Nun geht es bereits in die vierte Runde der Politikblogger-Serie auf zurPolitik.com. Wir befassen uns mit den PolitikbloggerInnen und gehen der Frage nach, ob wir von einer Szene sprechen können. Wir werfen einen Blick auf die politischen Einstellungen der BloggerInnen und sehen uns an, welche Stärken und Schwächen sie selbst innerhalb der österreichischen Blogosphäre erkennen.
Überschaubar, zentriert, politisch
Bereits im ersten Teil dieser Serie haben wir festgestellt, dass die österreichische Politikblogger-Szene überschaubar, männlich dominiert und stark Wien-lastig ist. Gebloggt wird, wenig überraschend, vor allem über Politik. In wenigen Worten: die österreichischen Politikblogs sind überschaubar, die BloggerInnen leben Großteils in Wien und sind stark politische Menschen.
Emanzipation der Szene?
Wir befragten die TeilnehmerInnen der Untersuchung, ob man im Bereich der PolitikbloggerInnen in Österreich überhaupt von einer aktiven Szene sprechen kann. Hier spalteten sich die Meinungen. Gut die Hälfte der Befragten meinten, dass eine solche Szene existiert, einige wollten dies weder bejahen noch verneinen, eine Minderheit sprach davon, dass man in Österreich nicht von einer aktiven Szene ausgehen kann.
Eine einheitliche Antwort konnte somit nicht gefunden werden. Und doch gibt es einige Beschreibungen, die uns zumindest Interpretationsmöglichkeiten bieten. Eine kleine Auswahl hieraus sollte den LeserInnen von zurPolitik.com nicht vorenthalten werden:
„Es gibt eine aktive Blogger-Szene, die sich in ziemlich kleine und lose verknüpfte Cluster aufteilt. Durch die starke Anbindung an die Themensetzung traditioneller Medien fehlt es weitgehend an Vernetzung untereinander. Es braucht progressive BloggerInnen um die Blogosphäre als ernstzunehmend zu emanzipieren.“
„[…] Dennoch gibt es nicht DIE EINE österreichische Blogger-Szene, da sich die Vernetzung im Wesentlichen innerhalb einiger „Kreise“ abspielt, die sich nicht zuletzt auch offline widerspiegeln. Wesentlicher Hindernisgrund ist meines Erachtens nach der zusätzliche Aufwand, der das aktive Verfolgen von bzw. Vernetzen mit anderen Blogs mit sich bringt. Auch eine Weiterentwicklung des eigenen Selbstverständnisses des Bloggens wäre dafür oftmals notwendig.“
„Eine Bloggerszene per se gibt es kaum. Zu vielschichtig sind die Inhalte und Interessen von Blogs. Vernetzungen finden in erster Linie entlang von Interessenslinien und quer über Kommunikationsformen statt.“
Wiener Szene statt österreichische Szene?
Wie könnte man also eine österreichische Politikblogger-Szene beschreiben? Sie ist stark Wien-lastig und die Überschaubarkeit österreichischer Weblogs stellt ein Hindernis für eine österreichweite, emanzipiert-ernstzunehmende Szene dar. Es drängt sich beinahe auf, eher von einer Wiener Politikblogger-Szene zu sprechen, denn von einer österreichischen. Auch wenn dies die BloggerInnen in den Bundesländern wahrscheinlich nicht allzu gerne hören – innerhalb der siebenköpfigen Stammbloggerschaft auf zurPolitik.com stellt der Autor dieser Zeilen den „Quoten-Bundesland-Blogger“ dar.
BloggerInnen bestimmen Diskurse mit
Es gibt sie, die Beispiele in denen BloggerInnen in Diskurse eingreifen und sie auch mitbestimmen. Das wohl (medial) populärste Beispiel der letzten Jahre war das Projekt Grüne Vorwahlen. Auch wenn nicht „nur“ BloggerInnen beteiligt waren – etwa als VorwählerInnen – lässt sich doch sagen, dass Blogs und BloggerInnen dieses Projekt stark prägten und Druck auf eine etablierte politische Partei ausübten.
Als weitere Beispiele der (mit)Bestimmung von Diskursen wurden die Studierendenproteste #unibrennt und der Versuch der Aufarbeitung von mutmaßlichen Polizeiübergriffen bei einer Demo in Linz am 1. Mai des Vorjahres genannt.
„Den gesellschaftlichen Diskurs als Ganzes [Anm.: bestimmen BloggerInnen] mangels Reichweite nicht. In einzelnen Nischen gibt es bedeutende und meinungsbildende Blogs oder Blogosphären. […] Bei stark internetaffinen Zielgruppen spielt die Blogosphäre vermutlich auch eine größere Rolle – siehe die #unibrennt Bewegung, die ihr Feuilleton quasi online gefunden hat.“
Linksliberale BloggerInnen
„Die aktivsten und bestvernetzten Blogger sind einer linksliberal bis grünen Strömung zuzuschreiben. Einige wenige würde ich rechtsliberal nennen.“
So beschreibt eine befragte Person die politische Einstellung der österreichischen PolitikbloggerInnen – und überrascht damit auch eifrige Blog-LeserInnen kaum. Die politischen Einstellungen ziehen sich durch die Themen und Inhalte der Blogs. Diese nahezu-Homogenität wirft aber auch Kritik von BloggerInnen auf, die sich diesem Weltbild nicht zugehörig fühlen und sich mehr Vielseitigkeit wünschen würden. Eine besonders kurze Einschätzung der politischen Charakterisierung der österreichischen BloggerInnen lautete jedoch folgendermaßen:
„Kleinbürgerlich!“
Die Stärken
Widmen wir uns nun jedoch den Stärken der Austro-Blogs. Genannt wurden hier vor allem: die Überschaubarkeit der Szene, das stark ausgeprägte politische Interesse der BloggerInnen, ein hohes intellektuelles und kreatives Potenzial, ein hohes Niveau an Diskussionskultur, ein kontinuierliches Wachstum, einfache Möglichkeiten um Offline in Kontakt zu kommen, der geringe Grad an Kommerzialisierung und eine stark ausgeprägte Offenheit für technische Innovationen. Stärken können jedoch auch Schwächen sein, wie wir abschließend sehen werden.
Die Schwächen
Auch bei den Schwächen wurde die Übersichtlichkeit, die „Kleinheit“ der Szene genannt. Während ein geringer Grad an Kommerzialisierung als Stärke angesehen wird, werden fehlende Vermarktungsmöglichkeiten auch gleichsam als Schwäche betrachtet. Zudem wird die Wien-lastigkeit (vor allem von Bundesländer-BloggerInnen) kritisiert, was oft einhergeht mit dem Vorwurf von mangelnder Vernetzung. Gegenseitiges konkurrieren und Neid untereinander werden weiters als sehr menschliche Schwächen der PolitikbloggerInnen in Österreich genannt.
Im nächsten Teil dieser Serie widmen wir uns der Vernetzung der BloggerInnen und den Verbreitungswegen ihrer jeweiligen Inhalte.
Da die Frage nach der Existenz einer österreichischen Politikblogger-Szene letztlich nicht eindeutig geklärt werden konnte. gebe ich die Frage nun an euch weiter: Was meint ihr? Existiert eine aktive Szene oder bloggen die österreichischen PolitikbloggerInnen eher unkoordiniert „vor sich hin“?
Foto: kalieye, CC2.0-BY-NC-ND