Vom österreichischen Schulsystem, dominiert vom Entenschwarm-Prinzip. Und von der (späten) Lust, Entrepreneur zu werden.
Mica ist nicht älter als 10 Jahre. Er spricht fünf Sprachen, die meisten fließend. Und er ist davon überzeugt, kein Talent zu haben. Ein trauriger Einzelfall? Wohl kaum.
Kurzer Szenenwechsel: Berlin im Herbst 2008. Ich sitze in einer Vorlesung von Professor Faltin. Eigentlich weiß ich gar nicht so richtig, was mich hier erwartet. Einige Wochen und Vorlesungen später weiß ich es ganz genau. Wenige Monate in Berlin haben mich mehr geprägt als über 20 Jahre hier in Österreich. Ich habe gelernt, nicht mehr bloß in Konventionen zu denken. Nichts schlicht als gegeben hinzunehmen. Den Drang bekommen, Dinge zu verändern. Und die Einsicht gewonnen, dass das eigentlich gar nicht so schwer ist.
Es gibt zwei Möglichkeiten etwas zu verändern: Jammern oder anpacken. Eine der beiden Varianten ist in Österreich leider nicht allzu verbreitet. Ich frag mich, warum? Warum hab auch ich das aktiv Anpacken – also die konkrete Lust am Verändern und das Wissen um die umfangreichen Möglichkeiten dazu – in 22 Jahre nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen? Warum hat mir niemand gesagt, dass ich auf niemanden angewiesen bin, sondern vieles ebenso gut und meist problemlos selbst machen kann? Warum hat mir niemand gesagt, dass ich beispielsweise nie das klassische Arbeitnehmertum fristen muss, sondern genauso gut Entrepreneur werden kann? Oder besser: Warum bin ich selbst nie auf die Idee gekommen?
Vielleicht, weil ich in während meines Bildungswegs nie gelernt habe, Dinge zu hinterfragen, Probleme zu erkennen, Alltagsprozesse aus eigener Kraft zu optimieren. Ich hab gelernt, vorgegebene Weisheiten als gegeben hinzunehmen, das Wissen von Autoritäten nicht in Frage zu stellen. Ich war festgefahren in Konventionen, ein Teil des Entenschwarms. Eine einzige Vorlesung an der FU Berlin hat mein Denkschema grundlegend verändert.
Meine Ideen zur Reform des heimischen Bildungssystems würden an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Grundlegende Änderungen im Lehrplan und an den Fächer-Angeboten sind für mich aber unumgänglich. Mit sämtlichen Bereichen, mit denen ich mich nach der Matura intensiv auseinandergesetzt habe, hatte ich in meiner gesamten Schulzeit nicht einmal ansatzweise zu tun: Medienkompetenz, Marktkommunikation, politische Bildung, Lebensmittelwirtschaft, BWL, Entrepreneurship.
Und wenn das nur projektweise geschehen würde, wäre schon viel geholfen. Hannes Offenbacher, österreichischer Vorkämpfer in Sachen Entrepreneurship & Nachhaltigkeit, in seinem Blog über die flüchtige aber prägende Begegnung mit „entrepreneurial spirit“ im Jugendalter:
„Woher mein „Entrepreneurship” Spirit kommt? Nicht von hier, sondern von einem US-amerikanischen Projekt names “Junior Achievement Company Program“, wo SchülerInnen ein ECHTES Unternehmen gründen. Ich nahm damals als Schüler selbst teil und durfte als beste „School Company” zum internationalen Treffen nach Chicago fliegen, um mit 120 jungen Leuten aus 90 Ländern zusammenzutreffen. Sowas prägt – das kann Dir auch die Angestellte beim Gründerservice nicht nehmen.“
Abgesehen von den Grundlagen der Medienkompetenz, der politischen Bildung sowie der Ernährungslehre (Einblicke in die Mechanismen der Lebensmittelwirtschaft inklusive): Innovation ist die Grundlage von Wachstum. Innovation ist die Kunst, Probleme zu erkennen und zu lösen. Der Wunsch, Prozesse im Bereich der eigenen Interessen zu optimieren, am Besten, indem man an seinen eigenen „Energiefaden“ anknüpft – denn: Wenn Business nur Business ist, ist es kein gutes Business. Schaffen wir also Bewusstsein und Räume, damit (junge) Menschen tätig werden können.
Und natürlich will nicht jeder Entrepreneur werden. Die (aktuell verkehrte) Welt der Medien und der Politik auf den Kopf stellen. Oder auch nur wissen, was alles weniger gustiöses in seinem Essen ist. Es geht darum, Einblick in die relevanten Abläufe unserer Zeit zu bekommen. Komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Talente zu fördern, die nicht zufällig in den Bereichen der klassischen Schulfächer liegen. Vor allem in vermeintlich „allgemeinbildenden“ Höheren Schulen.
Fotocredits: Andreas Demmelbauer, CC2.0-BY