„Seit damals kommen viele nicht mehr“, erzählt der junge Mann im grünen Trikot des nigerianischen Nationalteams. „Sie haben Angst vor der Polizei.“ Sie, das sind die Spieler des FC Sans Papiers und damals, der Tag, an dem über 100 Polizisten beim Training auftauchten, um einen gesuchten Asylwerber zu verhaften.
Der Sportplatz ist weitläufig und das Großaufgebot war notwendig um eine Flucht zu verhindern, argumentierte danach der Polizeisprecher.
Gesucht wurde einer, kontrolliert 16. Verhaftet wurden fünf, abgeschoben zwei. Trainer Cletus B. und Spieler Vincent A. wurden trotz heftiger Proteste der Zivilgesellschaft und der Grünen am 4. Mai nach Nigeria abgeschoben. Cletus ist dort inzwischen untergetaucht, erzählt Di-Tutu Bukasa, Präsident des FC Sans Papiers. „Wir haben ihn in seinem Schicksal allein gelassen. Jetzt muss er in seinem eigenen Land im Untergrund leben.“
Cletus ist homosexuell, worauf in Nigeria eine Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren steht. In zwölf Bundesstaaten droht ihm sogar die Todesstrafe durch Steinigung.
„Anarchische Zustände in der Schubhaft“
Die Abschiebungen von Cletus und Vincent waren nicht nur von heftigen Protesten begleitet. Die RechtsvertreterInnen der beiden Nigerianer werfen den Behörden auch schwere Verfehlungen vor: So sei Tim Außerhuber vom MigrantInnenverein St. Marx nicht zur Einvernahme seines Klienten Vincent zugelassen, Folgeanträge von diensthabenden BeamtInnen nicht angenommen, Telefonate verweigert und den RechtsvertreterInnen Informationen zum Abschiebungstermin vorenthalten worden.
„Diese Vorgehensweise lässt auf anarchische Zustände in der Schubhaft schließen und würde ein absichtliches Beschneiden der grundlegenden Verfahrensrechte der Schubhäftlinge bedeuten“, heißt es in einer Anfrage der Grünen an Innenministerin Fekter, deren Beantwortung noch aussteht.
In einem Gespräch mit einer Tageszeitung warf Cletus den Fremdenbehörden auch vor, ohne Heimreisezertifikat abgeschoben worden zu sein. Ein Heimreisezertifikat ist im österreichischen Recht bei einer Abschiebung vorgeschrieben, darin müssen die Behörden des Landes in das abgeschoben wird, die „Übernahme“ der Abgeschobenen bestätigen.
„Wir wollen aus unserer Verbannungssituation heraus“
Die Polizeiaktion hat deutliche Spuren in der Mannschaft hinterlassen. Cletus B. war Trainer und gleichzeitig bester Spieler des Vereins, der in der zweiten Klasse A der Wiener Liga auf Platz 5 liegt. Am Sonntag spielen sie gegen den Tabellenführer, Bhf. Favoriten. Trotzdem haben sich nur sechs Spieler auf der Marswiese in Hernals zum Training eingefunden.
Ein richtiges Training wird es dann auch nicht, dafür werde ich zum Spiel auf dem kleinen Feld eingeladen. Wir spielen ohne Tormann und nur Stangentreffer und Kopfballtore werden gezählt. Mit ausgeborgten Kunstrasenschuhen hetze ich auf der Seite auf und ab.
„The white guy, the white guy“, heißt es lachend, als ein Elfer fällig ist, den ich glatt neben die Stange setze. Untereinander sprechen die Spieler in verschiedenen afrikanischen Dialekten, mit mir Deutsch und Englisch. „Die Sans Papiers sind keine Insel, sie wurden gegründet, um mit der Mehrheitsgesellschaft zusammenzuarbeiten“, sagt Bukasa.
„Wir wollen aus unserer Verbannungssituation heraus, jeder ist eingeladen bei uns mitzutrainieren“, bittet er mich immer wieder „den Studenten“ zu sagen, dass sie doch auch zum Training kommen sollen. „Spielen dürfen dann natürlich nur die Besten“, folgt postwendend eine Einschränkung.
Ohne Training gegen den Tabellenführer
Beim Spiel am Sonntag gegen Bhf. Favoriten kommen dann genug Spieler. Das fehlende Training macht sich bemerkbar. Technisch sind die Sans Papiers klar überlegen, taktisch läuft es nicht so gut. Am Ende steht es 2:2, der Tabellenführer wurde damit zwar gestürzt, den Sans Papiers bleibt aber, eine Runde vor Saisonende, nur der 6. Platz.
In den Köpfen der Spieler regiert aber sowieso nur während dem Spiel der Fußball. In der übrigen Zeit geht es um andere Themen. Abschiebungen sind dabei immer präsent. „Österreich erkennt nicht, wenn jemand gut in etwas ist. So wie diese Arigona, die jetzt weggehen muss. Und Cletus hätte bei jedem Verein in Österreich spielen können. So jemand sollte bleiben dürfen.“