Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat ausführlich Zeugen und Argumente gehört. Und entschieden, die Stichwahl vom 22. Mai aufzuheben. Wenngleich es gute Gründe gibt, die Entscheidung für problematisch zu halten, halte ich sie grundsätzlich für richtig, weil sie sachlich ausreichend unterfüttert ist und hoffentlich zu weniger Schluderei bei der Umsetzung des Wahlverfahrens führt.

Denn genau diese – zu deutsch: Formfehler, unsachgemäße Abwicklung – hat der VfGH beanstandet. Weder die Richter, noch ein einziger Zeuge oder Alt-FPÖler Dieter Böhmdorfer als Verfasser der Anfechtung haben Manipulationen in den Raum gestellt. Die FPÖ-Spitze aber sehr wohl. Und sie tut es weiter, zum Schaden des demokratischen Systems.

Wahlwiederholung, Wiederholungstäter

Schon bei der Wien-Wahl schürte man vor dem Urnengang Angst vor Wahlfälschung. Und auch bei der Bundespräsidentschaftswahl, insbesondere rund um die Stichwahl, sparte man nicht mit Andeutungen. Freilich, ohne je eine konkrete Anschuldigung zu formulieren. Die Wirkung ließ sich unter anderem auf den Facebook-Auftritten der FPÖ beobachten. Nicht wenige Menschen halten eine Generalverschwörung aller anderen Parteien und politischen Institutionen für die FPÖ ernsthaft für möglich.

Wahlfälschung „nicht ausdrücklich ausgeschlossen“

Und das Spielchen wird munter fortgesetzt. Parteichef HC Strache erklärte auf der Pressekonferenz zur Stichwahlaufhebung, Manipulationen seien „nicht ausdrücklich ausgeschlossen“ worden. Hofer sagte, er könne ja nicht wissen, was so mancher Wahlleiter alleine im Kammerl mit den Wahlkarten angestellt habe.

Nun könnte man sagen, beide Statements sind nicht falsifizierbar. Und genau das macht sie gefährlich. Um das Problem zu verdeutlichen, hier eine drastische Aussage mit gleichem Aufbau: „Ich kann nicht ausdrücklich ausschließen, dass Strache kokst. Denn er wirkt immer so aufgedreht. Und ich weiß ja nicht, was er im Disco-Hinterzimmer so tut.“

Nach diesem Muster lässt sich prinzipiell alles in den Raum stellen, ohne konkret werden zu müssen. Leute, die ob Straches Haltung zu Drogen verunsichert sind, würden trotzdem einen Haartest fordern. Es ist das berühmte Prinzip des „Es wird schon was hängen bleiben“, der „Schmutzkübel“, aber in subtilerer Form. Denn niemand muss etwas ausschließen, für das es weder Beweise, noch Verdacht gibt.

Doppeltes Kalkül

Warum die FPÖ das tut, kann ich nur vermuten. Ich würde auf eine Mobilisierungstaktik tippen. Man möchte das Gefühl erwecken, dass nur massive Wahlteilnahme möglichen Betrug stark genug erschweren kann, damit aus dem gefühlt „wahren“ auch der tatsächliche Sieger wird. Gleichzeitig fördert man das Misstrauen in das demokratische System und beschädigt es dadurch. Das erzeugt Frust, den man als Protestpartei gut zu nutzen weiß. Ein Win-Win mit fatalem Nebeneffekt.

Es wird notwendig werden, der FPÖ genau auf die Finger zu schauen. Und laut auf ihre Absichten hinzuweisen, wenn wieder einmal ein „nicht ausdrücklich ausgeschlossener“ Verdacht konstruiert wird. Bevor wir uns noch „wundern, was alles möglich ist“.

Foto: Franz Johann Morgenbesser auf Flickr/CC BY SA 2.0

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