Noch nie hat sich ein US-Präsident so früh in seiner Amtszeit mit seinem chinesischen Konterpart getroffen. Aber Donald Trump und Xi Jinping haben viel zu besprechen. Die Welt blickt heute gebannt nach Mar-a-Lago in Florida.
Wenn US-Präsident Donald Trump am Donnerstag seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping in seinem Luxusressort Mar-a-Lago empfängt, sind die Gesprächsthemen nicht rar. Neben der allgemeinen Wichtigkeit der bilateralen Beziehungen – die USA haben immerhin die NATO dazu gebracht, einen Gipfel zu verlegen, um sich voll auf den Besuch konzentrieren zu können – der zwei größten Volkswirtschaften der Welt, hat die aktuelle US-Regierung in den vergangenen Monaten genug dafür getan, um für Spannung zu sorgen.
Trump begann seine Amtszeit etwa mit einem Telefonat mit Taiwan, im Widerspruch zur Ein-China-Politik, die aus Sicht der Volksrepublik unverhandelbar ist. Das erzürnte die Chinesen, die später auch die unfreundliche Geste erdulden mussten, dass Trump ihre Neujahrsfeiern ohne Glückwünsche vorbeiziehen ließ.
Es gibt aber auch substantiellere Konflikte. Die USA erhöhten jüngst den Druck auf China im Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm. Wenn die Chinesen ihren Verbündeten nicht zum Einlenken bringen, könnte man auch unilateral etwas dagegen tun, sagte Trump. „China wird uns entweder mit Nordkorea helfen oder nicht. Wenn sie es tun, ist das sehr gut für China, wenn nicht, ist es für niemanden gut“, sagte Trump.
Wirtschaftliche Differenzen
Die USA und China waren wirtschaftlich noch nie so verwoben wie heute. Eine Studie zählte kürzlich beispielsweise 6677 US-Investments in China und umgekehrt 1200 chinesische Investments in den USA. Die Volumina dieser Verquickung wurden auf 228 bzw 64 Milliarden Dollar geschätzt.
Der Wirtschaftsberater des Präsidenten Peter Navarro ist seit langem Kritiker von China. Handelsdefizite stören den Wirtschaftsberater, der offenbar großen Einfluss auf Trumps Denken ausübt. Navarro ist Autor von Büchern mit klingenden Titeln wie „Death by China“ („Tod durch China“), oder „The Coming China Wars“ (Die kommenden China-Kriege).
Trump teilte im Wahlkampf oft genug gegen China aus, das sein Land wirtschaftlich „vergewaltige“. Er polterte auch in den vergangenen Wochen und nach der offiziellen Ankündigung von Xis Besuch noch wegen vorgeblich durch China verursachte US-amerikanischen Jobverluste und spricht immer wieder von neuen Tarifen von bis zu 45 Prozent für chinesische Importe. Das Wort Handelskrieg geistert durch Analysen.
Übrigens auch umgekehrt in China, denn das Land will bei der WTO 15 Jahre nach ihrem Eintritt als Marktwirtschaft anerkannt werden. Diese Anerkennung aber verweigern die USA (schon unter Barack Obama) und die EU. Die Haltung ist sachlich nicht schwer zu begründen, aber ärgert die Volksrepublik trotzdem. Das US-Handelsministerium kündigte erst vor wenigen Tagen eine Prüfung des Status an. Eine aus chinesischer Sicht positive Beurteilung scheint unwahrscheinlich.
Verfehlte Handelspolitik oder gar ein Handelskrieg zwischen den USA und China könnte die gesamte Weltwirtschaft massiv schädigen. Und Trumps ignorante Haltung zum menschengemachten Klimawandel (eine antiamerikanische Erfindung der Chinesen, wenn man seinen erratischen Tweets Glauben schenken mag) den 2015 für bahnbrechend gehaltenen Paris-Deal – der wesentlich auf erfolgreicher Diplomatie zwischen China und den USA beruhte – die Welt im Kampf dagegen weit zurückwerfen.
The concept of global warming was created by and for the Chinese in order to make U.S. manufacturing non-competitive.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 6. November 2012
Das wesentlich schrecklichere Gespenst spukt aber in Form eines Krieges durch so manchen Kopf. Zum Beispiel jenen von Trumps Chefstrategen und rechtsradikalen Ideologen Stephen Bannon (der just vor dem Meeting von seinem umstrittenen Posten aus dem National Security Council genommen wurde, man wird aber erst sehen, ob das seinen Einfluss tatsächlich schmälert): Bannon gilt als wichtigster Berater des Präsidenten und war noch vor weniger als einem Jahr davon überzeugt, dass es in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu einem Krieg zwischen den USA und China kommen wird.
Auslöser wäre seiner Ansicht nach der Konflikt über Chinas Ansprüche auf das Südchinesische Meer – durch das einige der wichtigsten Handelsrouten der Welt laufen. Wechselseitig rasseln die betroffenen Parteien mit ihren Säbeln, kündigen Patrouillen und Manöver an. China setzt auch beständige Taten: Es legt künstliche Inseln in der Region an, auf der es militärisches Gerät stationiert.
Eine militärische Konfrontation mag irrwitzig klingen und nicht von größter Wahrscheinlichkeit sein. Das ist jedoch nicht der einzige Konfliktherd zwischen den beiden Großmächten, der bei schlechtem Handling eskalieren könnte. Die USA könnten immerhin auch über Verbündete wie Japan und Südkorea in einen solchen hineingezogen werden, für die regionale Gebietsansprüche wesentlich größere Bedeutung haben, als für die Vereinigten Staaten. Eine Gefahr ist auch der stets mögliche Zusammebruch des Regimes in Nordkorea und das Vakuum oder der Konflikt danach. Trump versicherte 2015 im Wall Street Journal: „Wir werden das Militär aufbauen, das wir brauchen, um China einzudämmen, wo es im pazifischen Raum und im Südchinesischen Meer zu weit geht.“
Auch um Eskalationen wegen unbedachter Handlungen zu verhindern, hat die staatsnahe US-Denkfabrik RAND vor einigen Monaten Szenarien analysiert, wie eine solche Konfrontation entstehen und ablaufen könnte. China war über die in Sicherheitskreisen relativ vielbeachtete Studie offenbar keineswegs erfreut, vor allem nicht über ihre Veröffentlichung. Kolumnisten in staatlichen Medien reagierten mit kampfbereiten Texten. Die Studie befindet, China könne zur Zeit einen konventionellen Krieg mit den USA nicht gewinnen. Eine Konfrontation wäre aber schon in zehn Jahren viel schwieriger, weil China in seine Rüstung und Verteidigung investiert. Er wäre aber schon heute ein Desaster für beide Seiten (und die Welt).
Das Fazit der Studie: Ein Krieg scheint aus aktueller Sicht in Friedenszeiten wahnwitzig, wäre aber am Ende einer Reihe an schlechten aber durchaus erklärbaren Entscheidungen möglich. RANDs Studien-Autor David Gompert (mein Interview mit ihm erscheint morgen Abend auf Kurier.at, Link folgt) sieht gerade im Missmanagement von Krisen eine Gefahr, dass das „Undenkbare“ doch wahr werden könnte. Eine Sorge, die er gerade im Bezug auf die aktuelle Regierung äußert.
Die Familie macht es
Die bisher diletantisch vorgetragene Politik der Trump-Amtszeit im Allgemeinen aber auch die Vorbereitungen auf den aktuellen Gipfel tun wohl wenig, um diese Sorge zu entkräften. Geleitet werden sie auf US-Seite nicht vom Außenministerium, sondern von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Der 36-Jährige hat in seinem Lebenslauf nichts stehen, was ihn speziell als China-Experten ausweisen würde – außer vielleicht, dass seine Familie gerade New Yorker Immobilien an chinesische Investoren verkauft hat.
China setzt in seinen diplomatischen Bemühungen auf gute Kontakte zu Trumps Familie. Ansonsten wartet man erst einmal ab, welche Taten Trump seiner Rhetorik folgen lässt. Auf viele seiner Provokationen reagiert man nicht. Das Treffen im Luxusressort zwischen Golfplätzen ist hastig aufgezogen. Noch nie hat sich ein US-Präsident mit dem chinesischen so früh in seiner Amtszeit getroffen. Das lockere Erscheinungsbild könnte aber zumindest helfen, die Stimmung angesichts der vielen Konfliktfelder beim Besuch von Xi aufzuhellen.
Es hält auch die Erwartungen an bedeutsame Ergebnisse des Treffens niedrig, weil diese unwahrscheinlich sind. Dass eine große Ankündigung etwas Gutes bedeuten würde, ist aber vielleicht noch unwahrscheinlicher.