In Barcelona gibt es seit Jahren eine besonders aktive Szene von HausbesetzerInnen. Unzählige unbewohnte Gebäude werden als Veranstaltungsräume, Gemeinschaftszentren oder auch einfach Wohnräume revitalisiert.
In einem dieser Häuser durfte ich für zwei Wochen mitleben und habe eine andere Form der Besetzung kennengelernt, als ich von Audimax, C1 und den anderen Hörsälen in Österreich kannte: Verschlossene Türen statt offener Freiräume, Hausrenovierung statt stundenlanger politischer Diskussionen. Hinein kommt nur, wer gekannt wird und alle helfen mit.
„La Guattla“ (die Wachtel) haben die 12 BewohnerInnen ihr neues Zuhause getauft. In drei Monaten haben sie in der kleinen, leerstehenden Holzfabrik, in unmittelbarer Nähe der berühmten Fuentes Mágicas, Zimmer gebaut, eine Küche eingerichtet und zu Leben begonnen. Manches ist fertig, vieles noch eine Baustelle.
Die ersten 72 Stunden sind bei Besetzungen in Barcelona am kritischsten. Um sie zu überstehen, ist es üblich, bei Nacht einzusteigen und sich zu verbarrikadieren – Schlösser werden ausgetauscht und Fenster zugemauert. Danach müssen zumindest einmal die Gerichte eingeschaltet werden, ein Prozess, den die BesetzerInnen in die Länge zu ziehen wissen.
Strom und Wasser wurden in La Guattla illegal wieder angeschlossen, ein Boiler sorgt für Warmwasser und auf einem Gasherd wird gekocht. Zweimal im Monat besprechen sich die BewohnerInnen. Putz- und Koch-, Anwesenheits- und Dumpster-Pläne werden erstellt. Jeden Tag wird gemeinsam zu Mittag und zu Abend gegessen.
„Das System ermöglicht uns das Besetzen. Es produziert so viel im Überfluss, dass auch viel weggeschmissen werden muss. Squatting kann nur ein erster Schritt innerhalb des Systems sein“, sagt César, einer der BesetzerInnen.
Die BewohnerInnen von La Guattla kommen aus Spanien, Portugal, Frankreich und der Elfenbeinküste. Sie sind zwischen 17 und 35 Jahre alt. Einige studieren, andere arbeiten. Den oder die „typischeN BesetzerIn“ gibt es nicht.
La Guattla wurde aus einem sehr konkreten Grund besetzt. Die Stadt lässt die Nachbarschaft, in unmittelbarer Nähe zahlreicher Tourismusattraktionen, verwahrlosen, um die EinwohnerInnen zu vertreiben und Hotels bauen zu können, erzählt César.
Die BesetzerInnen wollen nicht tatenlos zusehen. Mit „El Niu de la Guattla“ – „Das Nest der Wachtel“ – einem sozialen Zentrum im Keller des Hauses, soll die Nachbarschaft revitalisiert und die NachbarInnen mobilisiert werden. Dazu wird tagelang Schutt geschaufelt, eine Bühne und eine Bar gebaut.
„Eine gute Beziehung zu den Nachbarn ist am Wichtigsten. Ohne geht es nicht,“ betont César. Sätze wie diese hört man immer wieder. Auch viele andere besetzte Häuser bieten Nachbarschaftszentren, Kostnix-Läden oder ähnliche Projekte.
Allgemein ist die Beziehung zwischen Besetzungen und der Stadt sehr positiv. Viele kleine „Supermercados“ und MarktverkäuferInnen geben freiwillig unverkaufbare Lebensmittel ab. Gedumpstert wird hier nicht direkt aus den Mülltonnen.
Von kleinen Wohnungen bis zu fünfstöckigen Häusern findet man Besetzungen in Barcelona in jeder Größe. Die BesetzerInnen teilen Know-How und Arbeitskräfte und treffen sich regelmäßig auf Partys oder einfach zum Abendessen.
Besetzt wird in Barcelona von den verschiedensten Menschen, aus den verschiedensten Gründen. Viele teilen aber einen gemeinsamen Anspruch, einen Anspruch der manchmal unerfüllbar scheint.
„Man will mit den Squats die Stadt verändern“, sagt César, während wir vom Dach des Hauses Barcelona überblicken, „und dann sitzt man hier oben und sieht auf die Stadt. So groß, es ist manchmal schon deprimierend.“