Etwas fortgeschrittene Semester können sich vielleicht an Edith Klinger erinnern. Eine stets bedirndelte Tierliebhaberin, die kaum Kontroversen („am allerärmsten sind bei einer Scheidung nicht die Kinder, sondern die Tiere!“) scheute, um ihre Lieblinge an den geeigneten Mann, die richtige Frau zu bringen. Die Sendung erreichte Kultstatus.
Ein ähnliches Problem wie die Viecherln von Frau Klinger scheinen in jünster Zeit Politiker und Politikerinnen zu haben, die – häufig nicht aus freien Stücken – ihre bequemen Sesseln in den Ministerien oder im Parlament (Achtung: Demokratie!) räumen mussten.
Was diese Leute jedoch von Klingers Hund und Katz unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie sich ihre eigenen Platzerl suchen müssen und dabei gerne auf guten Geschmack, Ethos oder Moral vergessen (so man davon ausgehen kann, dass diese Qualitäten überhaupt je vorhanden waren).
Dass es sich dabei nicht bloß um Probleme handelt, die den einen oder die andere von uns mitunter zum Schmunzeln bringen, sondern dass dies auch ein zweifelhaftes Licht auf die Arbeit dieser Leute zu Zeiten ihrer Amtsperiode wirft, ist ein Faktum, welches insbesondere im demokratischen Setting zu berücksichtigen ist.
Dieser Job ist nicht standesgemäß, nicht für mich!
Beginnen wir in der jüngeren Vergangenheit. Dass A. Gusenbauer nach der Abmontage als Bundeskanzler (hauptsächlich durch sich selbst und seine eigene Partei), in die AK Niederösterreich zurückkehrte, war zwar von einiger Häme begleitet, bewies jedoch generell, dass das Netzwerk seiner Partei irgendwo noch funktioniert. Grundsätzlich sind ÖVP und SPÖ noch so stark im Land aufgestellt, dass sie für (brave) Parteisoldaten immer noch ein Plätzchen gefunden haben, auch wenn man im Fall Gusenbauer einwenden kann, dass dieser nicht auf Jobsuche, sondern lediglich karenziert war.
Einige können jedoch weder das vorweisen, rutschen durch Postenauffangnetz und sehen sich bisweilen nicht nur des liebgewonnen Status (Politik ist immer noch Macht) beraubt, sondern auch einer höchst bequemen Einkommensquelle. Dass diesbezüglich immer häufiger geschmacklose Entscheidungen in Sachen beruflicher Zukunft getroffen werden, ist jedoch weniger ein Zeichen mangelnder Verfügbarkeit von Jobs (wir leiden alle genauso darunter), sondern beruht viel mehr auf der charakterlichen Ausstattung heutiger Politiker, die, so scheint es, gut und gerne ihre eigenen Kinder für einen lukrativen Posten verkaufen würden.
„The world in Vorarlberg is too small“
Paradefall ist wohl H. Gorbach, der sich weder für einen horrend-schlecht formulierten Bittbrief ins Ausland zu genieren schien, noch Bauchgrimmen darüber hatte, dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko zu bescheinigen, dass die jüngste „Wahl“ „westeuropäischen Standards vollauf entsprochen“ hätte. A. Gusenbauer wiederum wird künftig den kasachischen Staatschef Nasarbajew beraten.
Der Klassiker unter den nach der Amtszeit sich zufällig auftuenden Jobangeboten, der sich zwar im benachbarten Ausland ereignet hat, aber offenbar auch hierzulande Schule zu machen scheint, ist in dieser Hinsicht mit Sicherheit das Engagement G. Schröders in Russland und dessen Gütesiegelverleihung „lupenreiner Demokrat“ an W. Putin.
Die Made im Speck
Was also ist die Ursache dieser postpolitischen Jobverwirrung unter Ex-Politikern? Zunächst muss man sich fragen, wer überhaupt auf der Jobsuche ist, denn, obwohl man laut Verfassung nur auf Zeit gewählt wird, ist das Problem aktuell noch ein marginales.
Es ist nämlich hierzulande noch immer so, dass es sich die meisten gerne ganze Jahrzehnte im Nationalrat bequem machen, aus diesem Grund befinden sich noch nicht allzuviele verlorene Schafe auf der Arbeitssuche.
SPÖ und ÖVP verfügen noch über ein ausreichend großes Netzwerk parteilicher und den Parteien vorgelagerte Einrichtungen (man könnte das gut und gerne als Politikerarbeitsstiftungen bezeichnen), die Arbeitssuchenden rekrutieren sich also vornehmlich aus jener Personengruppe, die:
- Mitglieder von Parteien mit kleineren Netzwerken im Lande sind,
- keinen Platz am Gnadenhof (aka Bundesrat) gefunden haben, (nur 62 Plätze!) und/oder
- denen auf allen Ebenen Können und Qualifikation fehlt, was mittlerweile der Mehrheit der Politiker und Politikerinnen entspricht, schließlich rekrutiert man in den Parteien künftige „Leader“ bereits im Kindergarten und achtet bei der nachfolgenden jahrelangen Schulung kaum auf Allgemeinbildung, Erfahrung im echten Leben oder eine Grundausbildung in Sachen Ethik und Moral.
Alles gar nicht so lustig
Selbst wenn man sich gemeinhin über die Leiden der Ex-Politiker amüsiert, so zeigt diese Misere auch ein grundlegendes demokratisches Problem auf. Schließlich machen sich gerade jene Leute, die außer Politik keine Qualifikation aufweisen, viel eher bestechlich als solche, die sich getrost ihre eigene Meinung leisten können, weil sie auch am freien Jobmarkt genügend Erfahrung vorweisen können, um nicht verhungern, oder ihre Seele verkaufen zu müssen.
Was schließlich dazu führt, dass berufliche Absicherung bereits beim Eintritt in die Politik zu einer maßgeblichen Komponente wird, mitunter die Ursache von fliegenden Wechseln von Partei A zu Partei B darstellt und der Politik wiederum gesamtheitlich ein Glaubwürdigkeitsproblem bereitet.
Probleme in der Demokratie
Alexis de Tocqueville beschreibt als einen der wenigen Vorteile der Aristokratie gegenüber der Demokratie, die Tatsache, dass von vornherein wohlhabende Regenten (der Adel) weniger leicht bestechlich sind, als gewählte Volksvertreter, die auch noch arme Schlucker sind.
Ich argumentiere hier zwar nicht für die Wiedereinführung der Aristokratie, genauso wenig, wie ich überhaupt bereit bin, das Argument de Tocquevilles als richtig anzuerkennen, es legt aber doch eine der großen Schwächen im demokratischen System offen, für die man, wie ich meine, bis dato keine befriedigende Lösung gefunden hat: Was nämlich passiert mit Politikern, wenn sie keine Politiker mehr sein wollen, können oder dürfen?
Ich habe leider selbst keine Antwort darauf, zum Einen weil sich im politischen System mittlerweile so etwas wie ein Teufelskreis etabliert hat, der sich kaum noch durchbrechen lässt. Politiker sind zum größten Teil Parteisoldaten, qualifizierte Quereinsteiger tun sich den Ja-Sage- und Abnickmarathon mittlerweile gar nicht mehr an, oder werfen nach wenigen Monaten in der Maschinerie entnervt das Handtuch. Parteisoldaten wiederum scheinen hierzulande so etwas wie ein politisches Gewohnheitsrecht etabliert zu haben, aus welchem sie persönliche Ansprüche auf bestbezahlte Positionen ableiten.
Prophezeihen kann man diesem System zumindestens Folgendes: Die Zahl unqualifizierter Ex-Politiker und Ex-Politikerinnen wird in Hinkunft ebenso steigen, wie die Auftretenshäufigkeit peinlicher Arbeitsverhältnisse von verzweifelten ehemaligen Abgeordneten.
Vielleicht sollte man gar eine Neuauflage von „Wer will mich“ für ausrangierte Politiker überlegen?
Susanne, 26. Jänner 2011