Es war einmal eine ehemalige Handarbeitslehrerin, die auszog um den Österreichern und Österreicherinnen in Sachen Bildungspolitik das Fürchten zu lehren. Einige Jahre später und durch kräftige Mithilfe ihrer Nachfolgerinnen, können die Bürger des Landes heute das Resultat dieser Bemühung in Form einer allgemeinen Bildungsmisere begutachten.
Von den Kindergärten, über die Schulen bis hin zu den Universitäten streckt sich das bildungspolitische Jammertal durch den gesamten Bereich, in dem der Staat der Schulung und Ausbildung seiner Bürger nachzukommen hätte. Und selbst wenn man zynisch nachhaken möchte, dass sich Weltklasseunis wohl hauptsächlich daran messen, was Frau Gehrer damals als Vergleichsmaß definiert haben wollte (ich zweifle noch heute an, dass die damalige Ministerin jemals eine Ahnung hatte, was de facto eine Weltklasseuniversität ausmacht), so ist einem spätestens nach der Nicht-Performance des Konzernmanagers Hahn das Lachen vergangen, Ankündigungen wie jene der aktuellen Wissenschaftsministerin, die Unis wieder in die Spitzenklasse zu führen, kann man wohl bestenfalls als Drohung auffassen.
Was Hänschen nicht lernt, …
Beginnen wir mit der Bestandsaufnahme dort, wo, im Bezug auf den staatlichen Einfluss, der Grundstein und sämtliche Voraussetzungen für ein mündiges Bildungsbürgertum gelegt werden sollten: im Kindergarten.
Bereits dort zeichnet sich ab, dass einiges im Argen liegt. Auch wenn ich nicht alle öffentlichen Kindergärten über einen Kamm scheren will und es in ländlichen Gegenden mit Sicherheit kleine, aber feine Beispiele für funktionierende Institutionen gibt, so scheint dies wohl eher Ausnahme als Regel zu sein.
Ein Lehrer ist ein Lehrer ist ein Lehrer
Das Drama beginnt bei der Ausbildung der Kindergärtnerinnen und ihren Assistentinnen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass man in Österreich endlich Nägel mit Köpfen machen und sämtliche pädagogische Ausbildungen an den Universitäten ansiedeln sollte.
Pädagogische Akademien und sonstige nicht-universitäre Institutionen müssten abgeschafft werden, Kindergartenpädagogen, Sonderpädagogen und Mittelschullehrer gehören an die Universitäten. Warum? Es ist ein Widerspruch in sich, dass es für unterschiedliche pädagogische Berufe unterschiedliche Ausbildungswege geben soll, insbesondere weil man keine der jeweiligen Arbeitsfelder qualitativ über oder unter das jeweils Benachbarte stellen kann.
Eine Kindergärtnerin leistet einen ebenso wertvollen gesellschaftlichen Beitrag wie eine Mittelschul- oder HTL-Lehrerin. Pädagogen, die sich für einen Weg in die Wissenschaft oder als Lehrende an der Universität entscheiden, sollten diesen vom Baccalaureat über das Magisterium bis zum Doktorat fortsetzen können, wenn sie dies wünschen. Auch ein späterer Wiedereinstieg in eine akademische Laufbahn wäre somit einfacher möglich.
Zum Leben zuviel, zum Sterben zu wenig
Dass hervorragend ausgebildete Universitätsabsolventen im Fach Kinderpädagogik eine Gleichstellung auch im Bezug auf ihr Gehalt erfahren sollten, ist letztlich nicht nur ein logischer Schluss aus dieser Forderung, sondern ein zutiefst notwendiger. Die Aufgabe von Kindergärtnern ist eine ungemein verantwortungsvolle und erst jüngst hat eine internationale Studie belegt, dass sich die Qualifikation der Kindergärtnerin tatsächlich auf den späteren Werdegang der Kinder auswirkt. Je besser, umso erfolgreicher.
Nicht zuletzt ist es widersinnig ausgerechnet jenen Leuten Hungerlöhne zu bezahlen, die sich um das wichtigste Kapital des Landes – nein ich spreche nicht von den Banken – kümmern, nämlich um die Kinder. Wer eigene hat, oder im Verwandtenkreis, der weiß, dass man sein Kind nicht einfach so in die Hände des Nächstbesten gibt, man will das Allerbeste für sein Kind, und das sollte endlich auch der Arbeitgeber Staat/Land begreifen. Über den jämmerlichen Verdienst von Kindergartenpädagoginnen berichtete die Wiener Zeitung Ende 2009 , dass Kindergartenhelferinnen noch weniger verdienen muss wohl nicht dazu erwähnt werden.
Nach der Volksschule geht man in die… ja wohin eigentlich?
Weiter geht der bildungstechnische Abstieg schließlich über die Volksschulen und diversen Ausprägungen von Pflichtschulen, Mittelschulen, Hauptschulen oder sonstigen Spezialtypen. Auskennen tut sich bei den jeweiligen Bezeichnungen kaum noch jemand, lediglich in der Volksschule herrscht grundsätzlich noch ein relativ übersichtliches Bild.
Auch hier gelten die zwei oben ausgeführten Forderungen: Eine (in Zahlen: 1) universitäre Ausbildungslaufbahn für Volksschullehrer und -lehrerinnen sowie ein Gehaltsschema für alle betroffenen Schulstufen, bis hinauf zu den Gymnasien.
Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann…
Im Bereich jener Schultypen, die nach dem Besuch der Volksschule angesteuert werden, ist es allerhöchste Zeit die mittelalterliche Feudalbildungspolitik der ÖVP endlich dorthin zu verräumen, wo sie hingehört – in die Geschichtsbücher – und die Gesamtschule für alle, mindestens bis zum 14 Lebensjahr blitzartig einzuführen.
Weder die wissenschaftliche Forschung, noch Leistungsstudien aus dem Bildungssektor (Stichwort Finnland) haben jemals großflächige Bestätigungen dafür gefunden, dass sich eine frühzeitig Trennung von Schülern in spezialisierte Bildungsanstalten (Stichwort Hauptschule als Ausrangierplatz für die sog. Unterschicht, Ausländer etc…) positiv oder förderlich auf die Schüler und Schülerinnen auswirkt.
Ein derartiges Bildungssystem führt lediglich dazu, dass der Bildungsrückstand von Kindern aus einkommensschwachen Schichten verstärkt wird, bis an die Universität schafft es schließlich kaum noch eine/r von ihnen. Auch dazu ist es müßig x-Studien anzuführen, sie werden jährlich wiederholt und zeigen jährlich dasselbe Ergebnis.
Gaudeamus igitur vs. morituri te salutant
Wenn man es schließlich überhaupt an die Universitäten schafft und sich dort nicht im kafkaesken Seminarwartelistensystem verirrt, oder aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung aussteigt, kann man sich zwar als Österreicherin glücklich schätzen zur theoretischen Elite zu zählen, die Praxis ist jedoch eine völlig andere.
Wer im vergangenen Herbst nicht die Proteste der Studierenden – bekannt unter dem Titel „Uni brennt“ – verschlafen hat, der muss, wenn er sich aktuell ein Bild von der Situation vor Ort macht, wohl bestenfalls zum Schluss kommen, dass die Uni nicht mehr brennt, sondern eher in Schutt und Asche liegt.
Mit viel Optimismus kann man da und dort noch ein paar Glutnester erkennen, die katastrophale Situation ist aber nicht die Schuld der Studenten, die sich meines Wissens nach noch immer in diversen Diskussionsrunden, Plenen und thematischen Aktionen rund um „Uni brennt“ organisieren, die Schuld liegt ausschließlich bei der Politik.
Trauerspiel Universitäten
Was Frau Gehrer vor 10 Jahren in der Bildungspolitik gesät hat, trägt heute durch wiederholtes Versagen, Unvermögen oder Inkompetenz auf Seiten ihrer Nachfolgerinnen prächtige Früchte. Da gibt es kaum universitäre Strukturen, die eine adäquate Ausbildung der Studierenden ermöglichen würden, das Rechtskonstrukt auf dem die Universitäten beruhen ist ein Flickwerk, welches die Kompetenzen der jeweils verantwortlichen Organe nicht ausreichend regelt, der so genannte Mittelbau – jener wissenschaftliche Nachwuchs, der irgendwann einmal Institute und Fakultäten leiten soll – wird ausgehungert, Assistentenstellen gibt es kaum und wenn, dann sind sie so unfassbar schlecht bezahlt, dass sich davon kaum eine Person den Lebensunterhalt finanzieren kann, wer in dem Alter „schon“ Familie hat, steht mit einem Bein im Armenhaus, es gibt kein Evaluierungssystem, welches Professoren, die seit 20 Jahren dieselbe Vorlesung halten, von ihren Posten entfernt, es mangelt an Forschungsstellen und an Geld für die Forschung. Fazit: an der Universität findet das was man hierzulande als Bildungspolitik betreibt seinen traurigen Höhepunkt.
Bildungsrettungspaket – Now!
Was tun? In Bezug auf Ausbildung und Bezahlung habe ich bereits oben ausgeführt, dass sämtliche Bildungsprofessionen unabdingbar auf universitärer Ebenen auszubilden sind, die Bezahlung eines Gymnasiallehrers sollte sich von der einer Kindergartenpädagogin nicht unterscheiden. Es bedarf höherer Einstiegsgehälter und hernach flacher verlaufender Gehaltskurven.
Letztlich ist vor allem eines nötig: Geld, Geld und nochmal Geld. Viel Geld. Es muss ein Bildungsrettungspaket geschnürt werden, welches mindestens dasselbe Ausmaß wie jenes des Bankenrettungspakets hat. Und wenn sich die Damen und Herren Politiker nun an den Kopf greifen und darüber lamentieren, dass es kein Geld gäbe und dass wir doch alle soviel sparen müssten, dann möchte ich dazu noch ein paar abschließende Bemerkungen anfügen.
Was kostet die Welt
Im Zuge der größten Wirtschaftskrise seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat man über Nacht Milliarden flüssig gemacht und den Banken in den Rachen gestopft. Meist ohne große Bedingungen. Österreich ist nicht zuletzt aufgrund massiver Korruptionsskandale auch international in Verruf geraten, die Arbeitslosenrate ist in den vergangenen Jahren nach oben geschnellt und wird sich so schnell nicht wieder konsolidieren. Und während Arbeitsplätze in der Industrie auch weiterhin in Dritte-Welt- und Schwellenländer abgesiedelt werden, ist die einzige Möglichkeit für Österreich international konkurrenzfähig zu bleiben jene, sich als Wissensnation und Innovationsstandort zu etablieren.
Das ist jedoch nur dann möglich, wenn man den jungen Leuten im Land die bestmögliche Ausbildung finanziert. Wenn man ein Umfeld schafft in dem es unabhängig von der sozialen Herkunft möglich ist, einen hervorragenden Abschluss bis zum universitären Niveau zu erhalten. Dazu muss aber das Land selbst reif sein und es bedarf mutiger Politiker und Politikerinnen, um dem Steuerzahler zu erklären, dass eine derartige Investition Früchte tragen wird.
Wer daran zweifelt, der solle sich bloß ein Bild vor Augen halten: wenn es hart auf hart kommt, wird es schwer werden mit zornigen, ungebildeten, frustrierten und vor allem perspektivenlosen jungen Erwachsenen über die Vorteile gewaltloser Demonstrationen zu diskutieren.
Susanne, 18. August 2010