Österreich drängt unter der Führung von Außenminister Sebastian Kurz auf ein Ende der EU-Beitrittsgespräche mit der EU. Dass die Türkei darauf scharf reagiert, ist nachollziehbar – bei allem Unverständnis für die Vorgänge dort sonst. Zeitgleich ist eine Gesprächsverweigerung mit einem wichtigen EU-Mitglied, bis dieses irgendwie von selbst „vernünftig wird“, auch nicht wirklich ein überzeugendes Signal, dass die Türkei tatsächlich ein guter Partner innerhalb der EU wäre.
Eine realistische Beitrittsmöglichkeit der Türkei gibt es auf absehbare Zeit natürlich nicht. Die gegenwärtige dortige Regierung – die breit unterstützt zu werden und nicht vor der baldigen Ablöse zu stehen scheint – hat auch keine glaubwürdige Antwort, wie sich das ändern soll. Im Gegenteil, der Kurs geht in die andere Richtung. Die EU scheint darüber hinaus noch länger nicht aufnahmefähig und muss erst mit sich selbst wieder ins Reine kommen.
Dennoch gibt es Gründe, die Beitrittsgespräche nicht gänzlich abzubrechen. Diese sind vor allem strategischer und taktischer Natur: Etwa um die erwartbaren Reaktionen bei der Lösung der Zypern-Frage, dem Flüchtlingsdeal und auf anderen politischen Gebieten zu vermeiden. Und um eine Option in einer sehr langfristige Perspektive nicht auszuschließen. Das klingt vielleicht für manche zu diplomatisch, aber ist durchaus bedeutend.
Es ist verständlich, warum man den Beitritt nicht mehr für realistisch und deshalb die Verhandlungen darüber für eine unnötige Farce halten kann. Trotzdem wäre es bei nüchterner Betrachtung besser, die Gesprächsbereitschaft aufrecht zu erhalten. Wenn man dazu rein formal alle Optionen offen halten muss, dann soll es eben so sein.
Solange klar bleibt, dass sich in der Türkei über Jahrzehnte viel (und mehr als zu früheren Zeitpunkten) ändern müsste, damit das jemals Realität werden kann, soll die Option in weiter Ferne sichtbar bleiben. So ehrlich, dass das unwahrscheinlich scheint, darf und sollte man sein. Wenn der Türkei diese Perspektive nicht genügt, muss sie die Gespräche aber von ihrer Seite aus beenden. Die EU und Österreich würden durch eine Veränderung ihrer Haltung nichts gewinnen – außer vielleicht etwas politisches Kleingeld für einzelne Minister.
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