Nach Angaben der Israelitischen Kultusgemeinde sind antisemitische Vorfälle in Österreich stark im Zunehmen begriffen. Eine Beobachtung, die kürzlich aufgrund eines aktuellen Ereignisses wieder rezitiert wurde. Was war passiert? Der Bewohner eines Wiener Wohnhauses hatte sich daran gestört, dass sein Nachbar eine Israel-Flagge vor sein Fenster und ein religiöses Symbol des Judentums (eine Mesusa) an seine Eingangstüre gehängt hatte.
Das Problem: Hausverwaltung und Vermieter gingen allen Ernstes auf die anonyme Beschwerde ein, sogar die Kündigung des Mietverhältnisses wurde angedroht. Jemand möge bitte diese schwere Idiotie stoppen. (Update: Die Hausverwaltung hat mittlerweile erklärt, der Entfernungswunsch wäre von einer Urlaubsvertretung „unkritisch“ weitergeleitet worden, es soll aber keine Androhung einer Vertragsauflösung gegeben haben.)
Israel-Flagge ist nicht gleich Israel-Politik
Dazu folgende Dinge: Erstens, die Israel-Flagge wurde nach Aussage des Beschwerdeopfers als Unterstützungsgeste für Israel beim Eurovision Song Contest angebracht. Und nicht aus politischen Gründen. Zweitens: Die Flagge eines Landes ist ohne weiterem Kontext einmal nichts anderes als die Flagge eines Landes. Sie ist nicht gleichzusetzen mit dem Judentum und auch nicht per se mit der Politik Israels. Denn die kann sich je nach amtierender Regierung drastisch ändern.
Einer meiner Facebook-Kontakte postete, dass der davon pikierte Nachbar ja vielleicht ein aus dem Gazastreifen geflohener Palästinenser sein könnte, dessen Haus von der israelischen Luftwaffe zerbombt wurde. Klar, das ist eine von vielen Möglichkeiten. Allerdings ist sein Nachbar dafür nicht verantwortlich und die Flagge drückt auch nicht aus, dass er so etwas gut findet. Außer er würde ein „Fuck Palestine“-Schild dazuhängen, was nicht der Fall ist.
Religionsfreiheit gilt für private Wohnungstüren
Während ich die Entfernung von Kreuzen aus öffentlichen Schulen sehr begrüßen würde, halte ich eine Mesusa (oder Kreuze, Halbmonde und Zeichnungen des fliegenden Spaghettimonsters) an der Türe einer Privatwohnung für kein Problem. Sie wird von der Religionsfreiheit gedeckt, ohne dass man diese dafür besonders großzügig interpretieren müsste. Auch ein möglicherweise von kriegsartigen Ereignissen traumatisierter Palästinenser könnte daran vorbeigehen und sie ignorieren. Sonst liegt das Problem bei ihm selbst.
Zur ungeklärten Identität des Beschwerdeführers, der sich nie persönlich an seinen jüdischen Nachbarn gewandt hat, lassen sich auch ganz andere Vermutungen anstellen. das verdeutlicht vielleicht auch, wie absurd es ist, gegen Flagge und Mesusa vorzugehen. Statt einem seelisch gezeichneten Gaza-Flüchtling könnte es sich nämlich genauso um einen ganz ordinären Neonazi handeln. Just think about it.
Foto: Zachi Evenor / CC BY 2.0