Keine Partei ist so eifrig dabei, die wohl wichtigste aller demokratischen Vorgänge – die Wahl – zu beschädigen, wie die FPÖ. Schon vor der Auszählung der Briefwahlstimmen, mit denen Alexander van der Bellen seinen Rückstand noch in seinen Sieg verwandeln konnte, schütze man prophylaktisch Dolchstoßlegenden. Und trotz Aufrufen von Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer setzte Ersterer die gar nicht mal so subtile Anzweiflerei der Rechtmäßigkeit der Auszählung fort.
Jüngst teilte er mit dem Zusatz „Viele Fragen bleiben offen!“ mal wieder eine der Grafiken der rechten Facebookseite „FM Politics“. Dort aufgeführt: Waidhofen an der Ybbs und der Sondersprengel in Linz mit jeweils weit über 100% Wahlbeteiligung und die scheinbar in Diskrepanz zu Aussagen des Wahlleiters stehende Zahl der am Montag gezählten Briefkartenstimmen von 766.000.
Die Briefwahl und der drei Rätsel Lösung
Alle drei Dinge, die auf den ersten Blick seltsam erscheinen, waren zu dem Zeitpunkt bereits geklärt. Der Wahlleiter des Innenministeriums hatte sich am Sonntag schlicht verschätzt und es wurden am Montag noch mehr Wahlkarten als erwartet an die jeweiligen Bezirkswahlkommissionen übermittelt. In Waidhofen führte ein Eingabefehler zur falschen Ergebnisdarstellung, die aber auf das an das Innenministerium übermittelte Ergebnis keinen Einfluss hat.
In Linz sind im Sondersprengel nicht nur „fliegende Wahlkommissionen“, die bettlägerige Menschen und Altenheime besuchen, sondern auch Briefwahlstimmen, deren Wahlberechtigte sich auf andere Sprengel verteilen. Journalist Martin Thür hat die Verschwörungstheorien im Detail aufgeklärt.
Die FPÖ wusste Bescheid
Während die Fehleinschätzung des Wahlleiters bedauerlich, aber kein Drama ist, hätte das die FPÖ allerdings auch leicht selber tun können. Sie verfügt in den Bezirken über Wahlbeisitzer, die als Kontrollinstanz für die korrekte Auszählung bürgen. Diese müssen auch wissen, welches Ergebnis letztlich an das Innenministerium übermittelt wurde.
Erst recht sollte die FPÖ mit dem Sondersprengel in Linz vertraut sein. Denn dort sitzt die Partei schon lange im Gemeinderat. Und die Existenz dieses besonderen Sprengels lässt sich bis mindestens 2002 nachverfolgen. Offenbar wurde vor der Nationalratswahl 2008 (PDF) die Zuordnung der Briefwahlstimmen in diesen Sondersprengel beschlossen, denn seitdem gibt es dort stets vielfach mehr Stimmen als Wahlberechtigte. Nachvollziehen lässt sich das einfach über die Bezirksergebnisse der vergangenen Wahlen auf der Homepage der Stadt Linz.
Die FPÖ hatte mit diesem Sprengel bisher noch nie ein Problem. Und dass den Parteivertretern erst acht Jahre später diese wahlordnungsbedingte Diskrepanz auffällt, erscheint nicht besonders glaubwürdig.
Zündler im Feuerwehranzug
Ich habe gestern Straches Aufruf zur Abrüstung der Worte in der ZiB 2 noch begrüßt – allerdings unter Vorbehalt. Die Skepsis war angebracht. Das Infragestellen einer absolut demokratisch abgelaufenen Wahl, in der es bestenfalls zu irrelevanten Pannen gekommen ist, ist auch ein Infragestellen ihres Ergebnisses. Damit spielt man natürlich das sektoide „Alle-gegen-uns“-Spiel, das man schon seit Jahren betreibt, weiter.
Entgegen der eigenen, kalmierenden Worte wird damit erneut der Spaten in gesellschaftliche Bruchlinien gesteckt. Man plant bereits die Maximierung des nächsten Wahlergebnisses und nimmt dafür in Kauf, ein über viele Jahrzehnte bewährtes und die Freiheit sicherndes demokratisches System zu delegitimieren.
Es ist Zeit, die FPÖ beim Wort zu nehmen. In dem Moment, in dem Strache und Hofer zur Einigung und Akzeptanz des Ergebnisses aufgerufen haben, haben sie Verantwortung übernommen – um ihr postwendend nicht mehr gerecht zu werden. Es darf nicht unbeachtet bleiben, dass die Partei sich öffentlich als Brückenbauer positioniert, aber hinterrücks weiter Zwietracht sät.