen der letzten Jahre schränken das selbstständige Denken und Handeln enorm ein. Der vorproprammierte Dumpfnuss-Schluss: So what? Muss ich mich selbst um noch weniger kümmern. Weniger denken bedeutet weniger Aufwand, tolle Sache!
Unterschiedliche Ausgangspositionen hin oder her, vieles lässt sich damit einfach nicht rechtfertigen. Warum schaffts die FH, Inhalte so spielerisch und auf modernste Weise zu vermitteln? In Uni-Seminare hat man ebenso Kursgrößen von 20-50 Leuten (zumindest an der Publizistik), mit denen sich anständig arbeiten ließe. Die FH ist in allen Belangen wesentlich moderner aufgestellt – sowohl was Lehrmethoden als auch LV-Inhalte betrifft. Ich bekomme selbstverständlich von Twitter-Kampangnen erzählt, wo man an der Uni erst mal nur verdutzte Gesichter ernten würde.
Käfig-Lernen
Jedenfalls: Ich bin froh, meinen Bakk-Abschluss an der Uni gemacht zu haben und auch noch weiter dort studieren und forschen zu können (was ich mir im Falle der Wiedereinführung der Studiengebühren nicht mehr leisten könnte). Die Tiefe, mit der man sich an der Uni mit Themen auseinandersetzt, ist von unschätzbarem Wert. Die FH-Ausbildung lernt mir das – unglaublich spannende – Handwerkszeug. Das ich, so glaube ich, mithilfe meiner Uni-Vorbildung jedoch viel besser einsetzen kann. Was die FH aber nicht lehrt ist, das zur Verfügung gestellte Handwerkszeug zu hinterfragen. Man wendet einfach an. Wird schon passen.
Ich bin wirklich froh, nicht schon in meinen ersten Semestern dem strikten Regelwerk der FH unterlegen zu sein. Mit fixen LV-Zeiten, null Flexibilität bei der Kurs-Auswahl und einer FH-Leitung, die glaubt, mir das Leben erklären und in weiterer Folge gleich vorstrukturieren zu müssen.
FUNI – der FH/Uni-Hybrid
Wobei die gegenwärtigen Umstrukturierungen an der Uni in die selbe Richtung arbeiten. FH und Uni werden immer ähnlicher. Was ich prinzipiell als einen interessanten Ansatz ansehe, sich aber aktuell in eine völlig falsche Richtung entwickelt. An der Uni konnte ich zu Bakk-Zeiten drei Studien parallel belegen und mir den Großteil auch anrechnen lassen. Die Hälfte (!) meines Studiums bestand aus freien Wahlfächern, so dass ich im Endeffekt die Möglichkeit hatte, ein völlig individuelles und enorm vielseitiges Studium zu absolvieren. Ich konnte mein Studium in 5 Semestern beenden und das sechste Semester so problemlos für einen Auslandsaufenthalt nutzen. Ein Privileg von unschätzbarem Wert.
Inzwischen kann ich auch an der Uni nicht mehr frei entscheiden, welche Kurse ich wann belegen will. Entsprechen die individuellen Studieninteressen doch oftmals nicht den endlosen Voraussetzungs-Ketten oder dem strikt vorgegeben Modul-System. Kurse, die ich mir aufgrund der dezenten Beschränkheit des super-modernen Anmeldesystem nicht anrechnen lassen kann, kann ich überdies einfach nicht belegen. Wozu auch, es geht ja doch nur mehr ums stupide Sammeln von ECTS-Punkten.
Ich konnte im Laufe meiner Uni-Karriere selbst entscheiden, welchen Weg ich einschlage und ich war flexibel genug, diesen Weg stets meinen Entwicklungsschritten anzupassen. Mittlerweile kann man nur mehr vorgegebenen Modul-Wegen folgen. Willkommen im Bildungs-Knast!
Doch mehr Flexibilität durch Bachelor-Master?
Ich bin mir sicher, die Qualitätsunterschiede an den verschiedenen Fachhochschulen sind enorm. Auch an der Uni gleicht kaum ein Studiengang dem anderen. Der Bachelor-Master-Struktur sei (ausnahmsweise) dank, wird es zunehmend nicht mehr nur bei einem Studien-Abschluss bleiben. Es ist problemlos möglich, nach dem Bakk. zu wechseln, einen zweiten, dritten, vierten Master dran zu hängen oder ein FH-Studium (etwa in „berufsbegleitender“ Form) ergänzend zu einem Uni-Studium zu absolvieren und umgekehrt. Die Möglichkeiten sind da, ich kann’s nur empfehlen.
Ich für mich hab mit dem Doppelmaster jedenfalls die optimale Kombination gefunden – und würde mir wünschen, Uni-Kollegen etwas von der Projektpraxis und FH-Kollegen etwas von der Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen, sich tiefergehend mit etwas auseinanderzusetzen, abgeben zu können.
Fotocredit: onkel_wart, CC2.0 BY-NC-SA