Thomas Knapp hat bei Neuwal einen interessanten Text über das Verhalten von SPÖ, ÖVP und Grünen gegenüber den NEOS geschrieben. In „Immer auf die kleinen Pinken“ beschreibt er deren strategische Abgrenzungsversuche. Nicht beleuchtet hat er, welche Rolle die NEOS selbst in diesen Konfrontationen spielen.
Die haben in dieser Situation natürlich gut lachen. Jedesmal wenn sich eine Partei von ihnen abgrenzt, verschafft ihnen das Aufmerksamkeit. Noch lustiger wird es für sie, wenn das in Kommentaren als reine Aggression oder Nervositätserscheinung der anderen Parteien gewertet wird. Dadurch stehen die NEOS als ernstgenommener Newcomer da, während die anderen als Erfolgs-eifersüchtige Geiferer schlecht wegkommen.
Das amüsiert die politischen Beobachter, und nach Amüsement dürstet man auf diesem trockenen Gebiet. Selten bis nie wird deshalb betont, dass es weitgehend normal ist, sich als politische Partei über einen ernstzunehmenden Mitstreiter zu äußern und dabei – nona – Unterschiede herauszustreichen. Derlei Abgrenzung ist politisches Tagesgeschäft und insbesondere bei neuen Parteien nötig.
Die NEOS fordern bestehende Allianzen heraus
Natürlich haben die NEOS die politische Landschaft verändert. Und wenn sich wer irgendwo dazwischen drängelt, gibts Rangeleien – um in der beflügelnden Bildsprache von Matthias Strolz zu sprechen. Vor allem der wirtschaftsliberal-wertkonservative Spagat der ÖVP wird mit ihnen zunehmend unmöglich. Der gelang der Volkspartei schon ohne Herausforderer seit Jahren immer schlechter. Die Räume, die die Volkspartei hier offen gelassen hat, waren der Nährboden für das Aufpoppen einer neuen wirtschaftsliberalen Partei.
Es ist bei all der plumpen Lächerlichkeit in der Ausführung jedenfalls kein Zufall, wenn die ÖVP sich in dem Zusammenhang im Kampf gegen Nudelsieber auf das Christentum als Signal an die eigene Wählerbasis setzt. Dort wähnt sie sich in konservativer Sicherheit und das ist ein Bereich, in dem wiederum die NEOS einen schwierigen Spagat machen müssten, wenn sie an noch größere Teile der ÖVP-Kernwählerschaft als bisher appellieren möchten. Und die Grünen betonen logischerweise eher ihre wirtschaftspolitisch „linke“ Seite als unterscheidendes Merkmal, denn auch damit können die NEOS mit ihrer Wladiwostok-bis-LA-Freihandelszone, mit Fantasien über Russland in der EU und dem „Nachdenken“ über Privatisierungen etwa der Wasserversorgung nicht dienen. Sie kommen eben aus der wirtschaftsliberalen also im wirtschaftspolitisch Spektrum „rechten“ Ecke.
Es gibt ein Echo
Wie sich die älteren Parteien abgrenzen, ist die eine Sache über die sich witzeln und streiten lässt. Nicht aber über das Prinzip, sich abgrenzen zu wollen. Die NEOS fahren immerhin die Strategie, sich der Wählerschaft als bessere Alternative zu ÖVP und Grünen darzustellen. Auch wenn sie das manchmal als Umarmung tarnen. Das wirkt aufgrund der gelungenen Kommunikation und günstigen Ausgangslage der Partei nicht so aggressiv, aber es ist auch nichts anderes als das Raufen um eine begrenzte Anzahl Wählerstimmen. Wer eine solche Front mit anderen Parteien aufmacht, kann man sich schwer wundern, wenn da irgendwann auch gekämpft wird.
Die NEOS wurden bis kurz vor der Wahl nicht als echter Herausforderer erkannt, und das kam ihnen durchaus zugute. Man wollte ihnen keine Aufmerksamkeit schenken, um sie nicht zu einem zu machen. Ähnlich geht es derzeit Europa Anders (nur fehlt denen Financiers wie Hans Peter Haselsteiner im Hintergrund). Das Ignorieren ging im Fall der NEOS schief, denn die Pose als die freshen „New Kids on the Block“ genügt in einer Situation ohne Widerspruch und mit einigem Frust über die etablierten Parteien, um für Schwung zu sorgen. (Ich habe das schon vor der Nationalratswahl angerissen.)
Geht es nach den NEOS, dürfen die an manchen Stellen deutlichen inhaltlichen Unterschiede natürlich ruhig für immer in der Feel-Good-Wolke einer angeblich nach allen Seiten offenen „Mitte“-Partei untergehen. Jetzt, wo sie in Umfragen zweistellig dastehen und dank des offensichtlich effektiven Aufbaus von Basisstrukturen auch nicht mehr weggehen werden, wird eine Auseinandersetzung mit den NEOS für die Konkurrenz aber ebenso logisch wie nötig. Sie machens mit ihrem strategischen Positivwahlkampf derzeit zwar weniger oft, aber ja eben schon auch umgekehrt.