If you really wish to do anything, resign your office“ (Henry David Thoreau, „On the Duty of Civil Disobedience“, 1849).

Das obige Zitat stammt aus einem kleinen Pamphlet, das oft gemeinsam mit Thoreaus bekanntestem Werk „Walden“ publiziert wird. In dem Aufsatz geht es um den sogenannten zivilen Ungehorsam, zu dem ein Bürger, eine Bürgerin verpflichtet ist, wenn der Staat seine Kompetenzen überschreitet und sich in die Anwendung unrechtmäßiger, ungerechter Praktiken versteigt. Thoreau spielt in seinem Aufsatz unter Anderem auf die von den USA damals legalisierte Sklaverei an. Der zitierte Ausspruch war schließlich das Resultat eines Gedankenexperimentes, demzufolge der Bürger Widerstand leisten kann, indem er die Zahlung von Steuern verweigert, Steuern die letztlich dazu dienen, ungerechte Praktiken zu finanzieren.

Wenn, so meint er, 1000 Männer sich weigerten ihre Steuern zu begleichen, dann wäre das eine unblutige, nicht gewalttätige Form, sich der Staatsgewalt zu widersetzen. Würde der Steuereintreiber, oder irgendein sonstiger öffentlicher Beamter ihm schließlich entgegnen, was er denn dagegen tun solle, lautet die Antwort von Thoreau, dass er sein Amt niederlegen solle. Thoreaus Fazit: widersetzt sich der Einzelne, legt der Beamte sein Amt nieder, so ist die Revolution erfolgreich gewesen.

Und was hat das mit mir zu tun?

Wenn Sie sich fragen, warum ich ausgerechnet aus einer mehr als 160 Jahre alten Schrift zitiere, dann halte ich Ihnen entgegen, dass es sich abgesehen von der verwendeten Sprache, noch um ein sehr aktuelles Dokument handelt. Thoreau hat immer wieder gewaltlose Revolutionäre inspiriert und es gilt auch heutzutage nicht aus den Augen zu verlieren, wofür das Steuergeld des Einzelnen im Staat letztlich verwendet wird.

So ärgert mich seit langem die Praxis gewisse Statistiken so zu instrumentalisieren, dass man aus datentechnischen Mücken Elefanten macht und selbst geringe Summen als nicht verfügbar argumentiert, andererseits aber nach dem Gießkannenprinzip verteilte Steuergelder als sinnvolle, die Stabilität des Landes garantierende Notfallsmaßnahmen präsentiert. Als jemand, der sich im Laufe ihres Lebens auch beruflich mit Statistiken beschäftigt hat und das noch immer tut, dreht sich mir bei diversen Datenpräsentationen regelmäßig der Magen um, vor allem, wenn man die Zahlen in Häppchen und Scheiben präsentiert und sich ausgerechnet das heraussucht, was zufällig die aktuelle Meinung in der Partei, im Ministerium etc. repräsentiert.

Fürchtet Euch! Oder doch nicht?

So wird etwa seit Jahren über diverse kriminelle Ostbanden, als wohl größte Gefahr für das österreichische Eigenheim polemisiert und man steckt Millionen in diverse Sonderkommandos, die dann am Wochenende ganze Landstriche abriegeln, um schließlich eine Handvoll Verdächtige zu verhaften. Die jeweils aktuellen Innenminister stellen sich dann ganz stolz vor ein paar besonders verwegen aussehende Polizeibeamte und lachen zufrieden von den diversen Seiten der offenbar mittlerweile mit politischen Kompetenzen ausgestatteten Boulevardblätter.

Dazu präsentiert man dann „die Kriminalstatistik“. Übrigens aber immer nur dann, wenn man aus dieser Statistik, die ihren Namen keineswegs verdient, zumindest ansatzweise Erfolgserlebnisse zusammenrechnen kann. Geht das nicht, lässt man die Informationen gern auch unter den Tisch fallen, macht schnell eine Daten-Restrukturierung und kann sich dann beruhigt und mit entsprechender Leidensmine verteidigen, dass die Zahlen leider nicht vergleichbar sind.

Staatsgeheimnisse versus das Recht auf Information

Seit längerem beschäftige ich mich wieder intensiver mit der Kriminalstatistik, vor allem weil ich es leid bin, wenn von der jeweils aktuellen Regierung Zahlen wiederholt manipuliert und instrumentalisiert werden, ohne der mündigen Bürgerin die Gelegenheit zu geben, sich selbst ein Bild darüber zu machen. Open Government nennen sich diverse Initiativen, die z.B. in Großbritannien erfreulicherweise Zugang zu Daten gewähren, auf die jeder Bürger, jede Bürgerin selbstverständlich Zugriff haben sollte.

Dazu zählen auch Kriminalstatistiken. Wenn also mein Steuergeld dafür ausgegeben wird, dass man einer Handvoll rumänischen Einbrechern nachjagt, dann möchte ich es gerne genauer wissen und mir alle zugrunde liegenden Daten der Kriminalstatistik selbst ansehen und nötigenfalls meine eigenen Berechnungen durchführen. Das Innenministerium ignoriert übrigens seit fast einem Monat eine diesbezügliche Anfrage meinerseits.

Weißer Kragen ist nicht gleich weiße Weste

Während man also ordinären, osteuropäischen Gangstern hierzulande am liebsten die Schuld für die Gesamtheit, der durch kriminelles Verhalten verursachten finanziellen Schäden in die Schuhe schieben möchte, breitet sich von offizieller Seite ein dichter Mantel des Schweigens über die Ausmaße des sogenanten „White Collar Crime“, also Straftaten, die von anderen sozialen Schichten, von Bankern, Industriellen und auch Politikern begangen werden, welche überdies zumeist auch noch die heimische Staatsbürgerschaft besitzen und den einen oder anderen Verdienstorden. Diese Art von Kriminalität stellt jedoch ganz nebenbei (auch nach einer banalen Schätzung, ohne detailliertes Datenmaterial) alles in den Schatten, was osteuropäische Banden in den letzten Jahrzehnten an Schaden im Land verursacht haben.

Millionengrab Hypo Alpe Adria

Als illustratives Beispiel soll der aktuellste Fall der Hypo Alpe Adria dienen. Über den enormen finanziellen Schaden verliert man in der Regierung, die massig Geld in diverse zugrunde gerichtete „Private Institutionen“ steckt, interessanterweise nämlich kaum ein Wort. Aber man fabuliert PR-profihaft von einer sog. CSI-Hypo, obwohl man noch nicht einen der versprochenen 100 Sonderermittler je gesehen oder gehört hat und ein grinsender Kärntner Politiker schlägt dem Fass den Boden aus, indem er erklärt die finanzielle Lösung für das Banken- und Politikdesaster Hypo Alpe Adria sei ein „Sieg für Kärnten“ und es müsse sich „das Volk bei den Politikern bedanken„.

Laut Adam Riese…

Auch wenn man bei den diversen Statistiken hin und wieder den Eindruck bekommt, man befinde sich in einem autoritären Regime – Geheimniskrämerei und Missinformation scheinen hierzulande Staatsstandard – so kann man sich über die Ausmaße der jeweiligen Schäden wenigstens ein ungefähres Bild machen. Laut einem Artikel in der Presse und den diversen Zahlen, die man in der Kriminalstatistik (noch) findet, fanden 2009 in Österreich insgesamt 19.718 Einbrüche in Wohnungen und Häuser statt, 2008 waren es 17.180.

Schadenssummen werden in der Kriminalstatistik keine ausgewiesen, also habe ich bei den Versicherern nachgeforscht. Laut dem Jahresbericht 2008 (jüngste verfügbare Zahlen) des Versicherungsverband Österreich (VVÖ) gab es in der Kategorie „Einbruch-Diebstahl“ Leistungen von 69 Millionen Euro. Mit der Kriminalstatistik lassen sich diese Zahlen natürlich nicht zusammenführen, es ist also unmöglich eine durchschnittliche Schadenssumme pro Einbruch zu errechnen. Etwas sorgfältiger ist man da in Deutschland (ein Segen, dass die Staatsanwaltschaft Bayern im Fall Hypo ermittelt…), lt. der Initiative „Nicht Bei Mir“ beträgt der ungefähre durchschnittliche Schaden pro Einbruch im privaten Bereich 1.060 Euro, der Gesamtschaden durch Einbrüche in Wohnungen und Gewerbe beläuft sich auf rund 650 Millionen Euro (2008). Auf Österreich lassen sich diese Zahlen zwar wieder nicht genau umrechnen, aber wenn man beim Betrag von 69 Millionen Euro bleibt, so wird man mit einem Blick auf die Schadenssumme, die man bei der Hypo Alpe Adria bis dato verursacht hat, schnell zum Schluss kommen, dass es sich dabei um sog. „Peanuts“ handelt.

Georg Holzer, ein engagierter Blogkollege aus Kärnten, hat sich dankenswerterweise die Mühe gemacht, diverse Ausgaben im südlichsten Bundesland in einer hübschen Grafik zu veranschaulichen.

Bildung? Zu teuer! Arbeitslose? Soziale Hängematte! Migranten? Schmarotzer!

Dem österreichischen Steuerzahler hat die Hypo Alpe Adria im Jahr 2009 bereits 900 Millionen Euro gekostet (ebenfalls ein Bericht aus der Presse). Vermutlich wird es wohl noch mehr werden. Im sogenannten Bankenrettungspaket (Informationen lt. Attac Österreich) stehen zur Rekapitalisierung bis zu 15 Milliarden Euro zur Verfügung, noch mehr ist für Haftungsübernahmen vorgesehen (rd. 75 Mrd.).

Die Liste an Milliardengräbern für Steuergeld ist aber noch lange nicht zu Ende. (Halb-)Öffentliche Betriebe wie ÖBB, ASFINAG und AUA haben uns in den vergangenen Jahren Unsummen, die mit einem Fingerschnippen der zuständigen Politiker verteilt wurden, gekostet, gleichzeitig gab es aber keinerlei Verpflichtungen an die Betriebe in Sachen Transparenz oder gar Sanktionen und bei den meisten der Unternehmen läuft die Geldverbrennungsmaschinerie bis dato, sofern sie noch im (zumindest teilweisen) Staatseigentum stehen, munter weiter.

Das alles soll nun nicht als Kleinreden der Unrechtmäßigkeit eines Wohnungs- oder Hauseinbruchs missverstanden werden, jeder Rechtsbruch soll und muss seine Folgen haben, dafür leben wir ja auch in einem Rechtstaat, viel mehr geht es darum, eine gewisse Verhältnismäßigkeit einzufordern, denn dieser scheinen sich die gewählten Amtsträger offenbar vor lauter Um-Sich-Werfen mit Steuergeld nicht mehr bewusst zu sein. Da wird dann lieber polemisiert und manipuliert, wird eine Neiddebatte angezettelt und werden Bereiche wie Bildung oder Soziales kaputtgespart.

Die in die diversen Ämter gewählten Politiker in Österreich sollten sich also lieber heute als morgen darauf besinnen, dass sie im Umgang mit Steuergeld eine sehr hohe Verantwortung tragen. Dazu gehört unter Anderem die Verpflichtung, das vom Steuerzahler zur Verfügung gestellte Geld vernünftig, nachvollziehbar und transparent zu verwenden und zwar in jedem Bereich, der von den jeweiligen Amtspflichten umfasst wird, weiters diese Verwendung ausführlichst zu dokumentieren und letztlich den freien Zugang zu den daraus gewonnenen (Roh-)Daten zu garantieren.

Allenfalls kann ich nur dafür plädieren, sich für zivilen Ungehorsam à la Thoreau etwas mehr zu interessieren.

Susanne, 1. April 2010

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