Was sich aktuell im arabischen Raum tut, insbesondere in Ägypten und Tunesien, hat wohl lange Tradition in der Menschheitsgeschichte des Herrschens und Beherrschtwerdens. Man kann auch bei jedem Fall, egal ob historisch oder nicht, über spezielle Umstände, kulturelle, politische und geografische Bedingungen diskutieren, die Ursachen sind immer die gleichen. Daran haben tausende Jahre Zivilisation so gut wie nichts geändert und wie es aussieht, wird sich wohl auch künftig wenig daran ändern.

Da ich den Worten Martin Luther Kings, der da meinte „The arc of the moral universe is long, but it bends towards justice“ viel abgewinnen kann und auch nicht dauerhaft in dumpfes kulturpessimistisches Brüten verfallen möchte, nehme ich den heutigen Eintrag zum Anlass auch die hiesigen Regierenden daran zu erinnern, dass am Ende niemand behaupten darf, er hätte nicht gewusst, dass das Volk irgendwann einmal zornig werden könnte.

Zutaten zum Volksaufstand

Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass die Österreicher und Österreicherinnen kein revolutionstaugliches Volk sind, diesbezüglich haben sich hunderte Jahre strenge Konditionierung durch Monarchie und Diktatur als überaus erfolgreich erwiesen, nachdem sich aber die politischen Bedingungen hierzulande nicht wesentlich von jenen in anderen europäischen Ländern unterscheiden, nehme ich an, dass der entscheidende Funke wohl aus dem „Ausland“ (wie das auch bisher zumeist so war) kommen wird.

Was also bringt das Gemüt des Volkes in Wallungen und warum kann man davon ausgehen, dass selbst die beste unter den schlechten Regierungsformen, die Demokratie, nicht davor gefeit ist, irgendwann vom Souverän gestürzt zu werden?

Von Herrschenden und Beherrschten

Nun, es genügt, verschiedenste in den diversen Herrschaftsformen auftretende Misstände zu identifizieren, diese Zutaten in einen Topf zu geben, fertig ist die Basis für eine Revolution.

Egal ob Diktatur oder Demokratie, Aufstände finden meist dann statt, wenn die Unterschiede zwischen Regierenden und Regierten so eklatant werden, dass sich letztere nur noch durch gemeinsames Aufbegehren in der Lage sehen, dieses Verhältnis zu ändern.

Demokratur

In einer Diktatur ist wohl klar, dass der Regent nicht gewählt wurde, in den westlichen Demokratien hat sich mittlerweile jedoch eine Art Erbpolitikertum etabliert, das sich nicht mehr wesentlich von einer Regentschaft auf Lebenszeit unterscheidet.

Hierzulande gibt es kaum noch Leute, die als Quereinsteiger in die Politik gehen (wollen/können), es setzt ein sich Hochdienen und absolute Stromlinienförmigkeit der Aspiranten voraus, um sich den Nationalratsposten, das Regierungsamt auf viele Jahre zu ersitzen. Wahlen werden zunehmend zur Farce, die Wähler und Wählerinnen kreuzen das geringste Übel am Stimmzettel an, oder bleiben überhaupt daheim. Die aktuelle Regierung ist (über den Daumen gepeilt) nur mehr mit knapp 43% der Wählerstimmen legitimiert (Anteil der abgegebenen Stimmen an allen wahlberechtigten Personen). Dieser Anteil wird seit Jahren sukzessive weniger.

Bis dato hat sich jedoch scheinbar keine Partei darüber Gedanken gemacht, wie man die Wahlbeteiligung heben, bzw. wie man die Demokratie in Österreich wieder beleben könnte, geschweige denn irgendwelche Taten gesetzt, oder Vorschläge, die andere unterbreitet haben, realisiert.

Nepotismus, Korruption, Maßlosigkeit

Wenn man den (übrigens nicht von ihr stammenden) Ausspruch Marie Antoinettes, nachdem das Volk Kuchen essen soll, wenn kein Brot verfügbar ist, als Ausdruck längst vergangener Dekadenz abtut, dann muss man auch heute nur etwas genauer hinsehen, um in den verschiedensten politischen Klüngeln auffallende Parallelen zu finden.

Der tunesische Regent Ben Ali und sein Clan sollen sich mit eineinhalb Tonnen Gold aus dem Staub gemacht haben, das Privatvermögen von Ägyptens Staatschef Mubarak wird auf über 50 Milliarden Euro geschätzt, selbst wenn man das als Extrembeispiele, wie sie nur in irgendwelchen „Bananenrepubliken“ möglich sind, abtun möchte, der Blick nach Europa zeigt, dass wir auch hier im gelobten Kontinent der westlichen Demokratien nicht mehr weit davon enfernt sind.

Bananenrepublik versus westlich-demokratische Bananenrepublik

Der einzige Unterschied zwischen den Kleptokratien „da unten“ und den Demokratien westlicher Prägung ist jener, dass sich die Politik das Geld nicht vordergründig selbst in die Taschen stopft (zumindest hat man bisher noch keine auffälligen Konten gefunden), sie hängt aber am Gängelband von Konzernen und Interessensvertretungen, die sich über Mittelsmänner die jeweils opportune Gesetzgebung herbeilobbyisieren.

Der Anreiz liegt für sie, die sie schon in der Kindergartenparteiakademie davon geträumt haben Bundeskanzler oder Finanzminister zu werden, allein im politischen Amt, denn so farblos und untalentiert, so uninspiriert und plump wie unsere derzeitigen Politiker und Politikerinnen sind, kann man wohl davon ausgehen, dass sie außer in einer politischen Karriere, kaum anderswo überlebensfähig wären.

Bestätigung findet diese Theorie darin, dass man zwar hierzulande kaum eine Gelegenheit versäumt, sich öffentlich gegen Vetternwirtschaft und Korruption auszusprechen, die Fakten jedoch sprechen eine andere Sprache. Bis heute fürchten die Verantwortlichen die Lockerung des Bankgeheimnis wie der Teufel das Weihwasser, tun sie wenig bis gar nichts um Druck auf Steuerparadiese auszuüben und gibt es außer Lippenbekenntnisse keinerlei Transparenz in Sachen Parteienfinanzierung.

Dummes Volk, leicht regierbar

Während man schließlich Milliarden in diverse Bankenrettungspakte pumpt – etwas das ich in begrenztem Maße durchaus für nötig halte – hungert man das Bildungssystem im Lande langsam aber sicher aus und stört sich offenbar nicht daran, dass mittlerweile eine ganze Generation entweder verblödet, oder aber nach abgeschlossener Hochschulbildung darauf angewiesen ist, sich mit Hungerlöhnen durchzuschlagen. Und wenn die x-te Studie wieder zum selben ernüchternden Ergebnis kommt, oder gar noch Schlimmeres aufdeckt, dann handelt man nicht, sondern sucht nach der „richtigen Interpretation„.

Das dringend benötigte Geld steckt man, wenn schon nicht in Banken, dann in eine überbordende Verwaltung, in der diverse Strukturen seit Jahrzehnten doppelgleisig ausgestaltet sind, von denen jeder einigermaßen vernünftige Experte weiß, dass man sie besser gestern als heute ohne Ersatz abschaffen sollte. Wenn alle Stricke reißen, verschenkt man es dann lieber noch dem einen oder anderen „Berater“, Leute, die mittlerweile sattsam bekannt sind und deren Expertise bloß darin liegt, dass sie „wen“ kennen, die aber allein dafür von staatlichen und staatsnahen Betrieben Millionenbeträge kassieren.

Halb so schlimm, oder doch nicht?

Das alles mag noch einige Zeit lang gut gehen, von Italien, so hört man erleichterte Stimmen, sind wir noch meilenweit entfernt und überhaupt. Mittlerweile werden zwar bereits Rechtsanwältinnen, die Verfahren kritisieren, mit Klagen bedroht, der eine oder andere Akt gegen diesen oder jenen Politiker wird halt einmal vergessen, dieser hat aber doch bloß mit jenem telefoniert und überhaupt. Ministerinnen wollen auf der Busspur fahren, andere schieben kleine Kinder ab, aber man das darf doch alles nicht so eng sehen und überhaupt.

So plätschert die Demokratie vor sich hin und eh man sich’s versieht lebt man plötzlich in einer Diktatur. Und was machen wir dann?

Susanne, 9. Februar 2011

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