In Teil 1 wurde ausgeführt, wieso das Bruttoinlandsprodukt bereits Probleme hat, die Handlungsfähigkeit einer Volkswirtschaft widerzuspiegeln. Gänzlich versagt es als wirklicher Wohlstandsindikator. Mittlerweile gibt es einige Ansätze, diese Lücke zu schließen. Ein Überblick.

HDI – der Entwicklungsindex der Vereinten Nationen

Der wohl bekannteste Wohlstandsindikator ist der „Human Development Index“ (HDI), der vom UNDP (United Nations Development Programme) erstellt und jährlich im Weltentwicklungsbericht (Human Development Report) veröffentlicht wird.

Der HDI baut auf den Kriterien Lebenserwartung (bei Geburt), Bildung und Lebensstandard auf. Bildung wird anhand der Alphabetisierungsrate der Erwachsenen (zählt zwei Drittel) und der Schuleinschreibungsrate (ein Drittel) gemessen. Der Lebensstandard wird durch das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf festgestellt.

Der Vorteil des HDI liegt in der relativ schlichten Berechnungsweise. Damit gehen aber auch Einbußen in der Aussagekraft einher. Kriterien wie Umwelt, Sicherheit oder Freiheit gehen wenig bis gar nicht in die Berechnungen ein. Für internationale Vergleiche eignet er sich trotz alldem recht gut, weil vor allem von nicht so weit entwickelten Ländern Qualität und Quantität von detaillierten Daten fehlt.

Happy Planet – der glückliche Planet

Der Happy Planet Index (HPI) ist kein Instrumentarium zur absoluten Messung menschlichen Wohlstands, sondern soll die ökologische Effizienz, mit der Länder Wohlstand lukrieren, wiedergeben. Der HPI berechnet sich aus der Lebenserwartung, multipliziert mit der Lebenszufriedenheit und dividiert durch den ökologischen Fußabdruck eines Landes.

So schafft Österreich es auf einen Indexwert von 47,7 Punkten. Spitzenreiter finden sich im Norden Europas: Island erreicht über 72 Punkte. Positiv stechen vor allem Schwellenländer wie Brasilien heraus. International fallen insbesondere die Vereinigten Staaten auf, die mit miserablen 30,7 Punkten hinter Ländern wie dem Tschad liegen. Die Indexwerte rund um den Globus finden sich hier.

Der Happy Planet Index ist ein höchst interessanter Zugang zur Betrachtung der Ursprünge und Konsequenzen des Wohlstands. Als Indikator für den Vergleich von Wohlstand an sich eignet er sich aber nicht.

Genuine Progress Indicator – BIP 2.0

Genuine heißt echt, authentisch. Und genau das soll der Genuine Progess Indicator (GPI) auch sein. Er ist mit der Intention erstellt worden, das BIP, als Bruttokennzahl, durch eine Nettobetrachtung des Wertschöpfungsprozesses zu ersetzen.

Wenn hunderte Polizeibüros zur Bekämpfung einer ausufernden Kriminalitätsrate eröffnet werden, erhöht das das BIP. Das Wirtschaftswachstum wird aber durch die vielen Verbrechen wohlstandstechnisch nicht viel bringen.

Muss ein Land nach einer Naturkatastrophe neuaufgebaut werden, dann floriert die Wirtschaft. Der Wohlstand ist aber trotzdem massiv gesunken.

GPI Atlantic zum GPI:

To build a sustainable economy, we need tools of analysis that properly value social, economic and environmental assets, tools that carefully appraise both costs and benefits, and balance them against one another. That’s what’s known as „full-cost accounting.“

And that’s what the Genuine Progress Index is designed to provide.

Mehr Infos zum GPI findet man unter anderem in folgendem Video, in dem Ron Colman, der Executive Director von GPI Atlantic mehr über das Projekt erzählt.

Das GPI greift die Kritik am BIP auf und versucht, auch Haus- und Freiwilligenarbeit, Einkommensverteilung, Umwelt- (Umgang mit Ressourcen, ökologischer Fußabdruck), Bildungs- und Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Mehr Infos zu den einfließenden Faktoren finden sich online.

Mit dieser genaueren Betrachtungsweise geht klarerweise ein deutlicher administrativer Mehraufwand einher. Ein weiteres Problem ist die genaue Bewertung von Hausarbeit oder Subsistenzwirtschaft, die großen Spielraum für Verzerrungen lässt.

Der GPI für die Vereinigten Staaten ist zum Beispiel von 1980-2000 um 45% zurückgegangen.

Leider habe ich keine aktuellen Daten zum GPI gefunden und weiß auch nicht, inwiefern er noch erstellt bzw. weiterentwickelt wird. Die einzig aktive Abspaltung scheint mir die für Atlantic Canada zu sein. Eine Anfrage nach aktuellerem Datenmaterial an den Direktor von GIP Atlantic Canada habe ich bereits gesendet.

Weitere Kennzahlen

Der Engel-Koeffizient gibt den Anteil der Konsumausgaben eines Haushalts für Lebensmittel an. Es ist empirisch bewiesen, dass mit steigendem Wohlstand relativ weniger Geld für Lebensmittel ausgegeben wird.

Der Human Poverty Index (HPI) existiert in zwei Variationen. Der HPI-1 für Entwicklungsländer misst Überlebensfähigkeit, fehlendes Wissen und angemessenen Lebensstandard. Der HPI-2 für Industrieländer misst durch die gleichen, jedoch deutlich abgewandelten Kriterien inklusive dem Parameter „soziale Ausgrenzung“.

Der Index of Social Health misst das Wohlergehen der Amerikaner seit 1970. Er kombiniert 16 verschiedene soziale Indikatoren, wie Kinderarmut, die Selbstmordrate von Jugendlichen, Arbeitslosigkeit, Einkommensverteilung oder die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Genauere Informationen zu den einzelnen Kriterien gibt es hier.

Amerika ist 1970 mit 66,2 von 100 Punkten gestartet. Die aktuellste Berechnung aus dem Jahr 2008 liegt bei 55,2 Punkten. Auch hier ist also ein Rückgang des Wohlergehens mit über 16% zu verzeichnen. Der Index of Social Health geht natürlich in eine komplett andere Richtung wie es etwa der Genuine Progress Indicator tut. Trotzdem ist er nicht uninteressant, weil ein umfassender Indikator über den Wohlstand einer Gesellschaft durchaus eine Kombination aus diesen beiden sein könnte.

Einige weitere Indikatoren finden sich auf Wikipedia.

Hohe Relevanz

Diese verschiedenen Indizes sind meines Erachtens von großer Bedeutung, weil sie in der Lage sind, hochkomplexe Materien einfach zu veranschaulichen. Dass damit immer ein bestimmter Grad an Abstraktion verbunden sein muss, sollte jedem klar sein.

Das BIP hat der Menschheit einen guten Dienst erwiesen. In entwickelten Ländern ist es aber als Indikator für Wohlstand nicht mehr zeitgemäß. Eine einseitige Versteifung vonseiten der Politik birgt ökologischen und sozialen Sprengstoff.

Das Zeitalter neuer Wohlstandsindikatoren ist angebrochen. Der GPI ist ein durchaus guter Ansatz. Meiner Meinung nach muss die Debatte genau in diese Richtung gehen. Man darf gespannt sein, zu welchen Ergebnissen diverse eingesetzte Kommissionen kommen.

Bis dahin wird das BIP wohl weiterhin Grundlage von Wohlstandsevaluierungen für Medien und Politik sein. Ich hoffe nicht mehr allzu lange.

Dieser Artikel wird parallel auf zuwi.at veröffentlicht.

Bild “Baustelle”: © Daniel Rennen / PIXELIO
Bild “Geld”: © Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / PIXELIO

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