Vor einer Woche hat Österreich gewählt, seit einigen Tagen kennen wir auch das Endergebnis der Nationalratswahl 2013, das mitunter auch noch deutlich von dem des Wahlabends abweicht. Zeit sich analytisch dem tatsächlichen Ergebnis zuzuwenden.
Das österreichische Gesamtergebnis. Der absolute Gewinner ist die SPÖ vor der ÖVP, FPÖ, den Grünen, dem Team Stronach und den NEOS. Der relative Gewinner ist das Team Stronach (+5,7), vor der FPÖ (+3), den NEOS (+2,9 gegenüber dem LIF 2008), den Grünen (+2), Piraten (+0,8) und der KPÖ (+0,2). Übrigens liegt dieses Ergebnis trotz der späten Entscheidung vieler Menschen und der späten Erhebung der NEOS innerhalb der Schwankungsbreite der Meinungsumfragen vor der Wahl.
Historischer Vergleich: Nur Grüne mit Rekordergebnis
Werfen wir einen Blick auf die absolute Anzahl an Stimmen und historische Dimension der Nationalratswahl 2013.
Die einzige Partei, die in der Tradition ihrer Partei einen Rekord an Stimmen erzielen konnte, sind die Grünen. SPÖ und ÖVP sind ohnehin weit weg von ihren besten Zeiten. Aber auch die FPÖ hat bereits drei Mal mehr Stimmen als 2013 erhalten (das Lager der Rechtsparteien kombiniert erreicht ebenfalls „nur“ sein drittbestes Ergebnis) und sogar die NEOS blieben unterhalb der LIF-Ergebnisse von 1994 und 1995. Einen Rekord gab es noch an „Anderen“ Stimmen. Der Erstantritt der Piraten macht dafür noch recht wenig aus, das Team Stronach ist dafür natürlich verantwortlich.
Die Zahl der Wähler ist stabil
Dass nur eine Partei mehr Wähler als je zuvor ansprechen konnte ist insofern beachtlich, als dass bei dieser Wahl wieder einmal mehr Menschen wahlberechtigt waren als je zuvor. Verantwortlich für dieses Paradoxon ist das Auseinanderdriften zwischen Wahlberechtigten und gültigen abgegebenen Stimmen.
Die Zahl der Menschen, die wählen gehen, ist seit den 1970ern ungefähr konstant, allerdings gehen immer mehr Menschen nicht wählen. Interessant ist, dass die schwächer werdende Mobilisierung zu Nationalratswahlen mit dem Eintritt der Grünen und des Erstarkens der FPÖ unter Jörg Haider zusammenzufallen scheint. Dieser Trend scheint und auch vom Auftauchen mancher Protestliste und den liberalen Parteien nicht umkehrbar. Seltsame Auswirkung: Je mehr Auswahl an Parteien es gibt, desto mehr Nichtwähler.
Das neue Parlament
Die Bedeutung des 2013er-Ergebnisses für das Parlament ist an Mandaten gemessen folgendermaßen.
Rein rechnerische Mehrheiten haben Rot-Schwarz, Rot-Blau, jede Dreierkoalition mit Schwarz-Blau und jede Viererkoalition, solange die SPÖ dabei ist. Der Ankündigung von SPÖ, Grünen und NEOS folgend, dass sie mit der FPÖ nicht koalieren wollen, bleiben ungeachtet aktueller taktischer Debatten Rot-Schwarz und Schwarz-Blau-Stronach die einzigen realistischen Optionen. Der experimentelle Viererspa Rot-Grün-Stronach-NEOS hätte ist auch eher eine rechnerische als realistische Mehrheit.
Die Bundesländer sind sehr unterschiedlich
Aber Österreich hat nicht überall gleich gewählt. Hier die Resultate der einzelnen Bundesländer.
Dasselbe noch einmal anders sortiert, um besser zu zeigen, in welchen Bundesländern die einzelnen Parteien besonders gut abgeschnitten haben.
Sehr interessant sind immer wieder auffällige Ausreißer einer Partei. So hat die SPÖ im Westen nichts zu melden, während die ÖVP in Wien und Kärnten keine Großpartei ist. Die FPÖ erreicht überall ein recht konstantes Ergebnis, reisst nur in der Steiermark (wohl wegen der Protestwahl gegen die Rot-Schwarze Landesregierung – dazu hat Martin Blumenau Interessantes geschrieben) nach oben hin aus. Die Grünen sind unterschiedlich stark und haben außerhalb Wiens in Ostösterreich keine tollen Ergebnisse. Sie brauchen vor allem im Burgenland noch einen dickeren Fuß in der Tür. Dort ist gleichzeitig und vermutlich damit zusammenhängend die SPÖ als einzige Partei, die überhaupt in einem Bundesland noch mehr als ein Drittel der Stimmen erhält. Team Stronach hätte in Wien den Einzug in den Nationalrat verpasst und ist in der Steiermark besonders stark. Die NEOS hingegen sind in Vorarlberg beheimatet, würden aber fast in halb Österreich nicht über die 4%-Hürde kommen. Das BZÖ ist nicht dabei, weil es in acht Ländern unter der Hürde liegt, nur in Kärnten immer noch ein zweistelliges Ergebnis einzufahren, hat nicht genügt. Weil BZÖ und Team Stronach wohl kein erneutes, sinnvolles Antreten schaffen werden, ist davon auszugehen, dass das einwohnermäßig kleine Kärnten und die größere Steiermark 2018 aus diesen Gründen besonders umkämpfte Battlegrounds werden, wo diese besonders viele Wähler fanden. Den Piraten fehlt konstant eine Flächenorganisation. Der KPÖ geht es nur in der Steiermark und in Wien etwas besser, wobei auch in der steirischen Hochburg das Protestpotential nur bei Landtagswahlen signifikant nach links zu wandern scheint.
Koalitionen und Lagerblöcke
Wie steht es um Koalitionsmöglichkeiten in den einzelnen Bundesländern?
Rot-Schwarz hat nur in vier Bundesländern eine Stimmenmehrheit, Schwarz-Blau nur in Tirol, Rot-Blau in der Steiermark, Rot-Grün und Schwarz-Grün nirgends eine (womit auch geklärt wäre, warum sich Parteien jedwede Koalitionsansage vor der Wahl erspart haben). Und die Rechtsparteien (BZÖ + FPÖ) zusammen kratzen nirgendwo an den 30 Prozent. Sie wären auch gemeinsam nur in der Steiermark an erster Stelle. Und selbst wenn man einen Block „Rechts-Stronach“ bildet (obwohl das aus rechter Perspektive sehr optimistisch wäre, weil Stronach in den Wählerstromanalysen z.B. der SPÖ gleich viel wie der FPÖ gekostet hat), kommt diese Rechts-Koalition nur in den Sonderfällen Steiermark und Kärnten auf das Ergebnis der Sperrminorität für Verfassungsfragen, von dem HC Strache noch vor einem Jahr so lautstark und vollmundig geträumt hat. In sieben Bundesländern bliebe diese fiktive Partei unter 30 Prozent.
Eine verspätete Ergänzung erreichte uns von Markus Wallisch und Rudolf Titl. So stünden die Koalitionsmöglichkeiten auf Gemeindebasis nach dieser Wahl. Sucht euer Nest und habt Spaß!
Eine größere Version der Karte gibt es hier
PS: Nachdem die Zahlen allesamt händisch eingegeben wurden, ist jeder Hinweis auf einen möglichen Fehler willkommen. 😉