Dieses Bild da oben war heute mein Blick auf eine Pflichtveranstaltung. Es wäre ein Seminar. Seminare hält man idealerweise mit höchstens 15 Menschen ab, denn da soll eifrig diskutiert werden. Im Raum vor den Leuten vor dem Raum sind zu diesem Zeitpunkt ungefähr 120 Menschen. Etwa 60 werden auch tatsächlich aufgenomen. Das sind zwar 50% weniger Menschen als eigentlich studieren wollen, aber immer noch 400% von dem was höchstens sinnvoll wäre.

Diese Veranstaltung wäre eine meiner letzten Pflichtveranstaltungen im Studium. Ich versuche seit vier Semestern in diese Veranstaltung zu kommen. Erfolglos. Auch dieses Mal. In Zeiten wie diesen bewundere ich meine Ruhe. Ich habe Routine darin, eine Lehrveranstaltung nicht besuchen zu dürfen. Dass ich jetzt aber nicht mal mehr den Boden zu sehen bekomme, auf dem ich einst sitzen durfte, das ist neu. Neu ist gut. Darüber lässt sich besser scherzen. Ich überstehe solche Situationen gerne mit Humor.

Zu viel Bildung killt das Land

An der Wiener Politikwissenschaft gibt es im Sommersemester 2010 laut mir bekannten Informationen 60% mehr Lehrveranstaltungsanmeldungen als Plätze. Ich habe Verständnis für diese Unterfinanzierung des Instituts: Offensichtlich gibt es dank dem hervorragend ausgebauten Schulfach „Politische Bildung“ viel zu viele politisch gebildete Menschen in diesem Land.

Deshalb ist das Niveau unserer politischen Debatten ja auch auf dem Level der Auseinandersetzungen von gamprigen Bisons, die besoffen um eine Bisonkuh kämpfen.

Beim ersten Mal hätte ich es in diese Veranstaltung da oben übrigens beinahe geschafft. Zwischendurch wurde sie dann aber sogar aus dem Angebot gestrichen. Nur zur Erinnerung: Es ist eine Pflichtveranstaltung. Ich muss die machen, damit ich meinen Abschluss bekomme. Aber im Sommersemester 2012 läuft mein Diplom-Studienplan aus, deshalb wird kräftig eingespart.

Die Einführungsvorlesungen der heutigen PoWi-AnfängerInnen haben dieselben Inhalte wie meine damaligen, aber sie tragen leicht geänderte Namen. Ich schaue jetzt nicht extra nach, aber was früher „Politik und Recht“ war, ist heute halt „Politik und Recht in Österreich“ oder so. Um auf meine Stunden zu kommen, wird mir nahegelegt diese einfach nochmal zu besuchen.

Ich weigere mich. Ich will mich bilden, keinen Titel (na gut, den auch). Es wird spannend, ob ich bis 2012 alle Pflichtveranstaltungen belegen kann – und ob die immer schwieriger zu belegenden Freien Wahlfächer sich bis dahin ausgehen.

Mindestmaximum

Ab nächstem Semester wird aber eh alles besser. Denn dann darf ich wieder Studiengebühren zahlen (Update: Falsch. Berufstätige die im Vorjahr mindestens 4886€ verdient haben, sind befreit. Danke an Matthias für den Hinweis).

Wer Studiengebühren bezahlt freut sich gleich noch mehr, wenn er/sie keinen Platz bekommt. Ja ja, da frohlockt die soziale Ader. Studiengebühren sind nämlich – das wissen manche nicht – nur für die abgeschafft, die nicht „zu lange studieren“ . Wer mehr als ein Semester pro Abschnitt langsamer als Mindeststudienzeit studiert, der kostet dem Staat zwar nicht mehr (besucht ja deshalb auch nicht mehr Kurse und bekommt nicht länger Beihilfen), muss aber wieder zahlen.

Mir wurde übrigens erzählt: Mindeststudienzeit war früher das, was man auf keinen Fall unterbieten durfte. Heute ist es das, was man keinesfalls überbieten sollte. Aber das sehe ich ein: Wer sich zu lange bildet, ist eben ein Problem für die Gesellschaft. Wir haben schon zu viele intellektuelle Kapazitäten hier.

Kein Pech, Schuld

Weil ich ein Mann bin, musste ich meine Dienste dem Staat zur Verfügung stellen. Ich entschied mich für den Zivildienst in einem Altersheim (damals noch 12 Monate). Es erschien mir sinnvoller, als durch den Gatsch zu robben. Leider wurde erst sechs Monate nach meiner Matura ein Platz frei. Deshalb arbeitete ich Schmarotzer vor und nach dem Zivildienst jeweils ein halbes Jahr. Ich verkabelte zum Beispiel Müllverwertungsanlagen und machte mir beim Robben durch anderer Leute Mist eine schöne Zeit.

Ich fauler Hund begann im Gegensatz zu meinen einstigen Mitschülerinnen also erst zwei Jahre später zu studieren. Deshalb wird Familien- und Studienbeihilfe (so ich denn auf diese 29€ im Monat tatsächlich noch anspruchsberechtig sein werde) für mich ein Jahr weniger ausbezahlt. Auch da stimme ich zu: Ich habe mir diese Probleme offensichtlich verdient.

Es sollte einem nicht zu leicht gemacht werden, zu einem Abschluss zu kommen. Am Ende würde Österreich in Gefahr laufen, die zweitschlechteste Akademikerquote des OECD-Raumes zu verlieren. Wir wollten ja schon immer wie die Türkei sein, also orientieren wir uns auch an der.

It burns, burns, burns

Nachdem ich das Foto oben schoss, drehte ich mich nach rechts. Ich musste wirklich lachen. Vielleicht war es ja ein Wink des Schicksals, das mir sagen wollte, worüber ich meine Diplomarbeit schreiben könnte:

Zwei Monate nach europaweiten Bildungsprotesten und den größten österreichischen Studierendenprotesten der letzten Jahrzehnte hat niemand etwas unternommen und alles scheint sogar noch schlimmer als davor. Die europäischen Wissenschaftsminister feiern nächste Woche in Wien die Bolognareform und dabei Österreich als Musterbeispiel. Unsere Wissenschaftsministerin provoziert derweilen die Studierenden.

Es würde mich sehr wundern, wenn die Unis nicht sehr bald wieder zu brennen beginnen. Am Mittwoch ist an der Politikwissenschaft eine Vollversammlung. Ich nehme wohl sicherheitshalber den Schlafsack mit.

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