Wenn diese Kolume erscheint, weile ich gemeinsam mit zP Kollegen Andreas Lindinger und einigen anderen österreichischen Bloggern in Brüssel und verschaffe mir, unter Anderem, einen näheren Eindruck von den dortigen EU-Einrichtungen.

Dass ein Thema wie die Europäische Union bei einem Demokratiekurs für Fortgeschrittene nicht ausgeklammert werden kann und darf liegt auf der Hand, früher oder später hätte ich mich diesem Kapitel wohl oder übel widmen müssen, umso mehr freut es mich, dass ich das im nächsten Eintrag, als Fazit aus der oben erwähnten Bildungsreise, frisch versorgt mit hoffentlich einigermaßen brauchbaren Informationen tun werde können.

Nachdem ich aber diesen heutigen Eintrag sozusagen als Trockenübung vorbereite, möchte ich mich eher dem widmen, was mir spontan zum Thema EU einfällt. Zumal ich diesem Zusammenschluss von aktuell 27 europäischen Staaten persönlich, wie üblich, mit einer gewissen Grundskepsis, gegenüber stehe.

Da gibt es einerseits nicht zu verleugnende positive Aspekte, denen ich mich aber erst im Anschluss an die, ebenso vorhandenen, Nachteile widmen möchte. Diesbezüglich möchte ich einen kleinen Einblick in ein persönliches Erlebnis in Sachen EU geben, welches bis heute ein gewisses Unbehagen, wenn ich schlechter, kopfschüttelndes Gelächter, wenn ich guter Laune bin, auslöst:

Welcome to the Jungle (Guns N’Roses)

Vor mehr als 3 Jahren fand ich mich als zu einem Vorstellungsgespräch Eingeladene in Brüssel wieder. Vorausgegangen war ein mehr aus Neugier als aus beruflicher Ambition bestrittenes Auswahlverfahren für „Vertragsbedienstete in der EU“, welches aus einem zweistufigen, schriftlichen Test bestand, an dem Franz Kafka seine Freude gehabt hätte. Eingeladen waren Interessenten aus allen (damals) 25 Mitgliedsstaaten. Ich schaffte die Auswahl, die aufgrund einer äußerst seltsamen Kategorisierung der Bewerbungsgruppen, eigentlich nicht meiner Qualifikation entsprach, zumindest schien die Europäische Union der Meinung zu sein, ich wäre intelligent genug, dort zu arbeiten.

Gemeinsam mit – wie ich mit Schrecken während einer genaueren Recherche, die das sehr skurrile Auswahlverfahren notwendig gemacht hatte, feststellte – lediglich 30 (!) anderen Kandidaten meiner Fachkategorie, stand ich nunmehr auf einer ominösen Liste, aus der sich bedürftige EU-Institutionen ihre Arbeitselite aussuchen konnten (mussten…). Etwa 5 Monate später bekam ich einen Anruf aus Brüssel, man fragte mich, ob ich daran interessiert wäre, an einem Interview für einen Job teilzunehmen, Genaueres würde man mir via Email mitteilen.

If you’ve got the money honey, I’ve got the time (Willie Nelson)

Was soll ich sagen, der Job war nicht besonders attraktiv, viel mehr interessierte mich die Aussicht einerseits Brüssel endlich einmal zu besuchen, andererseits als unter chronischer Neugier Leidende einen Blick hinter die EU-Kulissen werfen zu können. Ehe ich mich versah, fand ich mich also in Brüssel wieder, Flug bezahlt und ein kleiner Betrag als Aufenthaltsspesen dazu, bummelte am Sonntag, dem Tag der Ankunft, durch die Stadt und fand mich Montag vormittags in einem abgrundtief hässlichen Bürogebäude einer EU-Behörde ein, deren Namen ich verdrängt habe.

Das Interview schließlich übertraf an Sonderbarem alles, was ich bis dato in meinem professionellen Leben erlebt habe. Vom mir wortlos in die Hand gedrückten Anweisungsformular, wie das nachfolgende Gespräch ablaufen würde – Achtung Standardisierung! – über das Vorsprechen für eine zur Teilzeit (20 Stunden) ausgeschriebene Stelle als psychologisch-pädagogische Kindergartenexpertin (…die ich nicht war…) vor sage und schreibe 8 (!) Personen, von denen nur zwei vom Fach, der Rest aus der Verwaltung waren – bis hin zu quizartigen Fragen z.B. nach dem Aufbau von EU-Institutionen und Gremien. Alles sehr, sehr seltsam, um es gelinde auszudrücken. Um diesem Bürokratiedesaster die Krone aufzusetzen fehlt nun noch das Ende der Geschichte.

Zwei Wochen später hat man mir in einem Brief mitgeteilt, dass ich die mündliche Prüfung (sic!) nicht bestanden habe, ein paar Monate später, nachdem Rumänien und Bulgarien der EU beigetreten waren, lud man mich galanterweise ein, am selben zweistufige Auswahlverfahren erneut teilzunehmen, wiederholte also die gesamte Prozedur in insgesamt 27 Mitgliedsländern. Ich hatte diesmal besseres mit meiner Zeit anzufangen, fragen Sie mich bitte nicht, was aus meiner Beschwerde wurde, die ich, nachdem ich mir darüber Gedanken gemacht habe, wie viel Geld für derlei Verfahren insgesamt aus dem Fenster geworfen würde, an die dortige Ombudsstelle (auch als Europäisches Salzamt bekannt) eingereicht habe.

May you grow up to be righteous, may you grow up to be true (Bob Dylan)

Es gibt nun also diese negative Seite, in der überbordende Bürokratie, Beamtenhochburgen, in denen die linke Hand nicht mehr zu wissen scheint, was die rechte tut, vorgebliche Fairnessregeln, die zu redundanten, extrem kostenintensiven Verfahrensabläufen führen, ein Eigenleben entwickelt haben, welches sich kaum noch überblicken lässt. Neben anderen, ist das ein wichtiger Aspekt, der mir in Bezug auf das Projekt EU Sorgen macht und mich skeptisch auf dessen zukünftige Entwicklung blicken lässt. Der mich auch verstehen läßt, warum EU-Bashing wie es am Boulevard betrieben wird, auf nationaler Ebene so erfolgreich ist.

Ich wäre aber nicht überzeugte Demokratin, würde ich nicht auch die positiven Aspekte zu schätzen wissen. Die Tatsache, dass mit der Europäischen Union wohl eines der erfolgreichsten Friedensprojekte betrieben wird, welches im Großen und Ganzen auch dafür gesorgt hat, dass ein gewisses Mindestmaß an Wohlstand in den Mitgliedsländern entweder besteht oder zumindest im Entstehen befindlich ist.

Diese europäische Union ist es auch, die eine weitere Ebene in Sachen Rechtsstaatlichkeit etabliert hat und mittlerweile dafür sorgt, dass diverse Missstände nicht mehr im nationalstaatlichen Instanzenzug enden. Des Weiteren gilt es, die unglaublichen Vorteile zu erwähnen, die sich für Wissenschaftlerinnen und Studenten (Erasmus) durch Reisefreiheit oder diverse Forschungsfördertöpfe eröffnet haben.

Insgesamt also ein Projekt mit vielen Licht- und Schattenseiten. Erstere müssen auch nationalstaatlich gefördert und nicht bloß als Orden gesehen werden, den sich feige Politiker erst dann an die Brust heften, wenn sich europäische Initiativen als Erfolge verkaufen lassen. Letztere müssen konsequent aufgezeigt werden und zwar in Form von sachlicher, fundierter Kritik.

Imagine there’s no countries, it isn’t hard to do , nothing to kill or die for, and no religion too (John Lennon)

Bleibt noch Folgendes: in den USA hat jeder Bundesstaat gewisse Symbole und Embleme, die den Zusammenhalt der Einwohner fördern sollen. Da gibt es ein Motto, eine Landesblume, einen Landesvogel, etc. Und es gibt dasselbe auch für die Vereinigten Staaten als Gesamtheit. Eine Nationalhymne, einen Nationalvogel (Weißkopfseeadler), eine Nationale Blume (Rose) und ein Motto. Früher lautete das „E Pluribus Unum“ (Aus vielen Eines). Mittlerweile ist das anerkannte nationale Motto der USA „In God We Trust“ (Wir vertrauen auf Gott).

Nachdem das bessere der beiden jetzt also offiziell frei ist, wäre mein Vorschlag für die symbolische Etablierung einer europäischen Identität, sich dieses zwischenzeitlich einfach auszuborgen.

Susanne 9. Juni 2010

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