In meiner letzten Kolumne wurde das Thema Bildung angeschnitten, woraus sich ein recht intensiver Schlagabtausch im Kommentarforum entwickelte, dessen zentrale Debatte sich um die Schulen drehte und wo ein fast quasi-religiöser Eifer so mancher Debattierender (Danke übrigens für die Beiträge!) evident wurde. Bildung und die jeweilige Überzeugung wie man sie am besten zu vermitteln hat, ist in Österreich offenbar eine Art Religionsersatz, umso mehr ein Grund sich damit noch einmal etwas eingehender zu beschäftigen.
Exkursion ins Demokratiezentrum
Das hat sich ausgezeichnet getroffen, denn wie es der Zufall wollte, habe ich vor nicht allzu langer Zeit von einer Wiener Einrichtung namens Demokratiezentrum erfahren, habe postwendend dort angefragt, ob ein persönlicher Lokalaugenschein im Rahmen des Möglichen wäre – war es – und mir ein Bild davon gemacht, was dort so vor sich geht.
Ohne auf allzuviele Details einzugehen – Gertraud Diendorfer, die überaus freundliche Leiterin, hat sich netterweise fast zwei Stunden Zeit genommen, um mir Rede und Antwort zu stehen – der zentrale Punkt auf den sich meine Aufmerksamkeit richtete, ließ sich letztlich am Begriff „politische Bildung“ festmachen.
Am Demokratiezentrum beschäftigt man sich diesbezüglich mit verschiedensten Aktivitäten, die Schülern und Schülerinnen oder dem Lehrpersonal das Thema Politik in all seinen Facetten näher bringen soll. Besonders erwähnenswert ist diesbezüglich die sogenannte Polipedia – ein „multimediales Online-Wiki-Lehrbuch zu Themen der politischen Bildung„, welches von Schülern und Schülerinnen selbst mit diversen Kernthemen (Europa, Verfassung, etc.) befüllt wird. Sie bedürfte größerer Aufmerksamkeit, gerade weil ein für Jugendliche vermutlich wenig spannendes Gebiet hier etwas von seinem Schlaftablettencharakter verliert.
Trotz allem entstand der Eindruck, dass man im Demokratiezentrum eine Art Mauerblumendasein führt. Der Großteil der Aktivitäten entsteht aus der Eigeninitative einer Handvoll Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. So aber kann man kaum das ganze Schulsystem Österreichs versorgen, schon gar nicht, wenn im Bezug auf die Finanzierung des Ganzen wieder einmal aktiv gespart wird. „Krise“ heißt die aktuelle Ausrede in Sachen Fördergelderkürzungen.
Von nichts kommt nichts
Nichts desto trotz ist politische Bildung für Jugendliche wichtiger als je zuvor und wenn ich bereits vergangene Kolumne polemisch dem gesamten Bildungssektor ein akutes Verblödungsrisiko unterstellt habe, so muss ich dies umso mehr im Bereich der Schulen tun. Man könnte zwar einwenden, dass es auf diesem Sektor beruhigenderweise gar kein Verblödungsrisiko gibt, weil nicht vorhandene Bildung keinem Verlernprozess unterliegen kann, aber wie jeder sofort einsehen wird, ist dieser Ausgangspunkt wohl der dramatischere.
Es stellt sich also die Frage, wie man Jugendlichen, die bis auf ihr Freundes- und Familienumfeld noch nicht mit Themen wie Demokratie und Politik in Kontakt gekommen sind, dieses ungemein wichtige Wissen bestmöglich vermitteln kann? Vor allem, was tut der österreichische Staat dafür?
Politisches Bildungsturnen
Nicht viel, wie es scheint, denn auch wenn man vor einigen Jahren (2007) beschlossen hat, dass man mit 16 schon wählen dürfen sollte, junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr aber – zu Recht – mitunter als nicht zur Gänze straffähig anerkennt, so hat man offenbar darauf vergessen, allen über 16-jährigen das nötige Grundwissen für die Ausübung des Wahlrechtes zu vermitteln.
Zu meinem Erstaunen, ich gebe zu, dass ich mich seit längerem nicht mehr intensiv damit beschäftigt habe, ist das Fach „politische Bildung“ nämlich kein eigenständiges Unterrichtsfach. Viel mehr ist die Verantwortung dafür den Lehrern und Lehrerinnen aufgebürdet, die die Thematik im Rahmen ihres Unterrichtes (innerhalb des Faches Geschichte) einbauen müssen und bisweilen darauf angewiesen sind, von Kollegen Stunden zu schnorren, um überhaupt damit zu Rande zu kommen.
Des weiteren gibt es auch keine explizite Fortbildungspflicht bei der Lehrerschaft, wenn also überspitzt forumuliert der Qi-Gong Kurs im Sommer attraktiver ist, als sich beispielsweise in ein Seminar zum Thema „Hans Kelsen und die österreichische Verfassung“ zu setzen, dann leiden letztlich die Schüler und Schülerinnen unter dem mangelnden Wissen der Lehrer.
Aus Null mach Eins
Lerninhalte zum Thema politische Bildung müssen also über diverse bereits bestehende Stunden sozusagen in den Unterricht geschummelt werden. Es gibt kein eigenes Plichtfach. Noch nicht, denn auf die Frage des Warum, hat mir Frau Diendorfer sinngemäß folgendes erwidert: wer eine Stunde einführen möchte, muss anderswo eine abschaffen.
Darüber, welche Stunde man getrost abschaffen könnte, musste ich nach meinem Besuch im Demokratiezentrum nur ganz kurz nachdenken, ich hatte sofort einen längst überfälligen Kandidaten gefunden. Religion. Dass es nämlich im 21. Jahrhundert noch immer mit Steuergeldern geförderten Religionsunterricht gibt, ist meines Erachtens nach schlicht und einfach skandalös.
Die Aufklärung liegt mittlerweile mehrere Jahrhunderte zurück, Religion sollte endlich auch in Österreich zur Privatsache erklärt werden und das viele Geld, welches an zweifelhafte Institutionen wie z.B. die katholische Kirche geht, könnte endlich für Sinnvolleres verwendet werden.
Konfessioneller Religionsunterricht am Tag des Herrn
Im Bereich der Schulen würde es sich diesbezüglich auch hervorragend treffen, konfessionsgebundenen Religionsunterricht aus dem Stundenplan zu streichen – ersatzlos – und durch das Kombinationsfach „Politische Bildung/Ethik“ zu ersetzen.
Religionsunterricht kann problemlos von den jeweiligen Religionsgemeinschaften übernommen werden – das Modell der „Sunday School“ wie es in den USA betrieben wird, stellt damit auch einen passenden Wochentag zur Verfügung – die jeweilige Religionsgemeinschaft müsste das zwar selbst finanzieren (oder wie in den USA auf die freiwillige, kostenlose Hilfe ihrer Anhänger vertrauen), muss sich aber auch nicht an bestimmte Lehrpläne halten. Religionsfreiheit im wahrsten Sinne des Wortes.
Achtung – Untergang der abendländischen Kultur
Wer jetzt einwirft, dass diverse religionstheoretische Inhalte zu unserem Kulturgut gehören, dem möchte ich entgegnen, dass es nicht darum geht Ethik und Moral aus dem Lehrplan zu entfernen, ja, ich fände es durchaus angebracht und wichtig im neuen Pflichtfach „Politische Bildung und Ethik“ auch gewisse religionswissenschaftliche Inhalte zu vermitteln.
Das sollte jedoch religionsübergreifend erfolgen, schließlich gebe sogar ich zu, dass eine gewisse Bibelfestigkeit zur Allgemeinbildung gehört, über die ich durchaus aber auch verfügen kann, ohne von jemandem Märchen über die unbefleckte Empfängnis als faktische Wahrheit präsentiert zu bekommen. Es ginge im angestrebten Fach viel mehr um eine vernunftbasierte Vermittlung von Inhalten, die von religionsgeschichtlichen Entwicklungen über Themenbereiche wie Moral und Recht bis hin zur Funktionsweise einer Demokratie reichen.
Wo kein Wille, da kein Weg
Dass dieses Themengebiet für Schülerinnen und Schüler durchaus altersgerecht aufbereitet werden kann, daran zweifle ich nicht, im Demokratiezentrum macht man das bereits seit dem Jahr 2000, woran es scheitert ist der politische Wille.
Schließlich reicht es meines Erachtens nach nicht, den Bürgern irgendwelche Rechte einzuräumen, der Staat hat auch dafür zu sorgen, dass, insbesondere wenn es sich um Jugendliche handelt, diese auch darin geschult werden, welche Verantwortung man mit der Ausübung jener Rechte übernimmt. Im Falle des Wahlrechtes wohl um eine der größten im Rahmen der Demokratie.
Susanne, 1. September 2010