Sie stehen schon ein wenig mit heruntergelassenen Hosen da, die Demokraten, nach der Wahlniederlage von Hillary Clinton. Da ja gefühlt seit vier Jahren klar war, dass sie die Partei in die Obama-Nachfolge führen soll, versuchte es bis auf Bernie Sanders niemand auch nur, wirklich eine Führungsrolle in der Partei zu übernehmen.
Und jetzt das. Die Frage, die sich jetzt stellt: Wie und mit wem wollen die Demokraten das Weiße Haus in vier Jahren zurückerobern? Hier ein Blick auf, wenn man so will, die Personalreserve der Demokraten.
Die Altersstruktur
Spannend ist, dass in den 16 letzten Wahlen (also seit 1952, als sich die Nachkriegsordnung einigermaßen etabliert hatte), der demokratische Kandidat nur zweimal älter war als sein republikanischer Gegner (LBJ 1964 und Kerry 2004).
Derzeit aber liegt das Durchschnitts-Alter der Demokraten im Repräsentantenhaus bei 62 Jahren – die republikanischen Abgeordneten sind im Schnitt fünf Jahre jünger, bei den nach 1975 geborenen Mitgliedern stellen sie sogar zwei Drittel. Auch im Senat waren die Demokraten bis vor der Wahl zwei Jahre älter, in der neuen Besetzung wurde hier aber bei 62 Jahren „ausgeglichen“.
Woher rekrutierten sich die demokratischen Kandidaten?
In den Nach-Weltkriegs-Wahlen gab es nur drei Wege, als Demokrat eine Nominierung zu erhalten.
- Als Vertreter der aktuellen oder einer vergangenen Regierung (amtsinhabende Präsidenten bzw. Vize-Präsidenten).
- Als aktueller oder ehemaliger Gouverneur eines Bundesstaates (Stevenson 1952 und 1956, Carter 1976, Dukakis 1988 und Clinton 1992).
- Als aktueller oder ehemaliger Senator (Kennedy 1960, McGovern 1972, Kerry 2004, Obama 2008 und Clinton 2016)
Quereinsteiger versuchten es zwar immer wieder, aber bis auf Reverend Jesse Jackson in den 1980ern war niemand auch nur in Schnupperdistanz für eine Nominierung. Auch aus dem Repräsentantenhaus gibt es so gut wie nie Kandidaturen, weil dieses eher eine Vorstufe zum Senat ist, karrieretechnisch gesehen.
Die Altersfrage
Nun können zwar solche Runs nicht ausgeschlossen werden – siehe Trump – sie können aber auch nicht vorhergesehen werden. Ob sich Michelle Obama (erstens) dazu breitschlagen lassen würde und ob das (zweitens) überhaupt eine gute Idee wäre, steht auf einem anderen Blatt Papier. Also, wer sind mögliche (oder weniger mögliche) demokratischen Kandidaten für 2020?
Erinnern wir uns: Demokratische Kandidaten sind fast immer jünger als ihre GOP-Gegner (und ja, natürlich werden sie auch in vier Jahren jemanden ins Rennen schicken, der jünger ist als 74 Jahre), umso mehr die wirklich erfolgreichen. Gehen wir also mal davon aus, dass ein Front Runner eher nicht älter als 55 Jahre sein würde, also heute maximal um die 50 sein sollte.
Das würde zum Beispiel Senatorin Elizabeth Warren (67), die ja einige jetzt schon nicht ungerne gesehen hätten, ebenso ausschließen wie Bernie Sanders (75).
Die drei wohl spannendsten Kandidaten
Wenn wir die Auswahl mal auf eine Handvoll Leute runterbrechen, würde man mit hoher Wahrschenlichkeit recht schnell auf Kamala Harris (52) kommen. Die frisch gewählte Senatorin war in den letzten fünf Jahren General-Staatsanwältin in Kalifornien und damit quasi „Top Cop of the State“, wie sie selbst sagt. Die Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters, die aktive Mitglieder der Civil-Rights-Bewegung waren, hat ein durchaus staatstragendes Auftreten, wirkt dabei aber angenehm un-abgehoben. Sie kann sich glaubhaft als „Law & Order mit menschlichen Zügen“ verkaufen und gleichzeitig auf ihre toughe Verhandlungs-Führung mit Banken in der Wirtschafts-Krise verweisen. Sie strahlt dabei aber auch genau jene Wärme, jenes Charisma und jenen Kampfgeist aus, der Hillary Clinton völlig fehlte.
Dann wäre da Cory Booker (47) aus New Jersey. Der schwarze Glatzkopf – unterhaltsam in Interviews, mitreißend in Reden, und mit einem an Obama erinnernden Humor ausgestattet – war schon mit 37 Jahren Bürgermeister von New Jerseys größter Stadt Newark. Er war nie verheiratet und er macht sich selbst einen Spaß daraus, mit Gerüchten zu spielen, er wäre schwul. Booker ist Veganer und trinkt keinen Tropfen Alkohol. Sowohl in New Jersey (Booker ist ein guter Freund von Governeur Chris Christie) als auch im Senat ist ihm eine gesunde Kooperations-Basis mit den Republikanern wichtig. Was gegen ihn spricht: Ein unverheirateter, linker Schwarzer, der womöglich auch noch schwul ist: Für praktisch jeden Wähler, der in Richtung konservativ tendiert, wäre Booker ein absolutes No-Go.
Wenn man Trump in vier Jahren mit einem TV-erfahrenen Kandidaten mit einem, nun ja, bunten Privatleben entgegen treten möchte, wäre Gavin Newsom (49) eine Möglichkeit. Der Vize-Gouverneur von Kalifornien war bereits mit 36 Jahren Bürgermeister von San Francisco und blieb es bis zu seinem Umstieg in die Regierung vor sechs Jahren. Der jugendhafte und gutaussehende Newsom – ein vehementer Befürworter von Homo-Ehe und Legalisierung von Marihuana – war mit einer Fox-News-Mitarbeiterin verheiratet, bis diese Ehe schmutzig endete. Außerdem hatte er bereits eine eigene TV-Sendung. Was gegen eine Präsidenten-Kandidatur 2020 spricht: Er will (natürlich) 2018 Gouverneur von Kalifornien werden, wenn Jerry Browns Amtszeit endet. Es besteht kaum ein Zweifel, dass der außergewöhnlich beliebte Newsom diese Wahl gewinnen wird. Und diesen Posten gleich wieder verlassen?
Die Gouverneure
Auf Gouverneurs-Ebene sieht es bei den Demokraten ansonsten eher dünn aus. Derzeit verfügen sie über 18 Regierungs-Chefs in den einzelnen Bundesstaaten (gegenüber 31 Republikanern und einem Unabhängigen). Und die wenigsten davon sind wirklich jung.
Eine interessantere Möglichkeit wäre etwa Gina Raimondo (45), die Gouverneurin von Rhode Island. Sie ist eine Pragmatikerin durch und durch und damit das genaue Gegenteil von Trump: Raimondo nimmt lieber einen kurzfristigen Schaden in Kauf, anstatt längerfristig die Folgen ausbaden zu müssen. Sie ist eine angesehene Fachpolitikerin – aber die Optimalbesetzung in einem Wahlkampf gegen den impulsiven und grobschlächtigen Trump ist der zierliche Kopfmensch eher nicht. Eine gute Option als Vize-Kandidatin auf dem Ticket ist Raimondo aber sicher.
Deval Patrick (60) ist zwar schon relativ alt. Aber als Ex-Gouverneur von Massachussetts hat der schwarze Politiker hohe Beliebtheitswerte und eine starke Bilanz vorzuweisen. Er ist außerdem ein mitreißender Redner und gilt als starker Wahlkämpfer, manche seiner Reden könnten vom Stil her auch von John F. Kennedy sein. Was gegen ihn spicht: Er hat sich aus der Politik zurückgezogen und arbeitet nun ausgerechnet in einer Bank, die Mitt Romney mitbegründet hat. Außerdem hatte er eine Kandidatur 2016 kategorisch ausgeschlossen. Womöglich aber auch nur, weil er dachte, dass direkt Obama eher kein weiterer Schwarzer folgen würde.
Es gibt auch noch zwei demokratische Gouverneure in klassischen republikanischen Staaten: John Bel Edwards (50) in Louisiana und Steve Bullock (50), der in Montana sogar schon einmal wiedergewählt wurde. Edwards aber ist von seinen Positionen her (Abtreibung, Gun Control) eher auf konservativer Linie und versteht sich gut mit Trump – er wäre also für viele Stadt- und Küsten-Demokraten unwählbar – und Bullock ist einfach zu farblos.
Alle anderen Gouverneure der Demokraten sind entweder zu alt, zu uncharismatisch oder haben es schon versucht – so wie 2016 Martin O’Malley (Maryland) und Lincoln Chaffee (Raimondos Vorgänger in Rhode Island). O’Malley hat schon nach der ersten Vorwahl aufgegeben und Chaffee hat sich mit unbeholfenen Auftritten eher blamiert als profiliert.
Die Senatoren
Mitglieder des Senats haben keine unmittelbare Regierungsverantwortung, sind aber mit so gut wie allem befasst, was in Washington so vor sich geht – sie sind also oft profilierter in außenpolitischen Fragen und auch nicht selten so etwas wie Sprachrohre in eigener oder parteipolitischer Sache.
Neben Harris und Booker hat auch Chris Murphy (43) bereits eine steile Karriere hinter sich: Mit 27 im Bundesstaats-Parlament von Massachussetts, mit 34 ins US-Repräsentantenhaus gewählt, mit 39 Senator. Er kann allerdings nicht verhindern, dass er bei aller Jugendhaftigkeit wie ein gestriegelter, karrieregeiler Streber wirkt. Außerdem nimmt er es mit dem Zahlen von Steuern und dem Bedienen privater Kredite nicht so genau. Das ist nicht hilfreich.
Chris Coons (53) aus Delaware war in der Reagan-Zeit aktiver Republikaner und ist studierter Theologe – er wäre eine mögliche Option, wenn die Demokraten republikanische Wähler ansprechen wollen, denen Trump nicht ganz geheuer ist, er wäre aber auch sicher vielen demokratischen Stammwählern nicht ganz geheuer. Martin Heinrich (45) aus New Mexico ist von seinen Positionen her recht weit links (um Scharen von Wechselwähler anzusprechen womöglich zu weit links) und er spricht eher wie ein Anwalt als wie ein Maschinentechniker – obwohl er eigentlich ein Maschinentechniker ist. Das könnte wiederum ein Argument sein, wenn es um eine gewisse Volksnähe gilt.
Kirsten Gilliband (49) aus New York fehlt es ein wenig an der natürlichen Ausstrahlung, um einen Instinktmenschen wie Trump aushebeln zu können. Michael Bennett (51) aus Colorado trägt als Hypothek seine Vergangenheit als Investment-Banker mit sich herum, und, dass schon sein Vater im Weißen Haus gearbeitet hat – in Zeiten, wo viele die Nase voll von Washington haben, nicht direkt ein Verkaufsargument.
Etwas „outside the box“ wäre Tammy Duckworth (48). Die frisch gewählte Senatorin aus Illinois (die Nach-Nachfolgerin von Barack Obama in dieser Position) ist Lieutenant Colonel der US Army und wurde als Helikopter-Pilotin im Einsatz im Irak abgeschossen und verlor dabei beide Beine. Ein demokratischer War Hero wäre ein starkes Argument für tendenziell konservative Wechselwähler. Aber bei Duckworth gilt – wie natürlich für alle anderen hier angeführten Namen – die Grundsatz-Frage: Will sie überhaupt?
Das Haus, die Regierung, das Militär und die Minderheiten
Traditionell bewirbt sich aus dem Repräsentanten-Haus niemand direkt für die Präsidentschaft, aber sehr viele spätere Kandidaten gingen durch das Haus. Derzeit sitzt dort etwa Joe Kennedy (36), Enkel des 1968 am Weg zur Nominierung erschossenen Robert Kennedy und damit Großneffe von JFK.
Aus der Regierungsmannschaft von Barack Obama wird es kaum jemanden geben, der sich ernsthaft um die nächste Präsidentschaft bemüht – auch, weil ein Ministerial-Amt praktisch nie der Weg zur Präsidentschaft ist. Außenminister John Kerry (72) war schon mal dran, Vizepräsident Joe Biden (73) hat es diesmal nicht einmal ernsthaft versucht, Verteidigungs-Minister Ashton Carter (62) ist eher Diplomat als Politiker.
Julian Castro (42) ist Wohnbau-Minister und war Bürgermeister von San Antonio. Er könnte als Texaner mit mexikanischen Wurzeln die Latino-Bevölkerung in den Südstaaten ansprechen, was ihn zu einem interessanten Vize-Kandidaten macht.
Auch die Abgeordneten Pete Aguilar (37) und Ruben Gallego (36) können Hispanic Roots vorweisen, Gallego diente überdies als Marine im Irak-Krieg. Er ist jetzt einer der lautesten Kritiker eines Kuschelkurses mit Trump.
Als Marine diente auch Tulsi Gabbard (35): Die auf US-Samoa geborene Hawaiianerin war Bernie Sanders’ offizielle Vize-Kandidatin auf den Wahlzetteln in Kalifornien.
Noch lange hin
Ja, natürlich, bis zur Wahl am 3. November 2020 sind es noch vier Jahre und es gibt noch jede Menge anderer Kandidaten, die hier aber vor allem aus Altersgründen keine nähere Erwähnung fanden.
Es kann auch sein, dass es die GOP bis dahin unter dem Gravitations-Einfluss von Trump vollends zerbröselt, dass sich seine Amtszeit in eine völlig unerwartete Richtung entwickelt, dass es Einflüsse von Außen gibt (Anschläge, Kriege, etc.) oder, dass Trump – der ja auch nicht mehr der allerjüngste ist – die Wahl 2020 womöglich gar nicht mehr erlebt und Mike Pence als Amtsinhaber in die Wahl geht.