Die Sache wäre harmlos. Der ORF dreht vier Wochen lang eine „Am Schauplatz“-Dokumentation über einige Rechtsradikale. Die Protagonisten werden auch zu einer Wahlkampfveranstaltung der FPÖ begleitet. Am Ende dieser Veranstaltung wird Heinz Christian Strache beim Autogrammegeben gefilmt. Auch die Skinheads wechseln ein paar Worte mit ihm und werden dabei aufgenommen. Es kommt zum Missverständnis und die Verschwörungstheorie der FPÖ nimmt ihren Lauf.
Der Redakteur fragt die beiden nach der Einschätzung zum FPÖ-Chef: „Und, was sagt ihr zu ihm?“. Strache meint allerdings zu hören „Na sagt schon was zu ihm„. Er wittert eine ORF-Verschwörung, hetzt die umherstehende Menge auf, sucht „Zeugen“ für den Skandal (denen er aber zuerst erklären muss, was vorgefallen ist). Der Reporter hätte die beiden aufgefordert, etwas Skandalöses zu ihm zu sagen.
Dass Strache sich dabei verhört hat, ist spätestens nach Einsicht des vom ORF veröffentlichten Materials (Windows Media Player, ab Minute 9) offensichtlich. Straches Fehler ist inmitten des Lärms einer Gruppe von Menschen verständlich und wäre keine große Sache. Doch anstatt das zuzugeben stellt die FPÖ sich weiterhin dumm.
Der Superbeweis
Strache will sich nun sogar einem Lügendetektor ausliefern um zu beweisen, dass er die Wahrheit sagt. Würde er den bestehen, würde das zwar nichts über den wirklichen Sachverhalt aussagen, aber nicht gerade für ihn sprechen. Das würde bedeuten, dass er selbst nach dem Gegenbeweis noch nicht von seiner Meinung abweicht.
Außerdem, so die FPÖ, hätten die Skinheads ja Mikrophone getragen. Das ist natürlich der ultimative Beweis, wenn man zeigen möchte, dass der ORF eine Doku über die beiden Männer dreht. … Moment!
Aber um die Realität geht es wie so oft auch hier nicht. Die FPÖ versucht aus der Situation Profit zu schlagen und sich als Opfer einer linken Medienpropaganda darzustellen. Die linke Medienverschwörung ist natürlich gerade in einem Land eine besonders lustige Idee, in dem 40,4% der Menschen die Kronenzeitung lesen, die offen Wahlempfehlungen für Barbara Rosenkranz ausspricht.
Derartige Theorien sind trotzdem ein beliebtes Mittel bei Rechtspopulisten. Es passt in ihre inszenierte Selbstdarstellung von den Kämpfern gegen „die da oben“. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Wahlduell von Peter Westenthaler, wo er vermutete Ingrid Thurnher würde per Computer irgendwelche Befehle bekommen.
Die Beweise aus dem „Fall Strache vs. Am Schauplatz“ werden auf der ORF-Kundendienst-Webseite nicht allzu viele Menschen sehen (falls die Strache-Behauptung von seinen Anhängern überhaupt hinterfragt wird). Zudem vergisst man Details solcher Dinge auch schnell. Schnell bleibt nur noch das „Da war doch irgendwas“ im Hinterkopf. Und eine Version, die oft genug wiederholt wird, bleibt bei vielen auch als Wahrheit hängen.
Einsicht zu zeigen und einen Fehler zuzugestehen wäre zwar anständig, aber sich dumm zu stellen lohnt sich.
Update: Die Farce geht weiter. Donnerstag-Abend wird Strache für sein Beharren auf der Verschwörungstheorie mit ordentlich Sendezeit in einem Sonder-Club 2 belohnt (einer eigentlich von aktiven PolitikerInnen befreiten Sendung). Mit ihm darf auch der ihm zur Seite gesprungene ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf sich im TV auslassen.
Update 2: Währenddessen untersuchte die Polizei am Donnerstag am Küniglberg die Redaktion von „Am Schauplatz“ – mit einer meiner (unjuristischen) Meinung nach schwer bedenklichen Untergrabung des Redaktionsgeheimnisses.