Die Personalrochade innerhalb der ÖVP-Regierungsriege ist fürs Erste abgeschlossen. Mutige Wege zum Vorteil der Republik wurden dabei – soweit man das jetzt beurteilen kann – nicht beschritten. Die ÖVP hat so gehandelt, wie es eben der Struktur und Verfassung dieser Partei entspricht. Da können auch alle Beteuerungen einer „ÖVP-neu“ nichts daran ändern. Auch in der hundertsten Wiederholung der Worthülse nicht. Auf besonders harsche Kritik stößt die Ernennung von JVP-Chef Sebastian Kurz als Staatssekretär für ein neu zu schaffendes Integrations-Staatssekretariat im Innenministerium.

Ist er der Richtige?

Ein Integrations-Staatssekretariat ist generell eine gute Sache. Weil Integration alle Mitglieder einer dynamischen Gesellschaft berührt. Diese gesellschaftliche Dynamik politisch zu begleiten, negativen Auswirkungen entgegenzusteuern und positive Auswirkungen zu verstärken könnte Teil der Aufgabe eines Integrations-Staatssekretärs sein. Ist Sebastian Kurz der Richtige für eine solche Position?

Auch Steine werden alt

Sebastian Kurz ist 24. Sein Alter stört an ihm noch am wenigsten. Denn fehlende Erfahrung könnte durch Kreativität, Ideenreichtum und politisches Durchsetzungsvermögen ausgeglichen werden. Viele Kerzen am Geburtagskuchen zu haben ist keine Qualifikation. Alt werden bekanntlich auch Steine.

Aber wo waren bis dato die zündenden Ideen von Sebastian Kurz zum Thema Integration? In welchen Bereichen hat er gezeigt, dass er zu unkonventionellen Lösungen fernab der ewigen Schuldzuweisungen und einer starren Parteilinie fähig ist?

Mir sind sie entgangen. Vielleicht wäre es also doch besser gewesen, jemanden ins Amt zu hieven, der bereits eine Vergangenheit im Integrationsbereich aufweist. Das kann auch ein junger Mensch sein.

Der Zahnarzt hilft sich selbst

Die Berührungspunkte von Sebastian Kurz zu Menschen, die von Integrationsagenden unmittelbar betroffen sind, dürften nur gering sein. Die Volkspartei – Kurz ist immerhin seit 2003 Mitglied – hat für diese Bevölkerungsgruppen bis dato kein offenes Ohr gehabt.

Der persische Zahnarzt, der ägyptische Wissenschafter oder die argentinische Managerin – diese Menschen sieht auch die Volkspartei gerne – benötigen keine zusätzlichen Anstrengungen zur Integration. Diese Menschen machen ihren Weg innerhalb unserer Gesellschaft von alleine.

Soziale Ungleichheit und das Lippenbekenntnis

Denn ethnisch-kulturelle Integrationsbarrieren sind dort gering, wo der sozioökonomische Status hoch ist. Probleme treten dort auf, wo zu kulturellen Unterschieden auch ein niedriger sozialer Status – oder einfacher ausgedrückt Armut und fehlende Perspektiven sie zu überwinden – dazu kommen.

Etwa bei Hilfsarbeitern. Etwa bei Menschen mit schlecht bezahlten Jobs im Dienstleistungssektor. Etwa bei Familien mit vielen Kindern. Sebastian Kurz hat bis heute noch keine ernsthaften politischen Ideen zur Beseitigung sozialer Ungleichheit unterbreitet. Ohne soziale Ungleichheit zu bekämpfen ist Integration jedoch nur ein Lippenbekenntnis.

Leistung?

Mit der Geilomobil-Kampagne zum Fremdschämen wurde Sebastian Kurz im letzten Wien-Wahlkampf einer breiteren Bevölkerungsschicht bekannt. Sonst bleibt von ihm nicht viel hängen, außer dass er ein braves Parteimitglied ist. Das ist jedoch zu wenig für ein Amt in einer Bundesregierung. Er hat nichts geleistet, er hat nichts geschaffen was ein Regierungsamt rechtfertigen würde.

Fairerweise kann man diesen Vorwurf aber auch anderen Regierungsmitgliedern, sowohl bei der Volkspartei als auch bei den Sozialdemokraten, machen. Im Meer der Blinden bleibt der Blinde dennoch blind und taugt nicht unbedingt als Lotse. Das ist nicht geil.

Parteiräson vor Gemeinwohl

Die Ernennung von Sebastian Kurz zum Integrations-Staatssekretär wird in vielen Online-Foren mit Spott und Häme begleitet. Der Spott trifft aber  den Falschen. Kurz macht das, was er kann. Er ist ein braves Mitglied seiner Partei und wurde durch seine Partei ernannt. Er kann ja gar nicht anders, als diesen Karrieresprung anzunehmen und in einer durchsichtigen Doppelstrategie dort nett zu lächeln, wo seine Chefin, die neue Innenministerin Mikl-Leitner, „Härte“ zeigen wird.

Wirklich kritisiert werden sollten jene, die ihn auf diese Position innerhalb der Regierung gesetzt haben. Ein Amt, für das er bis zum heutigen Tag keine Qualifizierung vorweisen kann. Das Wohl der Republik schwimmt bei dieser und anderen Amtsvergaben unter ferner liefen irgendwo mit. Diese Praktik sollte eigentlich das Ziel des Shit-Storms sein.

Den Falschen treten

Es sind die jeweiligen Parteigranden (ob offen oder verdeckt), die Entscheidungen fernab vom Gemeinwohl treffen. Das ist der Müll, der die Politik mehr und mehr im Würgegriff des Stillstandes hält. Das ist der Müll, der die Politik zur Show verkommen lässt. Das ist der Müll, den so viele so satt haben. Mit Sebastian Kurz prügelt man den Falschen. Er ist nur eine Facette dessen, was in diesem Land nicht funktioniert.

 

Foto: Elias Schwerdtfeger, CC2.0-BY-NC-SA

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