Es hätte so schön sein können. Doch manchmal kommt alles anders, als man denkt. Als ich hoffnungsfroh den letzten Eintrag schrieb, ahnte ich noch nicht, was mich erwartete. Der Schilddrüsenspezialist hatte einen Ultraschall meiner Schilddrüse gemacht und mich unter die Gammakamera gesteckt. Anschließend schickte er mich zurück ins Krankenhaus, mit der Aussicht auf baldige Entlassung aus dem Gesundheitsgefängnis. Dann sah er sich meine Blutwerte an.

Die Rache der Hoffnung

15 Minuten später hatte er meinen zuständigen Arzt in Kenntnis gesetzt. Die Informationskette im Spital war allerdings derart lang, dass mich die schlechte Botschaft erst drei Stunden später erreichte. Kurz bevor ich mich daran machte, die ersten Sachen zu packen, kam schließlich eine Schwester ins Zimmer. Ich müsse noch bis Montag bleiben. Die Schilddrüsenwerte passen nicht.

Das erinnerte mich an den Stationsarzt, dessen erste Worte bei der ersten Visite „Die Schilddrüse werden’s wohl rausschneide“ waren. Tage bevor ich zum Spezialisten gebracht wurde. Ein tollwütiges Nashorn ist einfühlsamer. Und hat besseres Timing.

Trotzdem hatte ich Glück. Übers Wochenende konnte ich tagsüber zu einem Freund „flüchten“. Das war auch bitter nötig, denn Herr G. hat kürzlich meinen Schlafmangel verstärkt.

Wie er das angestellt hat? So wie er das immer macht. Mit purer Sturheit.

Der unaufhaltbare Herr G.

Einen Abend lang hat Herr G. ziemlich erfolglos an seinem Gitter gezogen. Eine erneute Bezwingung des Selbigem ist ihm nicht mehr geglückt, denn sein Bett wurde tiefergelegt. Erschöpft von all dem Gezerre, schief er schließlich friedlich ein.

Es wäre nicht mein Nachbar, wenn er sich damit zufrieden geben würde. Irgendwann gegen drei in der Früh erwachte er also wieder. Und machte dort weiter, wo er aufgehört hatte.

Ich weiß nicht genau, wie und was er getan hat. Sehr genau weiß ich allerdings, das ich kurz vor einem Herzinfarkt stand, als ein Gitterteil laut krachend auf dem Boden aufschlug. Er hatte es geschafft, das Seitengitter auf einer Seite auszuheben. Gemäß seinem Zustand ist das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Und trotzdem lag er da, der Freiheit so nah, und bestaunte genauso ungläubig wie ich das Ergebnis seiner Anstrengungen.

Von seiner Willenskraft können sich levitierende Shaolin-Mönche noch etwas abschauen.

Doch zurück zu meiner Schilddrüse, die weiterhin Werte jenseits des Messbaren produzierte.*

Ein Patient

Heute Montag wurde wieder mein kostbares Blut abgezapft. Begleitet von einem leicht spritzenden Geräusch. Und weil das Testergebnis ähnlich schlecht wie vor einigen Tagen war*, wurde mein unglücklicher Verbleib erst einmal bis Mittwoch verlängert.

Und statt kleiner, netter, oranger Pillen gibt es nun Infusionen. Ein Plastiksack, eine Stange und ein Schlauch, der an mir hängt.

Das Nichtvorhandensein jener war bisher ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen mir und den alten Herren um mich herum. Jetzt bin ich Gleicher unter Gleichen. Und endgültig angekommen als Patient.

* Meine Schilddrüsenwerte sprengen aktuell die Skala. Bedeutet: Man weiß nicht, wie hoch sie sind. Man weiß nur mit Sicherheit, dass sie höher sind als der messbare Maximalwert. Das klingt tatsächlich ein wenig nach einem Problem.

Fotocredits: OakleyOriginals / CC 2.0 BY

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