Vor etwa einem halben Jahr hielt Gordon Brown einen TED Talk. Er erzählte dabei eine Anekdote über ein Treffen in den 1980ern zwischen Ronald Reagan und Olof Palme, dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Schwedens. Reagan soll Palme (den er der Legende nach für eine Art Kommunist hielt) gefragt haben, ob er gedenke die Reichen abzuschaffen. Die Antwort des Schweden sei gewesen: „Nein, ich möchte die Armen abschaffen“.

Das klingt im ersten Moment ziemlich clever, weil es die Erwartungshaltung von solch überzeugten Neoliberalen wie Reagan absurd erscheinen lässt. Es lässt aber eine Frage offen: Wäre es wirklich so falsch, die Reichen abzuschaffen?

Der Reichtum der Reichen ist pervers. Das haben uns KapitalismusgegnerInnen und -kritikerInnen mittlerweile oft sehr plakativ mitgeteilt. Wir müssen für diese Erkenntnis gar nicht über eine Milliarde hungernder Menschen sprechen – oder über das Einkommen in Burkina Faso, gegen das auch eine Putzkraft in Österreich wie ein dekadenter Krösus wirkt. Es ist nicht nötig, die Bilder verknöcherter Kinder hochzuhalten.

Reicht es nicht, dass der laut Forbes reichste Mensch der Welt so viel Vermögen besitzt, wie ein reiches Land wie Österreich in zehn Jahren für sein komplettes Universitätswesen ausgibt? Und das, obwohl er gerade weitere viereinhalb Jahre wegen der Wirtschaftskrise verloren hat (aktueller Wechselkurs (1US$ = 0,67€), Unibudget 2006 (PDF))? Da ist doch nicht nur die Frage rhetorisch, ob diese Besitzstände verhältnismäßig sind. Es ist bereits die Frage rhetorisch, ob man diese Fragen stellen muss.

Dabei braucht man aber nicht nur Extreme zu betrachten. Die Vermögen der Gates und der Buffets sind natürlich extrem, doch sie sind längst nicht die einzige Perversion. Welche Leistung könnte es wert sein, dass ein Mensch überhaupt mehrere Millionen Euro im Jahr verdient? Und das womöglich gar permanent?

Ich kenne Menschen in hohen Positionen von großen Unternehmen, die einige tausend Euro im Monat verdienen. Diese Leute haben mehr als eine 60-Stunden-Woche, und es ist völlig in Ordnung, wenn sie dafür gut entlohnt werden. Es ist auch kein Problem, sondern gut, wenn die höchsten politischen Ämter mit Gehältern um die 20.000 € entlohnt werden. Auch Menschen, die ein gutes Unternehem aufbauen und ihre ArbeiterInnen gut behandeln, müssen in einem gewissen Rahmen reich werden. Das ist nicht nur ein Ansporn, um Leistung zu erbringen – es ist auch gerecht. All das ist harte Arbeit mit viel Verantwortung, der Lohn dafür soll ein sehr gutes und luxuriöses Leben sein.

Ich kenne aber auch Menschen, die sich den Arsch abarbeiten und trotzdem gerade einmal genug zum Überleben verdienen. Es ist völlig illusorisch zu glauben, dass Einkommen heute mit realer Leistung zu tun haben. Einkommen richten sich nach der Macht, sich die Einkommen richten zu können. Es gibt keine Leistung und kein Opfer, das Einkommen in der Höhe von hunderttausenden Euro rechtfertigt. Spricht da der Neid aus mir, vor dem die BewahrerInnen der armen, gehetzten Reichen so oft warnen? Eher die Wut. Um neidisch zu sein, müsste ich ja der Perversion nacheifern wollen.

Wie kann man diese Zustände verbessern, wie kann man die Reichen und die Armen abschaffen? Dazu muss man weder die Armen abschlachten, noch den Reichen etwas antun – man muss sie nicht einmal enteignen. Es müsste einfach systematisch sichergestellt werden, dass es zwar zu leistungsgerechten Unterschieden kommen kann, diese aber nicht obszön werden. Die Ungleichheiten verringern sich dann Schritt für Schritt automatisch. Dazu muss die Gesellschaft ein Maß ausverhandeln, welche Einkommen vernünftig vertretbar sind – und wie man höhere verhindern will.

Für das Erstellen von vernünftige, funktionstüchtigen Mechanismen und Modellen des Ausgleichs gibt es fähige Leute. Das ließe sich über Steuern und Verbote regeln, aber auch von der anderen Seite angehen.

RSS-Feed Definieren wir doch ein menschenwürdiges Mindesteinkommen, das den Zugang zu ausreichend Nahrung, jedweder Bildung, ausreichend ausgestatteten Wohnungen, angebrachter Mobilität und allen für eine gesellschaftliche Teilhabe nötigen Formen von Kommunikation und Information leistet – egal, welche Arbeit man wo auf diesem Planeten verrichtet.

Staaten und Unternehmen, die das missachten, dürfen dann einfach nichts verkaufen oder werden angeklagt. Sind gerechte Löhne für alle erst einmal garantiert, werden die Perversionen ganz von selbst weniger, weil der Kuchen, um den die Gierigen sich streiten, einfach kleiner wird.

Vielleicht muss die dekadente Übertreibung sogar abgeschafft werden, die radikaler Reichtum heute ist. Das ist eine Utopie, aber auch als solche weder kommunistisch noch verachtenswert.

Dieser Text ist gleichzeitig der Start meiner neuen Blog-Serie bei ZiB21.com

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