Die gesamte Regierungsriege echauffierte sich gestern über die „inakzeptablen“ Aussagen (Faymann, Pröll, Spindelegger, Fekter) des türkischen Botschafters Kadri Ecved Tezcan. Der Übeltäter wurde ins Außenministerium zitiert und sein Chef in der Türkei angerufen. Strache forderte gleich eine Entschuldigung der türkischen Regierung und Josef Normalbürger geiferte in den Foren diverser Tageszeitungen.

Zugegeben, der Botschafter teilt kräftig aus. Zumindest schont er dabei niemanden. Schwarz, Rot und Blau (Grün bleibt gewohnt unauffällig), ÖsterreicherInnen und TürkInnen, alle müssen sich Kritik gefallen lassen.  Nicht allem würde ich zustimmen, Empörendes ist aber nun wirklich nicht dabei.

Am unangenehmsten sind für ÖsterreicherInnen wohl noch die Aussagen zum Toleranzproblem in der  Hauptstadt. Doch wenn eine Partei, deren Chef als Comicfigur Kinder zum Steinewerfen auf Türken auffordert, fast 26% bekommt, dann kann man einem Türken wegen solchen Aussagen wohl nur schwer böse sein.

Sonst wiederholt Tezcan nur, was doch eigentlich sowieso alle wissen: Wenn in Schulklassen die Mehrheit der Kinder keine Deutsch-Muttersprachler sind gibt es Probleme. Kinder, die ihre eigene Muttersprache nicht beherrschen fällt auch das Erlernen von Fremdsprachen schwerer. TürkInnen müssen Deutsch lernen. Fekter ist ein Problem. Der österreichischen Integrationspolitik fehlt es an „Koordination und Kooperation“. Wenn Frauen Kopftücher tragen wollen, sollen sie das dürfen, wenn sie gezwungen werden, muss der Staat einschreiten. Was ist daran empörend?

Ob ein Diplomat solche Dinge sagen darf oder nicht, weiß ich nicht. Ist mir eigentlich aber auch egal. Nicht egal ist mir, dass wieder einmal die gewohnten Verdrängungsmuster der österreichischen PolitikerInnen greifen. Der Grund die Inhalte der Kritik zu ignorieren ist hier besonders schnell gefunden, ein Diplomat darf so etwas nicht sagen. Punkt. Aus. Was hat er nochmal gesagt? Interessiert uns doch nicht.

Das Interview bietet viel Raum für Kritik. Unnötige Verallgemeinerungen über ÖsterreicherInnen (die bei vielen, die Tezcans Offenheit loben, in einem umgekehrten Fall wohl einen ordentlichen Beissreflex auslösen würden) und TürkInnen, oder seine Ansprüche als Vertreter von österreichischen StaatsbürgerInnen mit zwei oder drei Generationen zurückliegendem türkischem Migrationshintergrund.

Kritik an solchen Aussagen wäre berechtigt. Anstatt sich aber konstruktiv, mit der Sicht eines Türken, „der seit einem Jahr in Wien lebt und viele Kontakte zu den 250.000 Türken hier hat“, auseinanderzusetzen, verstecken sich österreichische VerantwortungsträgerInnen hinter einer kollektiven Empörung.

* Um einen Beitrag zur Debatte zu leisten hat mein Kollege Tom Schaffer drei Experten zum Gespräch geladen.

Foto Cover: clairephoenix.files.wordpress.com
Foto Beitrag: arne.list, CC2.0 BY-SA

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