Immer wieder liest und hört man in letzter Zeit wenn irgendwo im Land gewählt wird, dass man bloß noch die Wahl habe zwischen Pest und Cholera. Das könnte man jetzt, um den restlichen kandidierenden Parteien nicht das Existenzrecht abzusprechen, auch auf diverse andere Krankheitsbilder ausdehnen, das Fazit ist dasselbe: die Einschätzung stimmt und spiegelt sich in der steigenden Zahl von Nichtwählern, egal um welche Wahl es sich nun handelt, wider. Die Leute wissen einfach nicht mehr wen sie überhaupt noch wählen können. Und wenn man sich denn aufrafft und sich zur Wahlzelle schleppt, dann wählt man die Partei, von der man sich das geringste Übel erwartet. Meistens, um bereits am Tag nach der Wahl von den jeweiligen Volksvertretern, denen man seine kostbare Stimme geschenkt hat, auf allen Linien enttäuscht zu werden.
A statesman is he who thinks in the future generations, and a politician is he who thinks in the upcoming elections“ (Abraham Lincoln)
Aussterbende Spezies „Idealist“
Wenn ich mich also im heutigen Eintrag um die Frage kümmern möchte, warum dem so ist, so sei auf das obige Zitat verwiesen. Abraham Lincoln hat damit vollkommen recht und selbst wenn der Satz einer banalen Google-Suche geschuldet ist und keine verlässliche Quelle, die seine Autorenschaft bestätigt hätte, ausfindig zu machen war, so wird man, wenn man sich etwas mehr mit der Person Abraham Lincoln beschäftigt, erkennen, dass er durchaus der Urheber des Zitats hätte sein könnte. Lincoln war nämlich alles andere als ein Showman. Seine berühmte Gettysburg Address hat nicht mehr als zwei Minuten in Anspruch genommen, sie zählt heute zu den berühmtesten politischen Reden, als Präsident der Vereinigten Staaten hat er für seine Überzeugung gekämpft, letztlich hat ihm das sogar das Leben gekostet.
Mein Amt gehört mir!
Diese Art von Staatsmann, oder Staatsfrau, das Geschlecht ist letztlich irrelevant, fehlt heutzutage. Es scheint nur noch „Politiker“ zu geben, Menschen, die bloß eines im Auge haben, und zwar so lange wie möglich, koste es was es wolle, im Amt zu bleiben. Mehr noch, mittlerweile scheint sich eine Art Berufspolitikertum etabliert zu haben, das hauptsächlich jene Leute in diverse Ämter und Positionen befördert, die sich entweder seit Kindheit durch die diversen Parteiakademien gearbeitet haben, oder aber zumindest nie dadurch aufgefallen sind, dass sie den diversen Parteivorsitzenden widersprochen hätten. Quereinsteiger sind eine Ausnahme und selbst unter ihnen ist die Dichte jener Personen hoch, denen schon vor ihrem Einstieg in die Politik gewisse „Jobs“ versprochen wurden. Man denke an diverse Sportler oder Fernsehleute.
Schuld daran sind einerseits die Parteiapparate, andererseits das in Österreich geltende Verhältniswahlrecht. Dabei wird nämlich, bis auf wenige Ausnahmen (die aktuelle Bundespräsidentschaftswahl zum Beispiel) nicht die Person selbst, sondern eine Partei gewählt. Und letztere schließlich bestimmt, wer in der Reihung ihrer Kandidaten soweit oben steht, dass er oder sie auch die Chance hat, in den Nationalrat oder Landtag einzuziehen. Diese Listenreihung erfolgt meist aufgrund mehr oder weniger undurchsichtiger interner Wahlmodi, aber selbst wenn man davon ausgeht, dass einige Parteien diesbezüglich transparenter sind als andere (ein Beispiel wären die Wiener Grünen, deren Statuten sich dann doch eher als Lippenbekenntnisse erwiesen haben – Stichwort „Grüne Vorwahlen„), es läuft letztlich auf dasselbe hinaus: gewählt wird die Partei und der ins Amt gehobene Repräsentant, die Repräsentantin, schuldet der Partei, nicht dem Wähler.
You’re fired!
Eine unmittelbarere Form der Demokratie, so wie man sie in den USA findet, wo Kongress- und Senatsabgeordnete direkt gewählt werden und manchmal sehr schnell erleben, was es bedeutet, wenn sie ihre Wähler enttäuschen (nämlich dann, wenn sie bei den nächsten Wahlen abgewählt werden), wäre auch hierzulande wünschenswert. Insbesondere, wenn man immer wieder aufs Neue die Farce des sog. „Freien Mandats“ im Nationalrat miterleben kann. Theoretisch handelt es sich um die Freiheit der Abgeordneten, so abzustimmen, wie es ihr Gewissen befiehlt, praktisch unterliegt jeder Abgeordnete dem Klubzwang – sprich hat so abzustimmen, wie es im parlamentarischen Klub der jeweiligen Partei beschlossen wurde. Was dabei herauskommt, sieht man am Beispiel des 3. Nationalratspräsidenten Martin Graf.
Was also tun?
Wenn man sich nun die Frage stellt was zu tun ist, so kann ich aktuell leider bloß entgegnen, dass man am besten abwartet und Tee trinkt. Denn eine Änderung des Wahlrechts ist hierzulande ungefähr so wahrscheinlich wie die Wiedereinführung der Monarchie. Nachdem man aber nicht ausschließen kann, dass sich charismatische Leute auch in Einzelfällen noch irgendwo in dieser heimischen Politik oder zumindest im Land per se befinden, wird man wohl lediglich die Hoffnung nicht aufgeben dürfen, dass bald der Moment kommt, wo sie sich vor den Vorhang trauen. Leider birgt die Strategie des Aussitzens auch große Gefahren, denn selbst wenn die Frustration der Wähler bedeutet, dass sie sich von den herkömmlichen Parteien abwenden, so ist die entscheidende Frage jene, wer die verlorenen Stimmen aufsammelt.
Das Rennen um die frustrierten Wähler
Hier liegt der sprichwörtliche Hund begraben, denn wenn ich davon spreche, dass es hierzulande endlich wieder charismatischer Staatsleuten bedarf, so meine ich damit ausdrücklich nicht der Polemik verhaftete Rabauken, die ihr Wahlprogramm in rechtsrechtem Agitieren verstehen und sonst keine Lösungen anzubieten haben, sondern genau das Gegenteil davon. Ich spreche von Leuten, die das Format eines Lincoln haben, oder eines Obama wenn man so will: intelligente, sachorientierte Experten, deren Charisma weniger im Drechseln markiger Sprüche liegt, sondern sich in der Realisierbarkeit und Vernunft ihres Planes für das Land begründet. Und das unabhängig davon, ob sie dadurch ihre Wiederwahl gefährden, oder sich überhaupt der Gefahr aussetzen eine Erstwahl aufgrund einer gewissen Prinzipientreue zu riskieren. Ich meine Leute, die sich nicht auf die Schwächsten der Gesellschaft stürzen und ihnen den schwarzen Peter für die Misere im Land zuschieben, sondern Menschen, die sich an internationale Übereinkommen in Bezug auf Menschenrechte halten, ohne dabei auf eine an der Realität ausgerichtete Politik zu vergessen.
Ist da jemand?
Man kann nun einwenden, dass es sich dabei um eine völlig unrealistische Wunschvorstellung handelt, ich meine Folgendes: das ist vollkommen irrelevant! Ich als Wählerin habe, wenn ich schon mit den zur Auswahl stehenden Politikern unzufrieden bin, trotz allem das Recht jene Volksvertreter und Vertreterinnen einzufordern, die ich für fähig halte, dass sie hierzulande wieder wie wirkliche Staatsleute agieren. Das ist sogar meine Pflicht! Und wenn nicht nur ich diese Forderung immer wieder aufs Neue stelle, sondern alle, die mir zustimmen, dann bin ich auch der naiven Überzeugung, dass sie mit der Zeit, bei jenen Leuten ankommt, die es sich im Moment noch nicht zutrauen, diese Rolle mit der notwendigen Verve zu verfolgen. Also nicht bei den Politikern, sondern bei den Staatsleuten.
Susanne, 14. April 2010