Bei der Einladung von Bloggerinnen (versehentlich waren kurzzeitig wirklich nur Frauen geladen) zum Heinz Fischer-Wahlkampfauftakt entzündete sich eine kurze Debatte über den Sinn verschiedener Formen von Frauenförderung. Mit etwas zeitlichem Abstand zu der Sache möchte ich diese Debatte noch einmal aufnehmen.

Ich kann das Drehen und Wenden, dass das Fördern der Sichtbarkeit von Frauen positive Diskriminierung sein soll, echt nicht mehr hören. Gleichstellung haben wir noch lange nicht, wenn wir die mal haben, dann können wir weiter reden. Ca. 2080, wenn überhaupt. (Jana Herwig damals)

Das Aussperren von Bloggern ginge mir zu weit und über das „Fördern von Sichtbarkeit“ hinaus. Deshalb hatte ich mich damals auch gleich in die Diskussion geworfen. Der gezielte Weckruf an Politikbloggerinnen – der die Aktion des Fischer-Wahlkampfs eigentlich sein sollte und dann auch war – ist in Ordnung (obwohl ich selbstbewusste Bloggerinnen kenne, denen das blöd vorkam). Dahinter steht der Wunsch, Rollenbilder zu ändern, Klischees zu bekämpfen, Vorbildmädels etwas ins Rampenlicht zu stellen. Ich lehne auch positive Diskriminierung nicht gänzlich ab, aber ob sie Sinn ergibt muss man von Fall zu Fall entscheiden. (Das jetzt auszuführen würde zu akademisch werden. Vielleicht ein anderes Mal.)

Ich bin anderer Meinung als Jana, dass wir erst „ca. 2080, wenn überhaupt“ Maßnahmen zur Frauengleichstellung hinterfragen sollen. Gerade wenn wir uns den Medienbereich (zu dem Politikblogs gehören) ansehen, sind die Problemkinder der Zukunft nämlich vorrangig Männer – und wir hätten besser schon vor Jahren darüber gesprochen, was da falsch läuft.

Alte Diskriminierung

Was?„, höre ich da, „Im Journalismus sind Männer in der Überzahl, verdienen mehr und besetzen mehr hohe Posten!„. Das stimmt. Diese Statistik ist aber älteren Generationen geschuldet. Zwar sind insgesamt nur 42% der JournalistInnen in Österreich Frauen, in der Gruppe unter 30 sind es allerdings schon 59%. Auch bei 30 bis 39-jährigen (der größten Berufsschicht) sind die Verhältnisse bereits etwa ausgeglichen (47%).

Erst über diesem Alter sind Männer deutlich in der Mehrzahl (das ist die Gruppe, die höheren Positionen besetzt und mehr verdient). Das wird sich auch nicht mehr ändern, es sei denn jemand findet Mittel, um 55-jährige Frauen in den Journalismus zu bringen. Zwar gibt es noch geringfügige Gehaltsunterschiede, die haben allerdings kaum noch mit Benachteiligung im Beruf zu tun, sondern mit Dingen die außerhalb der Arbeitswelt wurzeln. Die vor Jahrzehnten vorhandene Benachteiligung der Frauen verzerrt die Statistik von heute und vermittelt einen falschen Eindruck.

Neue Probleme

Frauen sind in der Gruppe der jungen JournalistInnen (wie in mittlerweile vielen Berufsgruppen) auch wesentlich besser gebildet. Nur 19% der U30-Journalisten sind Akademiker, aber 36% der Journalistinnen (da wundert es mich dann auch nicht mehr ganz so sehr, dass Frauen dieser Gruppe öfter Teilzeit-angestellt sind – sie studieren ja häufiger nebenbei). Bei den 30- bis 39-jährigen ist die Diskrepanz mit 34% zu 52% ähnlich.

In anderen Kommunikationsbereichen wird das alles nicht anders aussehen. Bereits Mitte der 80er kam es an den Universitäten zum „gender switch“. 65% der Kommunikationswissenschafts-AbsolventInnen sind heute Frauen. Ganz allgemein sind 57% der Erstsemestrigen an Hochschulen weiblich. Das wird seltsamerweise nie besonders aggressiv thematisiert und öffentlich auch nicht mit dem Genderthema in Verbindung gebracht.

Vielleicht nehme ich das zu selektiv wahr, denn bestimmt wird irgendwo darüber gesprochen. Aber was man ohne großes Zutun in der Öffentlichkeit mitbekommt, erzeugt folgendes Gefühl: Wenn 60% (Zahl aus dem Gedächtnis aus meiner Einführungsveranstaltung) der Politikwissenschafts-Studierenden männlich sind, dann ist das ein Problem das thematisiert wird. Wenn in der Kommunikationswissenschaft das Verhältnis umgekehrt ist (oder man sich bei Bildungswissenschafts-Studentinnen das Binnen-I quasi sparen kann) scheint es keines zu sein. (Alle Daten stammen aus Studien des Medienhaus Wien.)

Geschlechternetzwerke sind auch feminin nicht besser

Diese Zahlen sind nicht neu sondern seit Jahren bekannt. Denkt man diese Entwicklungen weiter wird klar, dass Männer künftig eine unverhältnismäßige Minderheit im Journalismus (und in der Folge auch in seinen Führungspositionen) ausmachen werden. Frauen werden dann mehr verdienen und womöglich auch mehr Frauen hochziehen, denn auch Frauen können sexistisch sein.

Mich hat jüngst die Entdeckung einer Facebook-Gruppe etwas kopfschüttelnd amüsiert. Neben den „Medienmenschen in Österreich“ gibt es auch eine Gruppe für Frauen im Medienbereich (gestartet von dieser Initiative). Eine für Männer fand ich auf die Schnelle nicht – brauche ich meiner Meinung nach auch nicht.

Bis der logische Wandel aus all diesen Entwicklungen in der oberflächlichen Statistik sichtbar wird, dauert es noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Ich gehe davon aus, dass Frauen mittelfristig in allen Bereichen des Journalismus besser dastehen (vielleicht bloggen die dann ja auch). Die grundlegenden Probleme der absehbaren Ungleichheit liegen aber schon im heute.

Mit alldem will ich nicht behaupten, dass Frauenförderung obsolet ist. Möglicherweise besteht auch im Journalismus- und Medienbereich noch Handlungsbedarf – bestimmt in der Gesamtgesellschaft. (Meiner Einschätzung nach geht es heute mehr um das Ändern von Geschlechterbildern als den Kampf gegen Diskriminierung). Es ist aber offensichtlich, dass es nicht mehr nur die Frauen sind, die Hilfe benötigen.

Ob man mit der Frauengleichstellung vielleicht weiter ist, als manchmal gedacht? Muss ja nicht sein, aber schon heute (und damit deutlich vor „ca. 2080, wenn überhaupt„) darf man darüber zu sprechen.

Fotocredits: assbach, CC2.0 BY-NC-SA (verändert von zurPolitik.com)

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