Österreichs Regierung taumelt von einem Desaster ins nächste. Während man sachpolitisch entweder gar nichts weiterbringt, oder sich mit gestrigen und vorgestrigen Reformvorschlägen gegenseitig blockiert, ist man sich zumindest in einem Punkt voll und ganz einig: wir leisten gute, ja hervorragende, Arbeit.
Schließlich muss der gemeinen Bürgerin immer wieder aufs Neue erklärt werden, dass das, was sie als demokratiepolitische Geisterfahrt in eine prekäre Zukunft erkannt hat, de facto eine lauschige Donaudampfschiffahrtsgesellschaft (Walzermusik inkl.) in bessere Zeiten ist.
Zu den beliebtesten Mitteln innerhalb dieser Kommunikationsstrategie zählt die Eigenwerbung. Dazu gehören Briefsendungen und Inserate, oder auch eigens dafür gelaunchte Propagandawebseiten, wo die jeweiligen Minister und Ministerinnen ausreichend Platz dafür finden, das was sie zu tun versäumt haben in Worthülsen zu packen und als erfolgreiche Arbeit zu verkaufen. Samt einem sympathischen Foto, eh klar.
Wirtschaftszweig Regierungspropaganda
Ein ganzer Rattenschwanz an Unternehmen profitiert davon, schließlich ist nur das Allerbeste gut genug und wenn der Inhalt schon simpel ist, so muss zumindest das Auftreten passen, am wichtigsten ein klarer, einfacher Slogan, der am besten so nichtssagend wie möglich ist, schließlich könnte man ja irgendwann einmal dafür zur Verantwortung gezogen werden.
Österreichs Zeitungen reiben sich die Hände, denn auch wenn es hin und wieder ein bisschen peinlich ist, ständig halb- oder ganzseitige Volksverblödung im Namen der „Bezahlten Anzeige“ zu betreiben, na ja, pecunia non olet, gell?
Heiße Luft
Aktuell geht es wieder einmal darum einen Haufen demokratiepolitischer Katastrophen schönzureden (Aslygesetz, Budget 2011, Bildungspolitik, etc.) und um die werten zurPolitik Leserinnen und Leser ein wenig auf einen marketingtechnisch heißlüftigen Herbst/Winter einzustimmen, habe ich mich diesmal daran gemacht, die jeweiligen Werbebotschaften der einzelnen Minister und Ministerinnen sowie beider in Regierungsverantwortung befindlichen Parteien zusammenzusuchen.
Für Nebenwirkungen und sonstige geistige Ausfallserscheinungen während der Lektüre folgender Stehsätze übernehme ich absolut gar keine Verantwortung.
Bundeskanzleramt: Österreich : Gemeinsam
Im Bundeskanzleramt baut man auf gruppendynamische Beschwörungsformeln. Zusammenhalten als ganzes Land, das ist wichtig und dass ja niemand davonläuft, wenn es ans Zahlen geht!
Innenministerium: Mehr Ordnung. Mehr Freiheit
Österreichs beliebteste Ministerin Maria Fekter kommuniziert auf Innensicher.at ein klassisches Oxymoron. Nicht, dass wir jemals etwas anderes gewohnt waren, schließlich schiebt man ja auch Kinder human und sensibel ab, aber sehr elegant finde ich die Ausführungen in Sachen Loyalität, die noch vor dem Start der Homepage, ein gewisser Leiter der Fremdenpolizei ganz ausführlich zu Spüren bekam. Vielleicht zerbricht sich der gute Mann aktuell gerade den Kopf über die Hermeneutik folgender Passage: „Loyalität bedeutet, dass Führungskräfte zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch in schwierigen Situationen stehen.“
Außenministerium: Weltweit für Sie da
Das Außenministerium ist wohl heilfroh, dass man mit Allerweltsansagen wie obiger nirgendwo aneckt. Egal, ob man sich nun im UNO Plenum brav eine Rede von Herrn Ahmadinejad samt antisemitischer Schwadronage anhört, oder ob man sonst irgendwie zumindest dabei ist. Wir sind für alle da. Weltweit.
Verkehrsministerium: Österreichs Schlüssel zum Erfolg
Im Verkehrsministerium wiederum meint man kurz vor der Entschlüsselung der Weltformel zu stehen, vermutlich beschleunigt durch den Bau des Milliardengrabes Koralmtunnel. Schließlich gilt es zumindest in Sachen Ausbau sinnloser Verkehrsstrecken bei der Weltspitze dabei zu sein.
ÖVP: Weniger Schulden. Mehr Zukunft.
Auf der dunklen Seite der Macht, bei der ÖVP, ist man so froh darüber, dass man die selbst angehäuften Schulden von allen anderen im Land bezahlen lassen kann, dass man die Frohbotschaft sogleich zum Parteislogan gekürt hat. Wer sich darüber aufregt, kann auf der Regierungsseite nachschauen, schließlich steht’s auch dort rot auf weiß: Österreich : Gemeinsam. Und wer dann noch immer nicht mitmachen will, wird möglicherweise abgeschoben oder zur Zwangsarbeit verpflichtet. Geil.
SPÖ: Ausgewogene Budgetkonsolidierung ist gelungen!
Bei den Sozialdemokraten freut man sich immer sehr, wenn einem ausnahmsweise mal wieder etwas gelingt. Diesmal zum Beispiel über einen weiteren Erfolg in Sachen: wie reduziere ich in möglichst kurzer Zeit meine ureigenste Wählerschaft. Mit Kürzungen bei den Studierenden und Familien ist der nächste negative Erfolg bei den Wahlen so gut wie garantiert. Herzliche Gratulation.
Und jetzt?
Was das für die Demokratie bedeutet, liegt auf der Hand: Auf Seiten der Politik hat man es sich hierzulande bequem gemacht mit dieser Form des Regierens. Gesetze werden durchgewunken, Begutachtungsfristen so kurz bemessen, dass man die seitenlangen Konvolute nicht mal ansatzweise begutachten kann, bevor darüber abgestimmt wird, im Parlament herrscht Klubzwang, man stimmt so ab, wie es der Parteichef vorgibt, eigene Meinung zählt nicht, Leistung ebensowenig, die Rechung zahlt ohnehin die Wählerschaft.
Eine Frage stellt sich mir aber doch: wie lange geht das noch gut? Konkrete Antwort darauf habe ich leider keine, aber eines ist so sicher wie das Amen im Gebet – mit einer derartig visionslosen, destruktiven Politik sicher nicht mehr lange.
Susanne 27. Oktober 2010