Wegen eines allgemeineren Beitrags zur bevorstehenden Volksbefragung zur Wehrpflicht ringe ich noch mit mir. In Foren köchelt aber immer ein Thema hoch, das ich hier davon herausgelöst besprechen möchte. Abhängig davon, wie die Volksbefragung endet, könnte sich das Thema von selbst erledigen (laut Umfragen wird es das aber eher nicht). Es geht darum, dass die Wehr- und Zivildienstpflicht in Österreich ausschließlich Männer betrifft.

Ich erinnere mich vage, schon vor über 10 Jahren in meiner Schulzeit Ulli Sima bei einer Podiumskiskussion in Kapfenberg die Frage gestellt zu haben, weshalb sie diese Ungerechtigkeit für angebracht hält. Die Antwort damals erstaunte mich: Weil Frauen ja Kinder bekommen. In etwa dasselbe Argument kam kürzlich auch bei einer Facebook-Diskussion einer Bekannten zum Thema. Frauen gingen häufiger in Karenz, verdienten weniger und erledigten auch häufiger familiäre Pflegearbeit, heißt es. Erst wenn sich das ändere, solle man über eine tatsächlich allgemeine statt eine männliche Wehrpflicht sprechen.

Damals wie heute empfinde ich diese Argumentation nicht als schlüssig. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: All diese Statistiken, bei denen Frauen schlechter abschneiden, will ich nicht bestreiten. Auch müssen diese Zustände endlich bereinigt werden. Als Argument für die männliche Wehrpflicht funktioniert es aber trotzdem nicht.

Der Mann als solcher

Zuerst einmal ist es keine konkret zusammenhängende Maßnahme. Männer zum Heer zu schicken, verbessert die Situation in der Kinderbetreuung oder bei ungerechten Gehaltsunterschieden nicht einmal ansatzweise.

Außerdem ignoriert das Argument den individuellen Mann, betrachtet ihn nur als statistischen Schurken. Die Regeln der Wehrpflicht gelten für einen Mann der in Karenz gehen möchte oder nicht besser verdient als seine Kolleginnen genauso, wie für eine Frau, die keine Kinder bekommen will, deren Partner in Karenz geht oder die besser verdient als ihre männlichen Kollegen. Auf jeden Fall müsste der Mann mit 18 Jahren zum Dienst, die Frau aber nicht. (Und das hat durchaus finanzielle Folgewirkungen.)

Auf individueller Ebene ist es sogar ein wenig perfide. Männer können nicht zuerst in Karenz gehen, um sich hinterher den Präsenzdienst zu ersparen. Die zeitliche Abfolge lässt das nicht zu. Progressive Männer werden also mehrfach belastet, die anderen scheren sich weiterhin nicht um Gleichstellung (und erhalten damit auf ewig die Statistik aufrecht, mit der Frauen sich der Wehrpflicht verwehren wollen).

Hier ist also genug Platz für individuelle Ungerechtigkeit, während wohlgemerkt die statistische Ungerechtigkeit in den anderen Bereichen dadurch nicht angetastet wird.

Bärendienst-Argument

Der rein männliche Präsenz- oder Zivildienst ist demnach eben einfach kein Ausgleich für diese anderen Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern. Er ist eine Ungerechtigkeit, die für sich selbst steht. Im Sinne der Gleichberechtigung tut man auch gut daran, es gar nicht erst als Ausgleich darzustellen. Denn wäre der Zivil- oder Präsenzdienst ein solcher Ausgleich, dann würden diese Ungerechtigkeiten ja durch ihn legitimiert. Warum sollten Männer noch in Karenz gehen, wenn sie schon Zivil- oder Präsenzdienst geleistet haben? Eine Frage, die der Gleichstellung der Frau eher einen Bärendienst erweisen würde.

Ein Blick zurück zeigt ja auch: Die männliche Wehrpflicht ist natürlich nicht aus einer frauenpolitischen Maßnahme heraus entstanden. Es lässt sich eher das Gegenteil vermuten. Sie passt perfekt zu einem konservativen Rollenbild, das Frauen fürs Kinderkriegen und die Hausarbeit zuständig macht. Da dieses Rollenbild (zum Glück) Schritt für Schritt im Orkus versinkt, darf man halt auch nicht an den wenigen bequemen Aspekte dieser Rollenverteilung festhalten.

Für Frauen lohnt sich der Blick nach vorne

Entscheidet sich das Volk am 20. Jänner für die Wehrpflicht, wird das wohl früher oder später zum Frauenthema werden. Einerseits gibt es rechtliche Fragen, die im Sinne der Gleichbehandlungsprinzipien dafür sprechen könnten. Am Gerichtsweg in Österreich wäre das zwar ohne Chance, da männliche Wehrpflicht und Gleichstellung in Österreich gleichberechtigt im Verfassungsrecht stehen. Es wäre aber immer noch eine Klärung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich. Man muss kein Hellseher sein um zu sagen: Früher oder später wird sich zumindest eine Gruppe von radikalen Männerrechtlern dafür interessieren, diese (wenn auch nur kleine) Möglichkeit zu nutzen.

Alternativ könnte es aber auch ganz einfach politische Änderungen geben. Im Vorfeld der Volksbefragung traut sich die SPÖ da keine Ankündigungen zu, ergibt sich aber in Andeutungen „sich das anzusehen“ oder „es zu prüfen“. Auch deshalb, weil Konkretes nicht ganz unberechtigt als Drohung und erpresserische Verzweiflungstat gedeutet würde. Die ÖVP und FPÖ hingegen wollen natürlich keinesfalls den Eindruck erwecken, diese Idee auch nur in Erwägung zu ziehen. Beide befürworten schließlich die Wehrpflicht, und da will man lieber keine Mobilisierung der wohl eher zu Berufsheer tendierenden Frauen heraufbeschwören. Nachdem die Parteien ihre „grundsätzliche Beweglichkeit“ zum Thema Wehrpflicht in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen haben, kann man sich den Wert der derzeitigen Beteuerungen ja selbst vorstellen. All das, was jetzt passiert, ist halt Wahlkampfgeplänkel.

Von manchen PolitikerInnen (auch der ÖVP) kommen aber bereits entsprechende Forderungen und erste Annäherungen. Auf die Politik werden nämlich in den nächsten Jahren konkrete, demographische Probleme zukommen, wenn es bei der Wehrpflicht bleibt. Bereits 2015 sollen zu wenige Grundwehrdiener zur Verfügung stehen. Beim Blick in die Zukunft scheint es naheliegend, dass man irgendwann die Zahl der Wehrpflichtigen einfach verdoppelt, indem man sie um die Frauen erweitert.

Fotocredits: tellmewhat2, CC2.0 BY-NC-SA

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