Na, schon genug von Donald Trumps Präsidentschaft? Schlechte Nachrichten: Von den 197,5 Wochen zwischen Angelobung und der nächsten Wahl sind noch 196 Wochen übrig.
Wer in den letzten Tagen die Nachrichten verfolgt hat, dem wird der Eindruck vermittelt: Da wird so wirr links, rechts, vorne und hinten jeder vor den Kopf gestoßen, dass es für Trump schon ein Erfolg wäre, überhaupt die vier Jahre durchzuhalten – geschweige denn, 2020 wiedergewählt zu werden. Well, nochmal schlechte Nachrichten: Trump, Pence, Bannon, Conway, Priebus und Co. wissen sehr genau, was sie tun. Und in ihrem Sinne machen sie alles richtig und sie marschieren mit Vollgas zur Wiederwahl.
Trump lebt vom Protest
Jeder internationale Aufschrei, jeder Protestmarsch, ja sogar jedes Gerichtsurteil gegen die Trump-Dekrete, jeder Schauspieler bei einer Award-Gala, auch jede opponierende Wortmeldung von Demokraten und auch von Republikanern ist richtig und wichtig. All das ist aber auch genau, was die Trump-Regierung braucht, wovon sie lebt, womit sie ihr Narrativ bestätigen kann: „Schaut her: All die Eliten im In- und Ausland, das Establishment, die Stars und die Städter, sogar die Juristen – sie tun weiterhin alles, um meine Politik und damit euren Willen zu verhindern.“
Der komplette Einreise-Stopp für Menschen aus Iran, Irak, Sudan, Jemen, Libyen, Somalia und Syrien wird nicht einen einzigen Anschlag verhindern (eher im Gegenteil). Trump und Bannon wissen das natürlich. Aber um Terrorismus ging es auch nie. Es ging darum, seinen Wählern zu zeigen: Wir tun, was wir gesagt haben, und wir tun es schnell. Dann noch schnell ein paar muslimische Länder suchen, die für die wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA weitgehend irrelevant sind – und voilà.
Seht her: Ich packe an, was ich angekündigt habe
Dass die Liste im konterterroristischen Sinn in höchstem Maße unlogisch ist – der schiitische Iran, der ein großes Interesse an der Schwächung des sunnitischen IS hat, ist etwa vertreten; Saudi-Arabien als streng-islamisches Nest aller möglichen extremistischen Splittergruppen aber nicht – ist völlig irrelevant. Genauso, dass die illegale Einwanderung aus Mexiko so niedrig ist wie seit der Nixon-Zeit nicht mehr und die Drogen alle über reguläre Grenzen in die USA geschmuggelt werden. Trump sagte, es würde eine Mauer geben, und die gibt es auch. I said, I delivered. Period.
Und man wird die Uhr danach stellen können: Demnächst werden die Wählerrechte dran sein (Stichwort „Voter Fraud“), das Aufkündigen des Nuklear-Deals mit dem Iran wird ebenso eingeleitet wie das Ende von TTIP, TPP und NAFTA. Und in dem Moment, in dem Trump doch irgendwann sein altes Samsung Galaxy S3 hergibt, wäre ich mir als Hillary Clinton auch nicht mehr so sicher, dass er mir nicht doch noch Ermittler an die Fersen setzt.
Nichts von seinen Vorhaben muss zwingend voll durchgezogen werden. Einiges wird von den Gerichten kassiert werden (wobei, nicht vergessen, bald kommt ein neuer Höchstrichter, der den Supreme Court merklich in Trumps Richtung verschieben wird), manches wird nicht durch den Kongress kommen, manches wird auch einschlafen. Aber alleine das Tempo, das Trump gleich zu Beginn vorlegt, wird seine Kernwählerschaft in ihrer Wahl für Trump bestätigen: „Endlich mal einer, der wirklich anpackt, was er verspricht“ – kein mühsames Ringen um Kompromisse und um jeden Punkt und Beistrich, sondern gleich in die Vollen.
„Die Linken“ leiden? Gut so!
Natürlich wird die Zahl an Touristen, die die USA aus Protest gegen die Trump-Regierung während seiner Amtszeit boykottieren, steigen. Aber das wird in erster Linie die Bundesstaaten New York und Kalifornien betreffen – also tief-demokratische Staaten. Und dem Farmer aus Nebraska ist es bestenfalls völlig egal, wenn den Städtern von den Küsten, von denen er sich als bedauernswerter Hinterwäldler verspottet sieht, die Einnahmen wegbrechen. Im Gegenteil, er wird es nur als fair betrachten.
Für den Kumpel aus den Kohleregionen in West Virginia, der in x-ter Generation im Bergbau beschäftigt ist, bedeuten Maßnahmen zum Klimaschutz und in Richtung erneuerbarer Energien existenzbedrohende Anschläge auf seine Lebensgrundlage. Die ehemaligen Arbeiter aus den GM-Werken in Michigan vegetieren seit der Abwanderung der Produktion nach Mexiko nicht nur arbeitslos und vergessen vor sich hin, sie müssen auch noch verbleites Wasser trinken und von der Obama-Regierung kamen maximal Lippenbekenntnisse. Und so weiter.
Andererseits spekuliert Trump darauf, dass sich die großen Konzerne mit vielen Job in der Manufaktur – exemplarisch sei hier die Auto-Industrie genannt – im Zweifel lieber doch mit Werken in den USA niederlassen. Um zwar teurer zu produzieren, aber nicht zu riskieren, wegen Einfuhrzöllen und schlechtem Image im gigantisch wichtigen US-Markt marginalisiert zu werden. Ein Anstieg der Jobs im Niedriglohn-Segment ist alles andere als eine Illusion. Genau das war ja eine der Kern-Wahlmotive für Trump.
Test für die Zivilbevölkerung
Proteste wie der Women’s March oder die spontanen Demonstrationen etwa am New Yorker Flughafen JFK sind ein Zeichen, dass sich viele Menschen in den Staaten nicht jeden Blödsinn gefallen lassen und es ist davon auszugehen, dass die Protestbereitschaft nicht abnimmt. Die Präsidentschaft von Donald Trump wird für die Nachwelt untrennbar mit einer großen Widerstands-Bewegung verbunden bleiben.
Es darf sich aber niemand der Illusion hingeben, dass diese Proteste jene beeindrucken, die Trump gewählt haben. In Österreich hat man mit „Bahnhofsklatscher“ schon eine bemerkenswert abwertende Wortkreation geschaffen, in den USA wird es wohl bald auch noch schärfere Begriffe als den „Libtard“, also den weltfremden, zurückgebliebenen Liberalen, geben. Auch sie werden dem Schicksal, dass ihr Altruismus vom politischen Gegner als Volksverrat ausgelegt wird, nicht entfliehen können.
Demokraten sind gefordert
Die Republikaner in Haus und Senat werden sich nicht viel Widerstand gegen Trump leisten, weil sie wissen, dass sie zu einem großen Teil nur wegen Trump ihre aktuelle Machtposition innehaben. Umso mehr sind die Demokraten gefragt. Die sind aber immer noch fleißig dabei, sich selbst zu finden und sich dabei bemerkenswerte Löcher in ihre Knie zu ballern.
So wie Cory Booker, der sich zwar einerseits als neuer Obama und als Vertreter eines guten amerikanischen Gewissens positioniert, aber andererseits im Senat gegen Bernie Sanders’ Maßnahmen-Paket zur drastischen Verbilligung von Medikamenten stimmte – und gleichzeitig einer der größten Empfänger von Sponsor-Geldern aus der Pharma-Industrie ist. Sogar Ted Cruz (!) und John McCain haben für die Vorlage von Sanders gestimmt. Was nichts brachte, weil neben Booker noch zwölf andere Demokraten dagegen stimmten. Kirsten Gilliband stimmte als einzige Senatorin gegen sämtliche Kabinetts-Vorschläge des Trump-Teams, ihr Image als „Hillary in jung“ wird aber dadurch bekräftigt, dass sie die Konzern-Spender von Clinton quasi eins zu eins auf sich lenkt.
Weiterhin ist es auch Bernie Sanders, der gemeinsam mit Elizabeth Warren die „Establishment Democrats“ vor sich hertreibt, der als Themensetzer fungiert und auch nach dem Ende seiner Präsidentschafts-Kampagne nichts von seiner Feel-The-Bern-Energie eingebüßt hat.
Kalkuliertes Irrlichtern
Was also wie ein ignorantes Irrlichtern aussieht – und von so gut wie allen nennenswerten etablierten Medienhäusern mit Fassungslosigkeit quittiert wird – ist in Wahrheit ein extrem kalkuliertes Vorgehen, um den Rückhalt in der eigenen Wählerschaft zu stärken. Trump und Bannon sind absolute Medien-Profis und wissen genau, wie sie Happen in die Öffentlichkeit zu werfen haben, damit sich die Kunden von MSNBC, New York Times und Washington Post voller Inbrunst auf die Konsumenten von Fox News und Breitbart stürzen und sich diese dadurch in ihrem destruktiven Weltbild bestätigt sehen.
Wenn der erhoffte Job-Boom ausbleibt oder es die Trump-Administration anderweitig überzieht und/oder nur, wenn es den Demokraten gelingt, die „Corporate Democrats“ vom Schlage einer Hillary Clinton in die hinteren Reihen zu verfrachten, wird es 2020 möglich sein, dass Trump eine Wiederwahl verpasst.
Es wird aber nicht passieren, nur weil wir uns das wünschen und Trump für einen gefährlichen Irren halten. Remember 2004.
Titelfoto: Matt Johnson – CC2.0-BY-SA