Ich hab die Schnauze seit 10 Jahren voll. Seit der Veröffentlichung der ersten beiden PISA-Studien um genau zu sein. Da ging es gefühlt damit los, dass meine Generation kaputt geschrieben wird. Und was man da nicht immer alles hört: Zuviel Party, zuwenig interessiert, zuwenig aufmüpfig, orientierungslos, unpolitisch, zuviel rauchen, zuviel saufen (Na geh! Und das in einem Land das nicht ganz ohne Stolz bei Bier und Kaffee zu den Topp-Konsumländern gehört!). Es kommen jetzt einige Dinge dazu, die im Magazin der Süddeutschen Zeitung von Meredith Haaf angeprangert wurden (und vom Blumenau aufgegriffen und bekräftigt): Kommunikationssüchtig, konfliktvermeidend, praktikumsliebend und ohne Subkultur sollen wir sein. Mein Lieblingsvorwurf: „Wir lieben unser geistig gestörtes Körperbild“. Ahja. Es ist genug des Unsinns. Sprechen wir mal ernsthaft über meine Generation.
People try to put us down
Wer ist denn eigentlich diese Generation? Die Generation Krise, Generation Playstation, Generation Praktikum, Generation Komasäufer oder Generation Internet – wie auch immer sie irgendjemand gerade bezeichnen will. Sind es die Krocha, die sich in den Discos die Seele vom Leib shaken? Oder doch eher die Emos, die das ganze Gewicht der Welt auf ihren Schultern tragen? Die Metaller, die sich freundschaftlich am Wacken anbrüllen? Sind es die Skater, die eifrig ihre Tricks lernen? Die kriminalisierten Kiffer, die auf Festivals friedlich die Sau rauslassen? Die Computerspieler, die auf LAN-Parties den Wettkampf suchen? Die vielen Leute die in Wirklichkeit von allem ein bisschen was machen? Bin es ich? Seit jeher politikinteressiert, gut in Werte verwurzelt und als älterer Bruder gewohnt sich Rechte zu erarbeiten und einer der „Kommunikationssüchtler“?
Keine Subkultur sollen wir haben? Ihr Ahnungslosen! Unzählige haben wir.
Diese seit langem beobachtbare Differenzierung der Gesellschaft ist auch ein Grund, warum der große Generationenkonflikt fehlt. Es gab schon vor uns bei weitem keine homogene Generation die einen einfachen Gegner abgeben würde. Wir mögen unsere Eltern und Großeltern und dürfen das auch, weil sie keine verkappten Faschisten mehr sind. Natürlich gibt es vieles, wogegen wir uns kollektiv erheben könnten, doch das zu benennen ist gar nicht so einfach.
Just because we get around
Was ist denn „meine Generation“? Wir sind – ob es nun alle wissen oder nicht – Kinder der Globalisierung, aber wir dürfen sie noch nicht gestalten, weil Alte an den Hebeln und Geldhähnen sitzen. Das Weltbürgertum ist für uns so normal wie das „Friedensprojekt Europa“ – wir können es gar nicht mehr wirklich wegdenken. Die Frauengleichberechtigung müssen wir nicht erarbeiten, sie ist unsere Realität. Die Benachteiligung und geistige Herabwürdigung findet bei den Alten statt.
Nie zuvor haben sich so viele junge Leute der Sozial- und Geisteswissenschaften zugetan um unsere Welt zu verstehen. Auch wenn die Idioten die PISA nicht lesen können meinen, wir wären dumm, so war nie zuvor eine Generation so gebildet. Der überlieferte Wohlstand kommt uns dafür zugute, das Potential das daraus entsteht muss sich jedoch erst entfalten. Aber das sind Zeichen, die jene nicht sehen, die lieber erklären, wie verloren wir sind.
Selektive Wahrnehmg kann man das nennen. Oder Fixierung.
Things they do look awful cold
Ja, unsere Umstände sind keine guten. Von den alten Generationen werden wir kaputtgeschrieben und -gesendet. Sie beherrschen ja auch die große gesellschaftliche Kommunikation, die wir mit unserer „Kommunikationssucht“ Stück für Stück untergraben. Auch das ist Normalität für uns: Die Kommunikations- und Informationsgesellschaft. Blogs (längst nicht am Zenit ihrer Möglichkeiten angelangt) sind unsere Leistung, während die anderen noch das Zeitungssterben betrauern und die Wertigkeit eines Werkes am Papier festmachen auf dem es gedruckt sein soll.
Ein Beispiel? Im sicheren Schoß großer Medien oder einer abgeschlossenen Karriere sitzen Leute, die immer wieder über junge JournalistInnen lästern, denen angeblich Qualitäten und Kompetenzen abgehen. (Die früher wohl jeder hatte. Schaut nur welch blühende Medienwelt diese Genies hier geschaffen haben!) Sicher ist die Kritik nicht ganz unberechtigt, aber in der Pauschalität einfach ungerecht. Auch in unserer Generation gibt es Flaschen. Auch in unserer Generation gibt es talentierte, kompetente JournalistInnen. Bloß: Eine Anneliese Rohrer (so sehr ich ihre Kommentare sonst oft schätze) hat sich noch nie mit Alfred Dorfer ins TV gesetzt und über die Talente geschwärmt, wohl aber pauschal die unkritischen FH-Studienabgänger beklagt.
Und unsere Welt sonst? Die Wirtschaft hinterlässt man uns in Scherben, das Klima zerstört, während die Ressourcen am Rand ihrer Kapazität sind. Die Gesellschaft haben die alten Generationen zur Ellbogenarena gemacht, in der die Menschen gegeneinander so aufgehetzt sind, dass sie den Wert eines gewissen Maßes an Kollektivität und der Solidarität erst wieder entdecken müssen. Die Wikipedia an sich weist auf die Bedeutung dieser Werte hin. Sie ist übrigens vor allem unsere beispiellose Leistung – die der kritisierten Generation.
Diese Alten, für die wir noch bezahlen müssen, was wir selbst angeblich nicht mehr bekommen sollen: Soziale Netze, staatliche Pensionen, sichere Arbeitsplätze. Wir flüchten in Praktika um keine Verantwortung übernehmen zu müssen? Glaubt ihr, un- oder schlecht bezahlte Arbeit suchen wir uns aus, weil das so toll ist? Wir jagen durch die Studien, die uns die Alten kaputtgespart haben und nebenher sammeln wir Berufserfahrung, weil du ohne Eifer und Berufserfahrung mit 25 der Legende nach fast schon unvermittelbar bist.
Es stimmt schon. Viele sind nicht sicher, was genau sie in der Welt machen wollen. Logisch, denn nichts erscheint sicher und nachhaltig, alles austauschbar. Wir wissen, dass wir uns wohl mehrmals im Leben umstellen werden müssen. Flüchten wir vor der Verantwortung, wie die Süddeutsche sagt, oder wir freunden uns mit dem an, was uns unweigerlich erwartet und machen für uns das Beste daraus?
I hope I die before I get old
Und was haben die Alten gemacht, dass es ihnen erlaubt darüber zu urteilen? Was ist schon eure Leistung? Uns Junge – so unterschiedlich wir sein mögen – wird eines einen müssen: Wir sind die Generation der Feuerwehrleute, die eure eingebrockte Suppe auslöffeln wird. Und es ist nicht sicher, ob wir viel dafür bekommen.
Aber anders gehts nicht, sonst geht die Welt zugrunde – weils die anderen wider besseren Wissens verschissen haben. Unser Credo ist vorgeschrieben: verzichten und umdenken. Wir können es uns wohl nicht aussuchen. Wer kann verlangen, dass wir von heute auf morgen all das ändern können, was angeblich normal und vorprogrammiert ist? In diesem Klima aus Angst und freudloser Perspektive muss erstmal jemand die Hoffnung aufbringen, um etwas besser machen zu wollen. Und doch: Wir werden das schon schaukeln. Und wenn ihr uns noch so oft runterputzt.
Eine Ideologie kann uns dabei (noch?) nicht einen, denn politisch hat uns die herrschende Generation aufgegeben, die noch einen ideologischen Kampf kannte. Niemand macht uns ein attraktives Angebot oder zeigt uns eine Vision. Selbst unsere Grünen, die mit uns erwachsen wurden, sprechen im Moment nicht mit uns sondern lieber über sich. Und der mächtige aber ideenlose Geriatriehaufen – der Sozialdemokratie, Konservative und Neoliberale mittlerweile geworden sind – der ist nicht einmal einen Lacher wert. Dem schließen sich überhaupt nur noch jene an, die sich davon persönliche Vorteile erhoffen.
All das ist so hoffnungslos verloren, dass eine kritische Auseinandersetzung sich salopp gesagt nicht wirklich auszahlt. Das landet alles im Mülleimer des Universums, wird ganz zwangsläufig überworfen werden. Und gegen diese geballte Ignoranz und Arroganz Widerstand zu leisten und sich das Angebot selbst schaffen – eine eigene Ideologie oder Vision – das dauert ein bisschen.Auch die 68er-Bewegungen (das große Beispiel einer angeblich ganzen Generation die sich ur was getraut hat) entstanden nicht über Nacht.
Aber es wird schon. Die Piratenpartei ist der Vorbote eines neuen jungen Selbstbewusstseins. Sie hat kein komplettes Programm und bietet noch keine echte Alternative. Aber sie verkörpert neue Ideen, ein neues Selbstverständnis und ist die erste Partei, die unsere Lebenswelt verteidigt und propagiert. Gegen wen? Gegen die verkrusteten Alten, die diese unsere Realität verklagen, wann immer sie können.
Sie versagen als Generation einmal mehr auf unsere Kosten.