Schilder müsste man herstellen, dann könnte man sich in Brüssel ein goldenes Näschen verdienen. Wegweiser findet man hier so gut wie gar nicht. Straßennamen werden alle heiligen Zeiten mal auf Miniplaketten gedruckt, Umleitungen bei Baustellen führen bestenfalls in angepisste Sackgassen, und wo das nächste Klo ist erfahrt man genau dann, wenn man (hoffentlich) davor steht (aber aus irgendeinem Grund müssen die Sackgassen ja…). Der Mann der sich der Legende nach nicht verlaufen kann spricht hier zu euch – und er hat sich verlaufen.
Englisch spricht man hier anscheinend prinzipiell nicht – schon gar nicht verständlich. Aber wenn man Touristen sagt, wohin sie müssen, dann ist man sich dabei ganz sicher. Selbst dann, wenn man sie in Ecken schickt, die nichts mit dem gefragten Ziel zu tun haben. Vier von fünf Ratgebern können bei dieser statistischen Erhebung nicht irren.
Ihr erinnert euch vielleicht: Vor einigen Monaten gab es bei den Grünen eine Reise in unsere europäische Hauptstadt zu gewinnen. Ich staubte ab und löste am vergangenen Wochenende den Gewinn ein. Mit dabei: Ein Meet & Greet mit Ulrike Lunacek im Europäischen Parlament und eine Führung durch dasselbe. Dabei wäre ich dank der mitreisenden PeziK fast noch zum Terroristen wider Willen geworden.
Als mein Rucksack gescannt wurde (die Sicherheitsvorkehrungen im Parlament sind flughafenesk) sieht mich ein verdutzter Beamter an:
„Haben Sie da ein Messer drin?“.
Ich (nicht weniger verdutzt): „Nein“.
Pezi (mehr verlegen als verdutzt): „Doooch“.
Der Hintergrund: Außerhalb von Österreich ist das mit der weizenfreien Ernährung oft gar nicht so einfach, also hat Frau K. mir vor dem Abflug ihr Dinkelbrot und Messer in den Rucksack gesteckt. Sicherheitsbewusst haben die Beamten am Schalter das Ding einkassiert und bis zu unserem Abgang im sichersten Tresor untergebracht, den ich jemals gesehen hatte.
Ulrike Lunacek und ihre Assistentin Eva Rosenberg waren in der Gründungsphase des neuen EU-Parlaments unter haufenweise Arbeit begraben, standen uns aber trotzdem freundlicherweise Rede und Antwort. Im politischen Smalltalk in der Mickey Mouse-Bar (die Lounge im Altiero Spinelli-Parlamentsgebäude hatte einst seltsam modellierte Stühle, die angeblich Margarete Thatcher zur hängengebliebenen Bezeichnung „Was für eine Mickey Mouse-Bar“ bewegte) hängen geblieben: Die spürbare Freude an den neuen Aufgaben und die Einschätzung, dass Kommissionspräsident José Barroso die Gusenbauer-Einladung als Vize mit wichtigem Kompetenzgebiet wohl tatsächlich ernst gemeint hat. Da verzichtet die österreichische Sozialdemokratie aus Rücksichtsnahme auf die österreichische Postenschacherei wohl auf ein gewichtiges Amt.
Von Brüssel hat man als Österreicher – hatte zumindest ich – ein ganz verzerrtes Bild. Was man hier zu sehen bekommt sind Aufnahmen von den modernen Hochbauten des Europäischen Viertels, vielleicht auch einmal vom alleinstehenden, riesigen Atomium. Das residiert unweit vom König-Baudouin-Stadion wo einst die Heysel-Katastrophe stattfand. Doch das sind nur Teile des liberalen, ungestresst wirkenden, multikulturellen Brüssels. Ebenso wie die verwinkelten Gassen und Gässchen der lieblichen Innenstadt, die repräsentativen Regierungsgebäuden und gemessen an Wien nur netten Parks, die pompösen Kirchen, die kleinen Cafes auf Pflastersteinplätzen oder die heruntergekommenen Backsteinhäuser ärmlicher Außenbezirke wie Anderlecht. Ein bisschen wie London, ein bisschen wie Wien, ein bisschen wie Paris (glaube ich), ein bisschen was von sich selbst. All das steht unwidersprüchlich nebeneinander und ergibt einen faszinierenden Mix.
Auch einen Teuren. Das drückt sich weniger im Supermarkt aus, wo das Preisniveau dem heimischen ähnlich ist. Wahre Kunst ist es jedoch, ein Lokal zu finden, das ganz simple Spagetthi Bolognese für unter 10 Euro anbietet. Was in Österreich als teuer im erträglichen Rahmen gilt, ist hier die Untergrenze. Und für ein Land das derartig stolz auf seine Bierkultur ist, sind die Bierpreise happig. 3,40 kostete das (mit Abstand) billigste Krügerl das man in ansprechender Lage finden konnte. Das sind eher skandinavische Verhältnisse. Ein kleiner Tipp für zukünftige Brüssel-Reisende: Egal was ihr hört, trinkt bloß kein Kriek. Picksüßes Zeug und hat mit unserem Verständnis von Bier wahrlich wenig zu tun.
Es ist eine kleine, freche Stadt, mit etwas mehr als der Hälfte von Wiens Einwohnerzahl. Aber über fast alle Bezirke verstreut gibt es kleine und große Sehenswürdigkeiten die es viel größer erscheinen lassen. Nicht nur für überzeugte Europäer und Cosmopoliten ist das eine Reise wert. Wie viele andere Städte würden denn schon stolz einen pischelnden Buben omnipräsentieren?