Diskutieren wir eine Gebühr, deren Höhe einfach einmal geschätzt wird, deren Verteilung ein Mirakel ist und die ein internationales Thema national anpackt. Wir wissen nicht genau, was wir wollen. Wir wissen nicht genau, wie man es praktisch umsetzen kann. Auswirkungen haben wir kaum durchdacht. Aber wir gehen damit unvorbereitet an die Öffentlichkeit.
Schwammiger Chat
Diesen Eindruck erweckt Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, im derstandard.at-Chat. Im Fokus des Interesses steht die sogenannte „Cultural Flat Rate“ – die vierte von sieben Maßnahmen im groben Themenbereich des Urheberrechts, welche von den Grünen präsentiert wurden. Die Beantwortung der User-Fragen ist schlichtweg inferior. Unkonkret, oberflächlich und kaum durchdacht. Es entsteht der Eindruck, dass die Beschäftigung mit der Materie kaum über die Überschrift hinaus reichte.
Wenn etwa bei der Frage zur Verteilung der Gebühren kryptisch auf Interessensgemeinschaften verwiesen wird, so ist dies unzureichend. Auf die User-Frage im derstandard.at-Chat nach den Reaktionen von kommerziellen Online-Anbietern mit
die werden keine große Freude haben, aber ich mache mir um deren Geschäftsfelder auch in Zukunft keine großen Sorgen.
zu antworten wirkt naiv-pubertär. Die Antwort gibt keinen Aufschluss über den Umgang mit wirtschaftlichen Organisationen, die garantiert massiven Widerstand leisten würden.
Fragen ungeklärt
Wenig überraschend erhält die „Cultural Flat Rate“ als Teilbereich des Maßnahmenbündels die größte Aufmerksamkeit. Umso weniger verständlich ist es, dass gerade bei diesem Thema der Eindruck entsteht, dass die Grünen hier über etwas diskutieren wollen, wovon sie selbst wenig Ahnung haben.
Wie lässt sich die „Cultural Flat Rate“ in einer globalisierten Welt umsetzen? Wie lässt sich eine faire Höhe dieser Gebühr bemessen ohne eine zusätzliche Barriere für den Internetzugang zu errichten? Wer entscheidet über die Verteilung der Zwangsgebühren? Welcher gesellschaftliche Fortschritt soll mit diesen Gebühren einher gehen? Zentrale Fragen, die Zinggl im derstandard.at-Chat nicht einmal in Ansätzen ausreichend beantworten konnte. Wodurch es auch schwerlich möglich ist, eine konkrete inhaltliche Kritik zu formulieren.
Ahnungslosigkeit die abfärbt
Interessante Überlegungen, wie etwa zur „Digitalisierung von bibliothekarischen und archivarischen Beständen“ oder die „Ausweitung des Katalogs der freien Werksnutzung“ geraten durch die bereits zu Beginn verunglückte „Cultural Flat Rate“ ins Hintertreffen. Die Ahnungslosigkeit zur „Cultural Flat Rate“ färbt auch auf die anderen Überlegungen des Pakets ab.
Mut reicht nicht
Man kann den Grünen jedoch zu Gute halten, dass sie ein komplexes Themengebiet aufgegriffen haben, welches von anderen maßgeblichen Parteien kaum Beachtung findet. Obwohl es für viele Menschen von Bedeutung ist. Komplexe politisch-mediale „Randthemen“ aufzugreifen erfordert von politischen Parteien Mut.
Diesen Mut haben die Grünen gezeigt. Doch Mut alleine ist als Grundlage für eine ernsthafte Diskussion zu wenig.