Die Republik streitet, wer die „Last“ eines AsylwerberInnen-Erstaufnahmezentrums (oft auch Lager genannt) stemmen soll. Die Innenministerin will es dort bauen, der Kanzler lieber da. Dort und da sind gar nicht begeistert. Andere würden das Asylwesen sowieso lieber ganz abschaffen. Und im Getöse der Dummen und Lauten hört in bester österreichischer Manier niemand jenen zu, die viel bessere Ideen haben.
[ad#ad-1]Ein sehr kluger Mensch hat kürzlich im Fernsehen erklärt, warum eh klar ist, dass weder da nocht dort eine Freude mit einem Lager hat. Der Name dieser Person wird „ausländerskeptische“ LeserInnen vermutlich dazu verleiten, nicht weiterzulesen. Es handelt sich um eine Heldin der Grünen und ein rotes Tuch für die Rechten. Sie sollten trotzdem weiterlesen.
Ute Bock sagt bei ihrem Auftritt in der ORF-Sendung Kulturmontag: „Es ist sicher schlecht, wenn man eine große Menge Menschen in einem Lager in einer kleinen Ortschaft zusammenpfercht. Die Idee sie auf alle Bundesländer aufzuteilen ist viel besser.“
Warum, das zeigt schließlich der Fall der Familie Zogaj, der bei aller Diskrepanz in den Sympathiewerten wohl kaum jemand unterstellen wird, sie sei schlecht integriert gewesen. „Der Familie ist in der Ortschaft wo sie gewohnt hat geholfen worden von allen Seiten. Das fördert die Integration“, erkennt auch Bock. „Wenn ich dort 300 Leute habe – die nicht beschäftigt werden und arbeiten dürfen – stehen die in einer kleinen Ortschaft herum, in der es vier Häuser gibt. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich die Leute da fürchten. Wenn man sie [die AsylwerberInnen] aufteilt, leben sie sich leichter ein.“
Jetzt müssen wir kurz rechnen: In Österreich leben 8,4 Millionen Menschen in 2.358 Gemeinden. In den sechs größten Gemeinden (Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt) leben 2,5 Millionen Menschen. Um den Schnitt nicht zu stark verfälschen rechnen wir die kurz raus, dann bleiben in den verbleibenden Gemeinden durchschnittlich 2.500 Einwohner. Die großen Städte ergeben einwohnermäßig also weitere 1.000 Gemeinden. Österreich besteht also aus errechneten 3.352 Gemeinden zu je 2.500 EinwohnerInnen.
[ad#ad-1]Im Jahr 2008 gab es 12.841 Asylanträge. Das ist also die Zahl der AsylwerberInnen, die man für die Dauer des Verfahrens unterbringen muss. Man kann nun in 1.000 Seelen-Gemeinden wie Eberau Zentren stellen in denen man 300 Menschen unterbringt (+30% Menschen). Dann fürchtet sich die von jahrelanger Hetze geprägte Bevölkerung verständlicherweise vor den vielen, wenn auch großteils harmlosen Fremden.
Demagogin A hätte dann ihre größte Stunde, und spräche über verbrecherische Maßnahmen wie eine Inhaftierung dieser 300 teils schwer traumatisierte Personen. Und der Populist B schriee nach einer Volksabstimmung, bei der nur die Verängstigten gefragt würden, ob sie den Angst haben möchten. So ein Zentrum klingt nach einer tollen Idee. Das könnte man schon machen.
Oder aber man setzt Auge mal Pi in jede der 3.352 Gemeinden mit 2.500 Einwohnern vier AsylwerberInnen (+0,16% Menschen). Die Bevölkerung würde sich nicht fürchten sondern sich wie bei den Zogajs mit den Neuankömmlingen anfreunden und dagegen kämpfen, wenn sie später abgelehnt werden (was laut Innenministerium rund drei Viertel der Asylanträge betrifft). Die AsylwerberInnen würden in diesem schwierigen Lebensmoment nicht wie Vieh hin- und hergeschoben werden und könnten sich integrieren – vielleicht ließe man sie sogar arbeiten. Alle würden profitieren, das Leben würde einfacher und in der Politik könnte endlich über wirklich entscheidende Fragen der Gesellschaft gesprochen werden.
Ein erschreckender Gedanke. Was da alles auf dem Spiel steht! Am Ende könnten manche noch ihre Angst verlieren!
Statt auf kluge, herzliche, thematisch erfahrene Menschen wie Ute Bock zu hören, glauben in Österreich zu viele, dass die FPÖ die Ängste der Bevölkerung ernst nimmt. Man vermutet, dass alles was grün und links klingt den AusländerInnen hilft und den ÖsterreicherInnen schadet. Als wären das zwei natürliche Gegensätze, wo der eine nur auf Kosten des anderen sein kann. Bis ins linke Spektrum hinein gibt es Leute, die dem „Partei des kleinen Mannes“-Schmäh der FPÖ voll aufsitzen. Weil das möglichst schreierische Ansprechen und hysterische Schüren einer Angst mit dem Lösen des dazugehörigen Problems verwechselt wird.
Österreich will nicht einsehen: Die Lösung auf das Problem der überfluteten Erstaufnahezentren ist, überhaupt keine solchen Zentren mehr zu unterhalten. Die ja nicht gerade schwierig zu verstehende Idee und Begründung von Frau Bock ist viel besser: Ermöglichen wir Integration.
Ein Wiener FPÖ-Vertreter erklärte kürzlich dem Falter (Ausgabe 48/09, S.11), was eine seiner ersten Amtshandlungen als Bezirksvorsteher wäre: „Frau Bock in unserem Bezirk das Handwerk legen“. Dieses ganze Problem nicht zu lösen bringt den rechten Parteien hunderttausende Stimmen und viele hochbezahlte Jobs. Es ist wohl weder besonders klug noch fair, gerade die darum zu bitten, das Problem zu beseitigen.
Foto: jim limwood, CC 2.0 BY