Wer sich nach den gestrigen Vollversammlungen mit Studierenden in Wien unterhalten hat, bekam je nach Universität sehr unterschiedliche Antworten. Auf der TU und der VetMed, der Medizinischen Universität und der BOKU schien alles sehr gut verlaufen zu sein und alle freuten sich über eine gemeinsame Front gegen die Politik. Anders ging es den Studierenden der Universität Wien.
Die Angst des Rektors vor den Studierenden
Der 300-Personen Hörsaal U10 im Juridicum war, wie erwartet und von ÖH und Unibrennt im Vorfeld aufgezeigt, viel zu klein. Natürlich hätten die tausenden Studierenden auch nicht ins Audimax gepasst, doch die Botschaft, die das Rektorat über das U10 transportierte war klar: Wir haben kein Vertrauen in die Studierenden.
Die Angst des Rektors vor den Studierenden zeigte sich auch in der Informationspolitik der Universität Wien. Bis zuletzt gingen alle Mobilisierungsaktionen von ÖH und Unibrennt aus, von Seiten der Universität Wien gab es weder ein Einladungsemail an alle Studierenden (wie es bei Veranstaltungen wie z.b. UniSuccess absolut üblich ist), noch Plakate.
Die Vollversammlung selbst verstärkte die Frustration vieler Studierenden nur. Der Impulsvortrag eines WIFO-Experten, der zwar teilweise ganz amüsant war insgesamt aber wenig Neues aufzeigte, und Kurz-Statements von Vertretern der Unileitung und der ÖH, ließen 15-30min für eine „Diskussion“. Da konnten die Studierenden kurz Frust ablassen, der im abschließenden Statement des Rektors allerdings ignoriert oder zur Seite gewischt wurde. Den roten Teppich zur Versöhnung wollte Winckler nicht beschreiten, auf einen geforderten „Halbsatz, dass er im Vorjahr möglicherweise ein Momentum verpasst hätte“ warteten die Studierenden vergeblich. Auch die Einladung, doch an der Demonstration teilzunehmen, war ihm keine Antwort wert.
An anderen Universitäten wurde inhaltlich diskutiert und über Resolutionen abgestimmt, die Studierenden der Universität Wien bekamen zum Abschied einen Brief der Universitätsleitung an Wissenschaftsministerin Karl in die Hand gedrückt.
Als Studierender und Unibrennt-Aktivist verließ ich enttäuscht und frustriert den Hörsaal Richtung Demonstration.
Die Alternative Vollversammlung
Unter den Zaungästen, die vor dem Juridicum und in angrenzenden Hörsälen das Spektakel auf Videoleinwänden verfolgen und dadurch erst gar keine Möglichkeit hatten an der Mini-Diskussion teilzunehmen, war inzwischen der Plan zu einer „Alternativen Vollversammlung“ entstanden. Nach SMS- und Twitter-Einladungen versammelten sich einige Hundert Studierende in der Universität. Inhaltlich tat sich hier allerdings noch weniger als in der konventionellen Vollversammlung. Schließlich wurde das Audimax besetzt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Universität ähnlich enttäuscht verlassen, wie vorher das Juridicum. Über den gewohnt schnell eingerichteten Live-Stream, mit allerdings ungewohnt schlechter Tonqualität, konnte ich die Besetzung trotzdem verfolgen. Das Audimax war gut gefüllt, inhaltliche Diskussionen schienen aber nicht wirklich stattzufinden. Auch die ersten Medien berichteten von der Besetzung, die APA-Meldung vom Aufbrechen einer Tür verbreitete sich rasch. Ebenso rasch verbreiteten sich aber die Dementis der BesetzerInnen, dass das Universitätspersonal eine Tür aufgesperrt hätte. Augenzeugen konnten in jedem Fall keine Beschädigungen an den Türen feststellen.
Von Angst und fehlenden Strategien
Auf dem gestrigen Aktionstag wollten Studierende, Mittelbau und Rektorat eine einheitliche Front gegen die Politik bilden. An vielen Universitäten hat das auch funktioniert. Doch (die Universität) Wien ist anders. Ein Rektor, der Angst vor engagierten Studierenden hat, und diese sichtlich widerwillig und dementsprechend halbherzig einbezieht, und Studierende, die in ihrer Frustration völlig planlos agieren und so die Reputation einer beispiellosen Protestbewegung gefährden und ihre eigenen Bemühungen untergraben, haben gestern gezeigt, wie groß die Kluft zwischen Universitätsleitung und Studierenden ist.
Fotos: Jakob Arnim-Ellissen